Rz. 51

Schließlich besteht ein Ausschluss in Sachen, in denen der Richter (oder Urkundsbeamter der Geschäftsstelle, § 49 ZPO) in einem früheren Rechtszug oder im schiedsrichterlichen Verfahren bei dem Erlass der angefochtenen Entscheidung mitgewirkt hat, sofern es sich nicht um die Tätigkeit eines beauftragten oder ersuchten Richters handelt. Die Ausschlussregelung bezieht sich auch auf ehrenamtliche Richter (BSG, Beschluss v. 25.2.2010, B 11 AL 178/09 B; Beschluss v. 12.2.2003, B 9 SB 60/02 B; Urteil v. 1.9.1999, B 13 RJ 27/99), nicht jedoch auf Sachverständige (vgl. Rz. 48).

 

Rz. 52

Sinn der Vorschrift ist es zu verhindern, dass in einem mehrstufigen Gerichtsverfahren ein Richter bei der Überprüfung einer Entscheidung mitwirkt, die er in der Vorinstanz getroffen hat (vgl. BSG, Beschluss v. 12.2.2003, B 9 SB 60/02 B; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 11.1.2010, OVG 3 B 5.09; VG Ansbach, Beschluss v. 11.10.2010, AN 1 K 10.01128, AN 1 K 10.02004). Verkürzt: Wer in dem Verfahren als Richter entschieden hat, darf bei dem Urteil im Rechtsmittelverfahren nicht mitwirken (Zöller/Vollkommer, ZPO, § 41 Rn. 12). Der Richter, der eine Entscheidung erlassen hat, soll von der Überprüfung derselben ausgeschlossen sein (Musielak/Voit/Heinrich, ZPO, § 41 Rn. 13). Im Übrigen ist jedoch das Verfahrensrecht seit jeher von dem Gedanken geprägt, dass ein Richter grundsätzlich auch dann unvoreingenommen an die Beurteilung einer Sache herantritt, wenn er sich schon früher über denselben Sachverhalt ein Urteil gebildet hat (vgl. BVerfG, Beschluss v. 4.7.2001, 1 BvR 730/01). Die Vorschrift ist an den Rechtsmittelrichter gerichtet. Der Ausschluss gilt nur bei Mitwirkung in der Vorinstanz, nicht in derselben Instanz (vgl. BVerfG, Beschluss v. 4.7.2001, 1 BvR 730/01; BFH, Beschluss v. 22.9.2008, II B 25/08; BSG, Beschluss v. 30.11.2006, B 9a SB 14/06 B; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, § 41 Rn. 14). Der Richter muss zudem gerade an der durch ein Rechtsmittel angefochtenen Entscheidung mitgewirkt haben, nicht bei einer anderen (LAG Schleswig-Holstein, Beschluss v. 12.1.2010, 5 TaBV 32/09). § 41 Nr. 6 ZPO bezieht sich nicht auf die frühere Tätigkeit eines Richters bei der Staatsanwaltschaft (OLG Oldenburg, Beschluss v. 26.1.2015, 10 W 21/14). Aus dem Umstand, dass der Vater des Schwiegersohnes des Rechtsmittelrichters bei der angefochtenen Entscheidung mitgewirkt hat, ergibt sich weder ein Ausschlussgrund gemäß § 41 Nr. 6 ZPO noch ein Grund, der i. S. v. § 42 Abs. 2 ZPO geeignet ist, eine Besorgnis der Befangenheit des Rechtsmittelrichters zu rechtfertigen. Insoweit gilt nichts anderes als in dem Fall, dass der Ehegatte des Rechtsmittelrichters an der vorinstanzlichen Entscheidung mitgewirkt hat (BGH, Beschluss v. 26.8.2015, III ZR 170/14; Beschluss v. 17.3.2008, II ZR 313/06; Beschluss v. 20.10.2003, II ZB 31/02).

 

Rz. 53

Auch hier leitet die Vorschrift den Ausschlussgrund mit der Wortfolge "in Sachen" ein. Das betrifft dasselbe Prozessrechtsverhältnis. Dieses wird grundsätzlich durch den identischen Streitgegenstand und die Identität der Beteiligten bestimmt. Unerheblich ist, wenn nur Teile des in der Vorinstanz angefallen Anspruchs in das Rechtsmittelverfahren einfließen. Unerheblich ist ferner, wenn Beteiligte ausgewechselt werden oder hinzutreten oder wegfallen. Entscheidend ist allein, dass die "Sache" bereits in der Vorinstanz anhängig war und nunmehr ganz oder zum Teil mittels eines ordentlichen Rechtsmittel (§§ 143 ff., 160 ff., 172 SGG) in das Rechtsmittelverfahren getragen wird (abgrenzend zu außerordentlichen Rechtsmittel ausführlich Frehse, a. a. O., S. 501 ff.). Unerheblich ist, ob das Rechtsmittel ggf. nicht statthaft, nicht zulässig oder unbegründet ist. Ob der Ausschluss dann nicht greift, wie für Befangenheitsanträge im Übrigen, wenn das Rechtsmittel subjektiv missbräuchlich eingelegt wird oder objektiv evident nicht statthaft/unzulässig ist, wird zu erwägen sein. Eine vergleichbare Fallgestaltung wird in Verfahren nach § 198 GVG diskutiert. Hierzu vertritt der BFH die Auffassung (z. B. Urteil v. 17.4.2013, X K 3/12), dass eine im Ausgangsverfahren unschlüssige Klage objektiv keine besondere Bedeutung hat und keinen Entschädigungsanspruch auszulösen vermag (vertiefend Frehse, a. a. O., S. 1021 ff.).

 

Rz. 54

Die Mitwirkung im schiedsrichterlichen Verfahren meint die §§ 1025 ff. ZPO (Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, § 41 Rn. 14).

 

Rz. 55

Der Richter ist ausgeschlossen, wenn er bei dem Erlass der angefochtenen Entscheidung mitgewirkt hat. Die Mitwirkung muss die Entscheidung selbst betreffen, nicht lediglich vorbereitende Handlungen wie etwa das Abfassen eines Beweisbeschlusses. Dass der Richter ohne Beteiligung an der in diesem Sinne "angefochtenen Entscheidung" mit der Sache befasst war, führt nicht zum Ausschluss (BVerwG, Beschluss v. 16.3.2010, 8 B 77/09). Die Mitwirkung in mit dem anhängigen Verfahren in irgendeinem Zusammenhang stehenden Verfahren oder Entscheidungen (VGH Bayern, Beschluss v. 12.5.2009, ...

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