Rz. 16

Abs. 4 wurde erst mit dem Integrationsgesetz v. 31.7.2016 (BGBl. I S. 1939) mit Wirkung zum 6.8.2016 angefügt. In der Begründung des Gesetzesentwurfes wird ausgeführt (BT-Drs. 18/8615 S. 42):

„Mit dem in § 11 neu eingefügten Absatz 4 wird die sofortige Vollziehbarkeit von Verwaltungsakten angeordnet, die die Leistungsbewilligung nach dem AsylbLG aufheben oder die Leistung ganz oder teilweise entziehen. Die Vorschrift normiert somit Fälle im Sinne von § 86a Absatz 2 Nr. 4 des Sozialgerichtsgesetzes, in denen die aufschiebende Wirkung entfällt.

Die Regelung nach Nummer 1 stellt sicher, dass Aufhebungsentscheidungen sofort vollziehbar sind. Der Begriff der Aufhebung umfasst dabei nach dem Normverständnis von § 50 Abs. 1 SGB X auch die Rücknahme gemäß den §§ 44 und 45 SGB X und den Widerruf gemäß § 47 SGB X.

Die Regelung nach Nummer 2 betrifft Entscheidungen, durch die eine Pflichtverletzung und eine daran anknüpfende Einschränkung des Leistungsanspruchs festgestellt wird.”

Aus den Materialien (BT-Drs. 18/8829 v. 20.6.2016, S. 20) gehen beachtliche Bedenken des Bundesrates gegen die Regelung hervor:

"Der Bundesrat bittet im weiteren Gesetzgebungsverfahren um Prüfung der Auswirkungen der Regelung auf die Belastungssituation der Sozialgerichte. Begründung: Nach § 11 Abs. 4 sollen Widerspruch und Anfechtungsklage gegen einen Verwaltungsakt, mit dem a) eine Leistung nach diesem Gesetz ganz oder teilweise entzogen wird oder die Leistungsbewilligung aufgehoben wird oder b) eine Einschränkung des Leistungsanspruchs nach § 1a oder § 11 Abs. 2a festgestellt wird, keine aufschiebende Wirkung haben. Diese Regelung dürfte zu einer deutlich erhöhten Arbeitsbelastung der Sozialgerichtsbarkeit führen, die vermehrt mit Verfahren nach § 86b SGG (Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes) beschäftigt werden wird, obgleich seit Jahrzehnten eine Entlastung der bekanntermaßen sehr hoch belasteten Gerichtsbarkeit angestrebt wird."

In der Gegenäußerung der Bundesregierung zu der o. g. Stellungnahme des Bundesrates nimmt diese zur Prüfbitte des Bundesrates wie folgt Stellung (BT-Drs. 18/8883 v. 22.6.2016, S. 3):

"Zentrales Argument für die Neuregelung des § 11 Abs. 4 ist, dass Widerspruch und Anfechtungsklage zukünftig keine aufschiebende Wirkung mehr entfalten sollen, sondern diese stets über einen Rechtsbehelf gesondert beantragt werden muss. Ziel ist es, dadurch den Vollzug der Leistungseinschränkungen effizienter zu gestalten. Bislang tritt die Wirksamkeit der Leistungseinschränkungen durch Widerspruch und Anfechtungsklage häufig erst stark zeitversetzt ein und dann möglicherweise erst zu einem Zeitpunkt, zu dem der Aufenthalt eines Leistungsberechtigten bereits seinem Ende zugeht. Dass mit der Neuregelung eine höhere Belastung der Sozialgerichtsbarkeit einher gehen muss, trifft zu, muss aber nach Auffassung der Bundesregierung mit Blick auf Zielrichtung der Neuregelung in Kauf genommen werden. Hinzu kommt, dass die Leistungsbehörden bei überzeugenden Rechtsbehelfen die sofortige Vollziehung ganz oder teilweise aussetzen können, so dass es nicht zwingend zu einer Mehrbelastung der Sozialgerichtsbarkeit kommen muss."

 

Rz. 17

Aus den vorstehend zitierten Gesetzesmaterialien hat das Bay. LSG gefolgert, dass der Gesetzgeber mit der Regelung in § 11 Abs. 4 AsylbLG wohl erstmals eine Regelung nach § 86a Abs. 2 Nr. 4 SGG habe treffen wollen (Bay. LSG, Beschluss v. 13.9.2016, L 8 AY 21/16 B ER, ZFSH/SGB 2016 S. 677). Im Umkehrschluss habe vor der Neuregelung mit Wirkung zum 6.8.2016 die generelle Regelung des § 86a Abs. 1 gegolten, wonach Widerspruch und Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung hatten (Bay. LSG, a. a. O.).

2.6.1 Wegfall der aufschiebenden Wirkung bei Entziehung oder Aufhebung der Leistung (Abs. 4 Nr. 1)

 

Rz. 18

Darunter sind vor allem Entscheidungen nach den §§ 44 f. SGB X, insbesondere solche nach § 48 SGB X und § 45 SGB X zu verstehen. Wesentlich seltener sind Entscheidungen nach § 47 SGB X, die aber ebenfalls von § 11 Abs. 4 Nr. 1 erfasst werden (Welte, ZAR 2016 S. 274).

2.6.2 Einschränkungen des Leistungsanspruchs nach § 1a oder § 11 Abs. 2a und Wegfall der aufschiebenden Wirkung (Abs. 4 Nr. 2)

 

Rz. 19

Die aufschiebende Wirkung insbesondere von Widerspruch und Anfechtungsklage entfällt auch dann, wenn der angefochtene Bescheid eine Leistungskürzung nach § 1a oder dem neuen § 11 Abs. 2a anordnet. Insbesondere aufgrund dieser Regelung wird mit einem vermehrten Aufkommen von Eilverfahren gerechnet (vgl. Deibel, ZFSH/SGB 2016 S. 529). Da die neuen Sanktionstatbestände in § 5a und 5b AsylbLG ebenfalls Leistungseinschränkungen nach § 1a vorsehen, werden auch diese Entscheidungen von § 11 Abs. 4 Nr. 2 erfasst, obwohl § 5a und § 5b hier nicht ausdrücklich erwähnt werden (wie hier Deibel, a. a. O.).

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