Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Unzulässigkeit einer Klage. keine Angabe des Wohnsitzes, Aufenthaltsortes oder Beschäftigungsortes. keine Zulässigkeitsvoraussetzung der Berufung. entsprechende Anwendung des § 16 ZPO iVm § 202 SGG

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine Klage, in der der Kläger weder seinen Wohnsitz, Aufenthaltsort oder Beschäftigungsort angibt, ist regelmäßig unzulässig.

2. Die Angabe des Wohnsitzes, Aufenthaltsortes oder Beschäftigungsortes ist nicht Zulässigkeitsvoraussetzung einer Berufung.

3. Lässt sich weder im Inland noch im Ausland ein Wohnsitz, Aufenthaltsort oder Beschäftigungsort eines Klägers feststellen, so ist nach § 202 SGG in Verbindung mit einer entsprechenden Anwendung des § 16 ZPO das für den letzten Wohnsitz des Klägers zuständige Sozialgericht örtlich zuständig.

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 24. Juli 2009 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist ein Anspruch des Klägers gegen die Beklagte auf Erstattung von gezahlten Beiträgen zur Gesetzlichen Rentenversicherung (GRV) streitig.

Der 1979 in Polen geborene Kläger hat bis 13. März 2000 sowie vom 4. November 2003 bis 3. Dezember 2006 Haftstrafen verbüßt. Anschließend hat er bis 31. März 2008 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach den §§ 19 ff SGB II erhalten und gegenüber dem Grundsicherungsträger für Zeiten ab dem 1. April 2008 auf Leistungen verzichtet. Das Mietverhältnis seiner Wohnung hat der Kläger zu diesem Zeitpunkt beendet.

Nachdem der Kläger am 31. Januar 2008 - unter der Anschrift W.-Str. ..., ... S. - die Klärung seines Versicherungskonto beantragt und die Beklagte mit Bescheid vom 6. März 2008 die rentenrechtlichen Zeiten des Klägers festgestellt hatte, hat der Kläger am 17. März 2008 - unter derselben Anschrift - bei der Beklagten die Erstattung der geleisteten Beiträge zur GRV beantragt. Mit Bescheid vom 19. März 2008 lehnte die Beklagte den Antrag ab, denn der Kläger sei zur freiwilligen Versicherung berechtigt. Mit seinem Widerspruch vom 9. April 2008, in dem der Kläger erneut die zuvor genannte Adresse angab, hat der Kläger unter anderem geltend gemacht, er beziehe weder “Hartz IV„ noch Arbeitslosengeld, noch gehe er in Deutschland einer Beschäftigung nach. Er bat um Auszahlung der Beiträge und Löschung des Kontos. Des Weiteren teilte er mit, auswandern zu wollen, wobei das Ziel der Auswanderung nicht “im Bereich der abgeschlossenen Verträge„ liege. Eine Meldebestätigung in Deutschland existiere außer einer postalischen Meldung für Post in der W.-Str. ..., .... S., nicht mehr. Die Post werde von einem Bruder aus dem Briefkasten entnommen. Er sei weder in Deutschland gemeldet, noch habe er dies vor. Mit Widerspruchsbescheid vom 18. September 2008 hat die Beklagte den Widerspruch zurückgewiesen. Eine Anfrage beim Bürgermeisteramt S./ O.S. habe ergeben, dass der Kläger immer noch unter der Adresse W.-Str. ..., .... S., gemeldet sei. Da der Kläger noch immer in der Bundesrepublik Deutschland gemeldet sei, bestehe das Recht zur freiwilligen Versicherung und schließe die Beitragserstattung aus.

Am 1. Oktober 2008 hat der Kläger beim Sozialgericht Freiburg (SG) Klage erhoben. Dabei hat er neben seinem Namen angegeben: “c/o T. W., postalisch, W.Str. ..., .... S.„. Zur Begründung hat er mitgeteilt, er habe keinen offiziellen Wohnsitz in Deutschland mehr, sein Bruder würde die Post entgegen nehmen. Seit 1. April 2008 sei er nicht mehr unter seiner alten Adresse wohnhaft, der alte Wohnsitz sei nur noch als Briefkasten in der Wohnung seines Bruders “angemeldet„; seit 1. April 2008 sei das Mietverhältnis gekündigt. Er halte sich seit dem 1. April 2008 gelegentlich in Deutschland auf. Bei Erhebung der Klage habe er sich im EU-Gebiet aufgehalten. Er habe keinen Wohnsitz in Deutschland, habe sich auch nicht im Ausland angemeldet; als EU-Bürger habe er die Freizügigkeit, sich aufzuhalten, wo er wolle.

Mit Gerichtsbescheid vom 24. Juli 2009 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Klage sei unzulässig. Gemäß § 90 Abs. 1 Satz 1 SGG müsse die Klage unter anderem den Kläger bezeichnen, wozu im Regelfall erforderlich sei, dass der Kläger seine Wohnanschrift mitteile. Dies entspreche der Handhabung in den anderen Prozessordnungen und sei erforderlich, um die örtliche Zuständigkeit des Gerichts nach § 57 SGG prüfen und den gesetzlichen Richter feststellen zu können. Der Kläger habe erklärt, dass er zum Zeitpunkt der Klageerhebung keinen Wohnsitz in Deutschland gehabt habe; die Angabe einer postalischen Adresse unter der der Bruder Post entgegen nehme, genüge nicht. Auch die Mitteilung, dass er sich im EU-Gebiet aufgehalten habe, sei nicht ausreichend.

Gegen den ihm per Postzustellungsurkunde durch Einwurf in den zur Wohnung gehörenden Briefkasten (Adresse: W.-Str. ..., ... S.) am 28. Juli 2009 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger - unter der Adresse ...

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