Rz. 5

Gemäß Abs. 2 ist die Anspruchseinschränkung nach Ablauf von 6 Monaten fortzusetzen, wenn deren gesetzliche Voraussetzungen weiter vorliegen. Das setzt eine von Amts wegen durchzuführende Prüfung voraus. Nach der Gesetzesbegründung bedarf es nach Ablauf des Zeitraums von 6 Monaten der Überprüfung, ob die Anspruchseinschränkung aufrechterhalten werden kann. Daher fordert Abs. 2 im Anschluss eine neue Prüfung der Behörde, ob die Pflichtverletzung andauert und die Voraussetzungen für eine Anspruchseinschränkung weiterhin erfüllt werden (BT-Drs. 18/6185 S. 47). Lediglich wiederholende Mitteilungen der Behörde erfüllen nicht die Anforderungen an eine erneute Sach- und Rechtsprüfung (LSG Baden-Württemberg, Beschluss v. 13.7.2021, L 7 AY 1929/21 ER B mit Hinweis auf Oppermann, a. a. O., Rz. 18, jetzt Rz. 22 f.; Siefert, AsylbLG, 2. Aufl. 2020, § 14 Rz. 7).

 

Rz. 6

Auch unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten problematisch ist die Frage, ob eine rechtsmissbräuchliche Einreise als Grund für die Leistungseinschränkung gemäß § 1a Abs. 1 auch nach Ablauf von 6 Monaten fortdauert und ggf. wie lange dies zur Leistungseinschränkung führen darf, wenn sich der Leistungsberechtigte über viele Jahre hinweg im Bundesgebiet aufhält. Die Beurteilung ist in Rechtsprechung und Literatur heillos umstritten (Grube/Wahrendorf/Flint/Leopold, 8. Aufl. 2024, AsylbLG, § 14 Rz. 10 m. w. N.).

 

Rz. 7

Zu den verfahrensrechtlichen Besonderheiten bei einer Fortsetzung der Sanktion sowie Einleitung eines neuen Verwaltungsverfahrens mit Anhörung, Aufforderung zur konkreten Mitwirkung und ggf. auch direkte Kontaktaufnahme zu dem Antragsteller vgl. LSG Bayern, Beschluss v. 21.12.2016, L 8 AY 31/16 B ER. Ausdrücklich offen gelassen wird die Frage, ob der verfassungsrechtlich vorgegebene Grundsatz der Verhältnismäßigkeit unbefristete Kettenanspruchseinschränkungen ausschließt (LSG Bayern, a. a. O.). Ein nicht mehr abänderbares Fehlverhalten kann jedenfalls nicht unbegrenzt fortwirken. Voigt (info also 2016, 105) geht davon aus, dass § 14 generell nur für 6 Monate eine Kürzung ohne Verlängerungsmöglichkeit erlaubt, wenn ein Sanktionstatbestand nicht von einem aktuell zu beeinflussenden Verhalten abhängt. Denn bei einem aktuell nicht zu beeinflussenden Verhalten könne es sich nie um eine fortbestehende Pflichtverletzung handeln (Voigt, a. a. O.). Die einzige Möglichkeit, eine zurückliegende Pflichtverletzung zu korrigieren, liege nach den Regelungen des § 1a Abs. 1, 2 und 4 in der Ausreise aus dem Bundesgebiet, die aber nur ausländerrechtlich und nicht sozialrechtlich durchgesetzt werden dürfe (Voigt, a. a. O. mit weiteren Hinweisen zu europarechtlichen Bedenken). Keine Fortsetzung der Leistungskürzung kommt in Betracht, wenn das Fehlverhalten korrigiert worden ist oder der Zweck der Sanktion, ein bestimmtes Verhalten zu erzwingen, nicht mehr erreicht werden kann (LSG Bayern, Beschluss v. 21.12.2016, L 8 AY 31/16 B ER unter Hinweis auf Oppermann, in: jurisPK-SGB XII, AsylbLG.§ 14 Rz. 23). Über die fortdauernde Anspruchseinschränkung ist dem Leistungsberechtigten ein Bescheid zu erteilen, der als Begründung das Ergebnis der zugrunde liegenden Prüfung enthält.

 

Rz. 8

Zu differenzieren ist die Frage, ob die Leistungseinschränkung gemäß § 1a Abs. 1 überhaupt auf einen physischen Kernbereich der Existenz begrenzt werden darf (vgl. dazu die Komm. zu § 1a Rz. 9). Die Rechtsprechung legt allerdings zugrunde, Art. 1 Abs. 1 GG und Art. 20 GG geböten keine bedarfsunabhängigen, voraussetzungslosen Sozialleistungen. § 1a sanktioniere vermeidbares persönliches Fehlverhalten des Leistungsberechtigten, der die Vollziehung aufenthaltsbeendender Maßnahmen durch in seinen Verantwortungsbereich fallendes vertretbares und vorwerfbares Verhalten verhindert. Auch die gesetzgeberisch vorgesehene Möglichkeit der fortgesetzten Leistungseinschränkung auf das reduzierte physische Existenzminimum nach Abs. 2 sei grundsätzlich verfassungsrechtlich vertretbar (Bay. LSG, Beschluss v. 21.12.2021, L 8 AY 31/16 B ER).

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