7.1 Dispositionsmaxime

 

Rz. 11

Rechtsschutz wird auf Antrag hin gewährt. Das gilt für die Klage ebenso wie für Rechtsmittel (Berufung, Beschwerde, Revision), für einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz und für die Kostenentscheidung nach § 193 Abs. 1 Satz 3, wenn das Verfahren ohne streitige Entscheidung in der Hauptsache beendet wird. Damit wird die Dispositionsmaxime vorgegeben. Lediglich die mit der Hauptsacheentscheidung verbundene Kostenentscheidung (§ 193 Abs. 1 Satz 1) und dann, wenn Gerichtskosten entstehen (§ 192, § 193 Abs. 1 Satz 2 und § 197a SGG i. V. m. § 61 Abs. 1 und 2 VwGO), ist von Amts wegen über die Kosten zu entscheiden.

7.2 Amtsbetrieb und Untersuchungsgrundsatz

 

Rz. 12

Nach der Verfahrenseinleitung durch Klage, Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz oder Rechtsmitteleinlegung trifft das Gericht alle erforderlichen Maßnahmen zur Förderung des Verfahrens (Amtsbetrieb), indem es von Amts wegen Ladungen und Zustellungen vornimmt. Anders als im Zivilprozess ist es nicht Aufgabe der Beteiligten (Parteien), verfahrensfördernde Maßnahmen zu treffen. Die Anordnung des Ruhens des Verfahrens, die nur dann in Betracht kommt, wenn die Be-teiligten es beantragen, steht im Ermessen des Gerichts (§ 202 SGG i. V. m. § 251 ZPO).

 

Rz. 13

Der Untersuchungsgrundsatz ist in § 103 normiert. Danach erforscht das Gericht den Sachverhalt von Amts wegen. Es ist dabei an Vorbringen und Beweisanträge nicht gebunden. Daher ist letztlich nicht entscheidend, ob Sachverhaltselemente bestritten oder zugestanden werden. Nicht einmal ein schlüssiger Klägervortrag ist erforderlich. Das Gericht hat alle Tatsachen zu ermitteln, die anspruchsbegründend oder prozessual und materiell-rechtlich erheblich sind. Einreden (z. B. Verjährung) dürfen allerdings nur berücksichtigt werden, wenn sie geltend gemacht werden. Die Einzelmaßnahmen zur Sachverhaltsaufklärung sind in § 106 Abs. 3 beispielhaft ("insbesondere") aufgelistet. Dazu gehören vor allem die Maßnahmen zur Beweiserhebung.

 

Rz. 14

Das Gericht darf die erforderlichen Ermittlungen nicht abwälzen und dem Kläger aufbürden. Allerdings trifft die Beteiligten und insbesondere denjenigen, der einen Anspruch klageweise geltend macht, eine prozessuale Mitwirkungspflicht. Kommt der Beteiligte seiner Mitwirkungspflicht nicht nach und steht dem Gericht kein anderer gangbarer Weg zur Durchführung der gebotenen Sachverhaltsermittlungen zu Gebote, so verkürzt sich die Amtsermittlungspflicht. Zwingend geboten ist indes ein rechtzeitiger Hinweis auf die Folgen unzureichender Mitwirkung. Dies kommt z. B. in Betracht bei der Einholung eines medizinischen Gutachtens, wenn der Kläger nicht bereit ist, den Sachverständigen aufzusuchen und bei der gutachterlichen Untersuchung mitzuwirken. Der Untersuchungsgrundsatz gebietet nicht, quasi ins Blaue hinein zu ermitteln. Die Ermittlungen müssen nach Lage der Dinge erforderlich sein. Insofern kommt dem Sachvortrag der Beteiligten Bedeutung zu. Daraus ergeben sich unter Umständen erst die Gesichtspunkte, aufgrund derer das Gericht sich zu weiteren Ermittlungen gedrängt fühlen muss.

 

Rz. 15

Eine "Zurückverweisung an die Verwaltung" kommt unter den Voraussetzungen des § 131 Abs. 5 in Betracht. In der ab 1.4.2008 geltenden Fassung ist die Vorschrift auch auf die Verpflichtungs- und Leistungsklage anwendbar. Jedoch sind die weiteren strengen Voraussetzungen der Norm auch weiterhin zu beachten: Nur dann, wenn die Behörde nach personeller und sachlicher Ausstattung die für erheblich und erforderlich gehaltenen Ermittlungen besser bzw. rascher durchführen kann als das Gericht, darf die Zurückverweisung erfolgen. Das ist jedenfalls dann nicht der Fall, wenn die Beklagte über keine anderen Aufklärungsmittel verfügt als das Gericht (BSG, Urteil v. 17.4.2007, B 5 RJ 30/05 R, SozR 4-1500 § 131 Nr. 2).

 

Rz. 16

Die Amtsermittlungspflicht besteht nur insoweit nicht, wie beweisbedürftige Tatsachen offenkundig sind, bereits festgestellt wurden oder als wahr unterstellt werden können. Ferner kann die Ermittlungspflicht durch materiell-rechtliche Vermutungen eingegrenzt sein. Allerdings ist eine solche Vermutung eng auszulegen (vgl. BSG, Urteil v. 15.2.2005, B 2 U 3/04 R, BSGE 94 S. 149 zu § 63 Abs. 2 SGB VII). In Streitigkeiten über die Leistungspflicht in der privaten Pflegepflichtversicherung hat das BSG (Urteil v. 22.8.2001, B 3 P 21/00 R, BSGE 88 S. 262 = VersR 2004 S. 1151; BSG, Urteil v. 22.7.2004, B 3 P 6/03 R, SozR 4-7690 § 64 Nr. 1) im Ergebnis eine Einschränkung des Umfangs der gerichtlichen Kontrolle vorgenommen. Für eine gerichtliche Sachverhaltsaufklärung zur Frage des Umfangs des Pflegebedarfs, z. B. durch Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens, besteht nur dann Veranlassung, wenn und soweit ein nach den Bestimmungen der MB/PPV 1996 eingeholtes Gutachten offensichtlich von der wirklichen Sachlage erheblich abweicht (§ 64 Abs. 1 Satz 1 und 2 VVG) oder ein Sachverständiger die erforderlichen Feststellungen ausnahmsweise nicht treffen kann oder will oder sie verzögert (§ 64 Abs. 1 Satz 3 VVG).

7.3 Mündlichkeit und Unmittelbarkeit

 

Rz. 17

Das Gericht en...

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