1 Einleitung

 

Rz. 1

§ 202 ordnet die subsidiäre Geltung des GVG und der ZPO in der jeweils geltenden Fassung an, soweit das SGG keine Regelung für die Gerichtsverfassung und das Verfahren enthält und die Lücke nicht durch die Heranziehung anderer Vorschriften des SGG geschlossen werden kann. Eine Anwendung des GVG und der ZPO ist nicht möglich, wenn grundsätzliche Unterschiede der Verfahrensart dies ausschließen.

2 Rechtspraxis

2.1 Anwendbarkeit von Regeln der ZPO

 

Rz. 2

Eine Vielzahl von Normen der ZPO lassen sich entsprechend anwenden. Eine umfassende Darstellung enthält die Monographie von Krasney (Die Anwendbarkeit zivilprozessualer Vorschriften im sozialgerichtlichen Verfahren, Diss. 1961). Aus der Praxis sind folgende Punkte exemplarisch hervorzuheben.

2.1.1 § 78b ZPO (Notanwalt)

 

Rz. 3

Die Vorschrift ermöglicht die Beiordnung eines Notanwalts in dem Fall, dass der Kläger einen vertretungsbereiten Rechtsanwalt nicht findet. Die Klage darf nicht aussichtslos sein, d. h. die Voraussetzungen sind geringer als die der Prozesskostenhilfe.

2.1.2 § 141 ZPO (Ordnungsgeld für Beteiligte)

 

Rz. 4

Nach der Vorschrift kann einem Beteiligten, der nicht zum Termin erschienen ist, ein Ordnungsgeld wie einem Zeugen auferlegt werden. Dies setzt voraus, dass der Beteiligte ordnungsgemäß geladen wurde, dass er hinreichend auf die Folgen seines Ausbleibens hingewiesen wurde (§ 111 Abs. 1 Satz 2 SGG), dass er weder selbst erscheinen ist noch einen geeigneten Vertreter entsandt und schließlich sein Ausbleiben nicht genügend entschuldigt hat. Die Entscheidung über das Ordnungsgeld ist – anders als beim nicht erschienenen Zeugen – nicht zwingend. Dem Gericht ist vielmehr sowohl hinsichtlich der Verhängung des Ordnungsgeldes als solchem wie auch hinsichtlich der Höhe Ermessen eingeräumt. Die Ausübung des Ermessens muss zum Ausdruck kommen (zu den Voraussetzungen siehe LSG Stuttgart, Beschluss v. 14.1.2009, L 13 AS 5633/08 B mit Anm. Freudenberg in jurisPR-SozR 10/2009 Anm. 6). Die Höhe des Ordnungsgeldes richtet sich nach Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EGStGB, welcher einen Rahmen von 5 bis 1.000 EUR steckt.

2.1.3 § 142 ZPO (Urkundenvorlage durch Dritte)

 

Rz. 5

Nach § 142 ZPO kann einem nicht am Verfahren beteiligten Dritten durch das Gericht aufgegeben werden, bestimmte in dessen Besitz befindliche Urkunden oder sonstige Unterlagen, auf die sich ein Beteiligter bezogen hat, vorzulegen. Erst die ZPO-Vorschrift regelt die Vorlagepflicht; sie ist in § 106 Abs. 3 nicht bereits enthalten (siehe hierzu ausführlich Keller, Die Vorlageverpflichtung von Urkunden für Dritte nach § 142 ZPO im sozialgerichtlichen Verfahren, NZS 2005, 528).

2.1.4 § 174 ZPO (Empfangsbekenntnis)

 

Rz. 6

Die Entgegennahme von Zustellungen gegen Empfangsbekenntnis nach § 174 ZPO kann der Rechtsanwalt nicht wirksam auf sein Büropersonal delegieren (BSG, Beschluss v. 23.4.2009, B 9 VG 22/08 B, SozR 4-1750 § 174 Nr. 1).

2.1.5 § 240 ZPO (Verfahrensunterbrechung durch Insolvenzverfahrenseröffnung)

 

Rz. 7

Durch die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens wird ein gerichtliches Verfahren, in welchem eine Forderung zugunsten des oder gegen den Insolvenzschuldner geltend gemacht wird, nach § 240 ZPO unterbrochen. Grundsätzlich ist eine gegen den Schuldner gerichtete Forderung, die vor der Insolvenzverfahrenseröffnung begründet ist (§ 38 InsO, Gläubiger der Insolvenzmasse, Insolvenzforderung), zur Insolvenztabelle anzumelden und die Leistungsklage des Gläubigers in eine Klage auf Feststellung zur Tabelle abzuändern.

Fordert ein Sozialleistungsträger Leistungen zurück, so erfolgt dies in aller Regel durch Bescheid. Wird dieser klagweise angefochten, so ist der Insolvenzschuldner in der Rolle des Klägers und nicht des Beklagten. Dennoch betrifft das Verfahren die Insolvenzmasse, so dass § 240 ZPO Anwendung findet. Für den weiteren Verfahrensgang ist entscheidend, ob man das Verfahren als Aktivprozess ansieht, also ein Verfahren, in dem der Schuldner ein Vermögensrecht in Anspruch nimmt, oder als Passivprozess, in dem eine Insolvenzforderung gegen den Schuldner geltend gemacht wird. Im ersteren Fall kommt § 85 InsO zur Anwendung, im Letzteren §§ 86, 87 InsO. Das LSG München hat den Weg über § 85 InsO gewählt (Urteil v. 22.1.2009, L 8 AL 110/08, juris, mit Anm. Padé in jurisPR-SozR 13/2009 Anm. 6).

 

Rz. 8

Gegen die Einordnung als Aktivprozess bestehen dogmatische Bedenken, denn im Ergebnis darf die rückfordernde Behörde wie jeder andere Gläubiger nur mit der Quote an der Verteilung des Schuldnervermögens teilhaben. Dies setzt grundsätzlich den Weg über §§ 87, 174 ff. InsO voraus, also die Anmeldung zur Tabelle und die Umstellung des Klageantrags im Ursprungsprozess in einen Feststellungsantrag zur Tabelle, wenn die Forderung bestritten wird (§ 180 Abs. 2 InsO). Die Behörde kann aber ihrerseits – als Beklagte – nicht den Klageantrag in einen Feststellungsantrag umstellen. Dies wirft die Frage auf, ob die Beklagte überhaupt eine Möglichkeit hat, die Wiederaufnahme des Verfahrens zu erzwingen. Der Anfechtungskläger und nachfolgend der Insolvenzverwalter haben in der Regel kein gesteigertes Interesse an der Fortführung. In dieser Situation kann das Aufnahmeverfahren nach § 85 Abs. 2 InsO weiterhelfen. Die Vorschrift verweist ihrerseits auf § 239 Abs. 2 bis 4 ZPO. Die von § 202 in Bezug genommene Unterbr...

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