Rz. 3

Bei der Kodifikation des SGB war es nicht gelungen, alle dem Sozialgesetzbuch zugehörigen Gesetze zugleich auch als besondere Bücher des SGB zu überarbeiten und als solche zu kodifizieren; insbesondere diese an die Vorschriften des SGB I und später des SGB X anzupassen. Auch in späteren gesetzlichen Regelungen besonderer Bücher des SGB war es aus unterschiedlichen Gründen unterlassen worden, bestehende andere Gesetze in das SGB einzugliedern. So waren u. a. bei der Kodifikation des SGB V durch das Gesundheitsreformgesetz (GRG) v. 20.12.1988 (BGBl. I S. 2477) Vorschriften der RVO über Leistungen bei Schwangerschaft und Mutterschaft (§§ 195ff. RVO) nicht übernommen worden, worauf die Verweisung auf die RVO in Nr. 3 zurückzuführen war. Diese Regelungen der RVO sind nunmehr (vgl. Art. 3 des Pflege-Neuausrichtungs-Gesetz – PNG) in §§ 24c bis 24i SGB V geregelt. Die Regelungen für die Krankenversicherungspflicht der Landwirte war im SGB V nur in einigen Punkten angesprochen, ansonsten jedoch im KVLG 1972 belassen und dort angepasst oder neu geregelt (KVLG 1989) worden. Selbst bei der Neufassung von Gesetzen (z. B. WoGG, BAföG) wurden diese entgegen der ursprünglichen Absicht nicht als Sozialgesetzbücher kodifiziert. Die Anzahl der als besondere Bücher geltenden Gesetze hat daher, gegenüber der Auflistung in Art. II § 1 des SGB I von 1975, und trotz der Erweiterung des SGB zugenommen. Dies ist auch darauf zurückzuführen, dass neuere Gesetze vielfach nur zum Teil primär sozialrechtliche Regelungen enthalten, daneben und darüber hinaus aber auch arbeits- oder verwaltungsrechtliche Regelungen (z. B. BEEG, Strafrechtliches Rehabilitationsrecht) enthalten, sodass sie nicht vollständig dem Sozialrecht zugeordnet werden können. Die in der Einleitung der Vorschrift zum Ausdruck kommende Absicht, diese als besondere Teile des SGB benannten Gesetze in das SGB einzugliedern, erschien vor diesem Hintergrund daher eher zweifelhaft (vgl. dazu Waibel, ZfS 2004, 341). Im Hinblick auf die Gesetzgebung der letzten Jahre erscheint diese Absicht, wie es das Gesetz zur Regelung des Sozialen Entschädigungsrechts v. 12.12.2019 (BGBl. I S. 2652) deutlich macht, auch wieder in den Fokus zu treten.

 

Rz. 4

Mit dem Verweis auf bestimmte Gesetze oder einzelne Vorschriften von Gesetzen wird überwiegend auf die in den §§ 3 ff. und §§ 18 ff. angesprochenen einzelnen Sozialleistungen Bezug genommen, die in Gesetzen geregelt sind, die keine Sozialgesetzbücher sind. Es werden aber auch Gesetze in den Geltungsbereich des SGB einbezogen, z. B. das Adoptionsvermittlungsgesetz oder 5. Abschnitt des Schwangerschaftskonfliktgesetzes, die mit Materien der Sozialgesetzbücher, z. B. dem SGB VIII und dem SGB V, im Zusammenhang stehen. Zum Teil handelt es sich um Gesetze, für die der Rechtsweg zu den Sozialgerichten eröffnet ist, andererseits sind aber auch Gesetze genannt, für die der Verwaltungsrechtsweg gegeben ist (BAföG, WoGG). Neben materiellen Gesetzen und Regelungen werden jedoch auch Organisations- und besondere Verfahrensgesetze als besondere Sozialgesetzbücher benannt.

 

Rz. 5

Durch § 68 werden diese Gesetze in der jeweiligen Fassung in das SGB einbezogen (dynamische Verweisung). Dies gilt sowohl für deren materiell-rechtlichen Inhalt als auch für die darin enthaltenen Verfahrens- und Organisationsvorschriften. Einbezogen in den Anwendungsbereich des SGB werden aufgrund der dynamischen Verweisung auch untergesetzliche Normen (Rechtsverordnungen und Satzungen der Versicherungsträger), die ihre Rechtsgrundlage in den in § 68 aufgelisteten Gesetzen haben.

 

Rz. 6

Bedeutung haben die dem SGB zugeordneten besonderen Bücher insbesondere dadurch, dass damit die im SGB I getroffenen Regelungen zu den (möglichen) Leistungsansprüchen (z. B. hinsichtlich der Entstehung, der Verzinsung, der Verjährung, des möglichen Verzichts etc.) und die Verfahrensvorschriften des SGB X Anwendung finden. Dies gilt allerdings nur grundsätzlich, denn durch den ausdrücklichen Vorbehalt für abweichende Regelungen (vgl. Komm. zu § 37), können in anderen Gesetzen auch Abweichungen gegenüber den Sozialgesetzbüchern geregelt werden. Die genannten und in Bezug genommenen Gesetze enthalten vielfach auch von den allgemeinen Grundsätzen des SGB I und X abweichende oder vorrangige Regelungen (vgl. dazu Hinrichs, NZS 2016, 339). So sieht z. B. § 26 Abs. 2 BEEG ausdrücklich die Möglichkeit eines Rückgriffs auf § 328 Abs. 3 SGB III sowie § 331 SGB III vor, indem deren Regelungen zur vorläufigen Entscheidung über die Erbringung von Geldleistungen und zur vorläufigen Zahlungseinstellung für entsprechend anwendbar erklärt werden, da an sich nur der Erste und Zweite Abschnitt des BEEG (§§ 1 bis 14) als besonderer Teil des SGB gilt (Nr. 15). (Zur Abweichung vom Territorialitätsgrundsatz des § 30 vgl. z. B. BSG, Urteil v. 29.4.2010, B 9 SB 1/10 R, für die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft.)

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