Rz. 7

Nach § 21g Abs. 2 GVG ist die Mitwirkung der Mitglieder des Spruchkörpers an den Verfahren vor Beginn des Geschäftsjahres für des­sen Dauer nach abstrakt-generellen Grundsätzen festzulegen (BVerfG, Beschluss v. 8.4.1997, 1 PBvU 1/95, BVerfGE 95 S. 322, 329). Dazu muss der Senat einen Berufsrichter zum Berichterstatter bestimmen und ihm die in § 155 Abs. l genannten Aufgaben übertragen. Ob und inwieweit der Vorsitzende Aufgaben überträgt, liegt in seinem Ermessen (hierzu Fichte, SGb 1996 S. 93). Die Verfahrensbeteiligten müssen von der Übertragung nicht in Kenntnis gesetzt werden (Keller, SGG, § 155 Rn. 3; Knecht, in: Breitkreuz/Fichte, SGG, § 155 Rn. 5). Im Einzelfall mag es sich anbieten, die Übertragung mitzuteilen. Einen Anspruch hierauf haben die Beteiligten nicht. Eine dies ggf. begründende gesetzliche Vorschrift existiert nicht. Unterbleibt die Offenlegung stellt diese keinen Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG dar. Eine bestimmte Form ist für die Übertragung nicht vorgesehen (Knecht, in: Breitkreuz/Fichte, SGG, § 155 Rn. 5). Die Übertragung sollte aus Zweckmäßigkeitserwägungen und aus Gründen des Nachweises schriftlich erfolgen und in den Akten vermerkt werden; zwingend ist dies indessen nicht. Soweit das BSG meint, es müsse für die einzelne Streitsache in den Akten dieser Sache schriftlich festgelegt werden, wenn die Aufgaben aus den §§ 104, 106 bis 108 auf einen Berufsrichter des Senats übertragen werden (Urteil v. 9.2.1956, 1 RA 57/55, NJW 1957 S. 119), überzeugt das schon deswegen nicht, weil das BSG diese Auffassung mit keinem Argument unterlegt, vielmehr lediglich eine Behauptung aufgestellt hat. Richtigerweise ist im Beschluss vom 18.9.1991 (6 BKa 8/91, SozR 3-1500 § 160a Nr. 5) offen geblieben, ob hieran festzuhalten ist. Letztlich ist das nicht der Fall. Für die vom BSG im Urteil v. 9.2.1956 geäußerte Auffassung gibt es weder eine einfachrechtliche noch eine verfassungsrechtliche Grundlage. Schon gar nicht gefolgt werden kann dem BSG (a. a. O.), wenn es meint, eine solche Fallgestaltung könne ein wesentlicher Verfahrensmangel bewirken. Dem steht entgegen, dass ein Fall der nicht vorschriftsmäßigen Besetzung des erkennenden Gerichts (§ 551 Nr. 1 ZPO a. F.) nicht gegeben ist; die vorschriftsmäßige Besetzung bezieht sich auf das erkennende Gericht, d. h. auf die letzte mündliche Verhandlung, im schriftlichen Verfahren auf die dem Urteil zugrundeliegende letzte Beratung; darunter fallen hingegen nicht die vorbereitenden Maßnahmen, insbesondere die Maßnahmen nach §§ 104, 106 bis 108 SGG (zutreffend: BSG, Beschluss v. 18.9.1991, 6 BKa 8/91, SozR 3-1500 § 160a Nr. 5 m. w. N.).

 

Rz. 8

Aufgabenübertragung und Berichterstatterbestellung können unter besonderen Voraussetzungen rückgängig gemacht werden. Die Rückgängigmachung unterliegt wie der Übertragung keinen Formerfordernissen. Allerdings: Der Berichterstatter ist jeweils vorweg für das Jahr für nach abstrakten Kriterien zu bestimmende Fälle zu bestellen. Ein nach einem vorab bestimmten senatsinternen Geschäftsverteilungsplan bestellter Berichterstatter kann nicht in einem herausgegriffenen Einzelfall von seinen Aufgaben entbunden werden (BSG, Urteil v. 25.10.1995, 5/4 RA 109/94, SozR 3-1500 § 155 Nr. 2 mit krit. Anm. v. Zeihe, SGb 1996 S. 606). Die einmal erfolgte Berichterstatterbestellung ist grundsätzlich bindend. Insoweit weist die analoge Anwendung des § 21g Abs. 2 HS 2 GVG die Richtung: Auch der "Mitwirkungsplan" bezüglich der Berichterstatter eines Senats kann nur geändert werden, wenn dies wegen Überlastung, ungenügender Auslastung bzw. Wechsels oder dauernder Verhinderung einzelner Mitglieder des Spruchkörpers nötig wird. Dies erfordert jedoch eine generelle vom Einzelfall losgelöste Entscheidung. Regelungen über den gesetzlichen Richter müssen, wenn sie ihre rechtsstaatliche Funktion wirksam erfüllen sollen, hinreichend bestimmt sein (BAG, Urteil v. 20.6.2007, 10 AZR 375/06, NJW 2007 S. 3146 S. 3147). Fehlt es an einer solchermaßen abstrakt-generellen und hinreichend klaren Regelung, aus der sich der im Einzelfall zur Entscheidung berufene Richter möglichst eindeutig ablesen lässt, stellt dies einen Verstoß gegen das Gebot des gesetzlichen Richters dar (BVerfG, Beschluss v. 8.4.1997, 1 PBvU 1/95, NJW 1997 S. 1497) . Die ad-hoc-Entscheidung, einem Berichterstatter die übertragenen Geschäfte zu entziehen, wäre damit rechtswidrig (zutreffend Fichte, SGb 1996 S. 93). Entsprechend dem von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verfolgten Zweck muss insbesondere vermieden werden, dass im Einzelfall durch eine gezielte Auswahl von Richtern das Ergebnis der gerichtlichen Entscheidung beeinflusst werden kann (BVerfG, Beschluss v. 10.7.1990, 1 BvR 984/87, 1 BvR 985/87, BVerfGE 82 S. 286, 296). Eine Verletzung der Garantie des gesetzlichen Richters kommt z. B. in Betracht, wenn die Bestellung des Berichterstatters zugunsten der wiederauflebenden Entscheidungsbefugnis des Vorsitzenden oder eines neu zu bestimmenden Berichterstatters widerrufen werden soll (...

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