2.1 Klageerhebung und Wirkung

 

Rz. 4

Die Klage ist auch nach der Regelung des § 91 grundsätzlich bei dem zuständigen Gericht der Sozialgerichtsbarkeit zu erheben. Wo und wie die Klage zu erheben ist, regelt § 90. Das zuständige Gericht der Sozialgerichtsbarkeit ergibt sich aus §§ 29 Abs. 2 bis 4, 39 Abs. 2, 57, 57a und 57b.

 

Rz. 5

§ 91 bestimmt nur die Wahrung der Klagefrist in den abschließend aufgezählten Fällen. Die Klage wird tatsächlich erst mit Eingang bei dem zuständigen Sozialgericht erhoben. Soweit die Klage dort nach Ablauf der Frist des § 87 eingeht, wird nach § 91 der fristgemäße Eingang fingiert, wenn die Klage noch innerhalb der Frist bei einer der aufgeführten Stellen eingegangen ist. Insofern ist es wichtig, dass die im § 91 genannten Stellen ihrer Verpflichtung nach Abs. 2 nachkommen und die Klage auch tatsächlich weiterleiten. Denn ohne eine Weiterleitung durch sie wird die Klage mangels Erhebung nicht rechtshängig i. S. d. § 94. Für den Rechtssuchenden wirkt sich das aber kaum nachteilig aus, weil die Klagefrist in jedem Fall als gewahrt gilt, und zwar auch dann, wenn die Klageschrift abhanden kommt. Gegebenenfalls könnte es aber zu Beweisproblemen kommen, wenn sich der Eingang der Klage bei der unzuständigen Stelle nicht nachweisen lässt. Die Problematik entspricht jedoch derjenigen bei unmittelbarer Erhebung der Klage beim zuständigen Gericht.

 

Rz. 6

Zusätzliche Probleme können allerdings dadurch entstehen, dass sich die Zuständigkeit des Gerichts zwischen dem Absetzen der Klageschrift und dem Eingang der Klageschrift beim zuständigen Sozialgericht geändert haben könnte. Dies kommt in erster Linie im Falle eines Wohnsitzwechsels in Betracht. Die Behörde leitet die Klageschrift lediglich an das bezeichnete Gericht weiter, sie hat insoweit kein Prüfungsrecht. Das angegangene Gericht muss dann von Amts wegen seine Zuständigkeit überprüfen und den Kläger ggf. darauf hinweisen, dass es nicht (mehr) zuständig ist. Sodann hat es den Rechtsstreit an das zuständige Gericht zu verweisen, § 98 SGG i. V. m. § 17b GVG. Lässt sich weder im Inland noch im Ausland ein Wohn-, Aufenthalts- oder Beschäftigungsort feststellen, ist entsprechend § 16 ZPO das für den letzten Wohnsitz zuständige Sozialgericht zu verweisen (LSG Baden-Württemberg, Urteil v. 31.8.2010, L 13 R 3865/09, juris).

 

Rz. 7

Die Klagefrist gilt insbesondere auch dann als gewahrt, wenn die angegangene Stelle dem Rechtssuchenden die Klageschrift wieder zurückreicht, weil sie sich nicht für zuständig hält. Ein solches rechtswidriges Verhalten kann nicht dem Kläger zugerechnet werden. Anders stellt sich der Fall jedoch dar, wenn er die Klageschrift zunächst mit der Bitte um Weiterleitung bei der unzuständigen Stelle eingereicht hat, vor Weiterleitung an das zuständige Gericht dieses Ersuchen aber zurücknimmt und ihm die Klageschrift daher wieder ausgehändigt wird. Die zunächst eingetretene Wirkung der Fristwahrung durch den Eingang der Klageschrift bei der unzuständigen Stelle wird dadurch wieder aufgehoben, ähnlich wie bei der Rücknahme eines Antrags.

2.2 Eingang der Klageschrift

 

Rz. 8

§ 91 stellt auf den Eingang der Klageschrift bei einer der aufgeführten Stellen ab. Es genügt demnach, wenn die Klageschrift in die Verfügungsgewalt der angegangenen Behörde gelangt ist. Unerheblich ist die Art und Weise, wie dies geschehen ist, also insbesondere ob die eigentliche Klageschrift in einem besonderen Umschlag für das zuständige Gericht enthalten ist oder nicht. Maßgebend ist, ob erkennbar ist, dass die Klageschrift an das zuständige Gericht abgegeben werden soll. Im Zweifelsfall muss im Wege der Auslegung ermittelt werden, ob überhaupt eine Klage gewollt ist (vgl. hierzu LSG Niedersachsen, Urteil v. 27.3.2001, L 9 VS 11/99) und bei welchem Gericht. Der Schriftsatz soll den Anforderungen des § 92 genügen. Die Beurteilung der Frage, ob der Schriftsatz den Frist- und Formvorschriften genügt, ist aber Sache des Gerichts. Die Behörde muss nur feststellen, ob sie der Verpflichtung des § 91 Abs. 2 unterliegt, weil die Tatbestandsvoraussetzungen des Abs. 1 erfüllt sind, d. h. eine Klageschrift bei ihr eingegangen ist, welche an das zuständige Sozialgericht abgegeben werden soll. Geht der Rechtssuchende dabei erkennbar von der Zuständigkeit des tatsächlich nicht zuständigen Gerichts aus, so hat die Behörde die Klage entsprechend dem Begehren an das bezeichnete Gericht weiterzuleiten. Dieses hat dann die Streitsache an das zuständige Gericht zu verweisen.

 

Rz. 9

Ist die Klageschrift zuerst bei einem unzuständigen Gericht eingegangen, muss dieses Gericht durch Auslegung ermitteln, ob es lediglich zum Zwecke der Fristwahrung i. S. d. § 91 in Anspruch genommen oder ob die Klage bei ihm erhoben werden sollte, weil der Kläger der Auffassung ist, dieses Gericht sei für die Klage zuständig. Ist die Klageschrift an das zuständige Gericht adressiert, wird sie aber bei dem unzuständigen Gericht abgegeben, so erübrigt sich im Regelfall ein Verweisungsbeschluss, weil von der Einreichung der Klageschrift zum Zwecke der Fristwahrung ausge...

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