2.2.2.1 Beträge

 

Rz. 14

Der Regelungsbereich des Abs. 2 ist darauf beschränkt, dass Beträge nachgezahlt werden. So hat eine von einem Versicherungsträger eingelegte (erfolgreiche) Berufung nur insoweit aufschiebende Wirkung, als es sich um Beträge handelt, die für die Zeit vor Erlass des angefochtenen Urteil nachgezahlt werden sollen. Für die Zeit nach Erlass des Urteils hat ein hierzu verurteilter Versicherungsträger die Rente (sog. Urteilsrente) zu zahlen. Wird das Ersturteil auf Berufung oder Revision aufgehoben, hat der Kläger die vorläufigen Zahlungen wieder zurückzuerstatten. Nach § 199 Abs. 2 SGG kann der Vorsitzende des für die Berufung zuständigen Senats die Vollstreckung aus dem Urteil durch einstweilige Anordnung aussetzen, soweit die Berufung gemäß § 154 Abs. 2 keine aufschiebende Wirkung hat.

Absatz 2 erfasst nicht nur laufende Geldleistungen (§ 11 SGB I), sondern auch einmalige Erstattungen (z. B. Kostenerstattungen nach § 13 SGB V, § 18 Abs. 3 und 4 BVG). Dies ergibt sich aus dem Wortlaut und dem Sinn und Zweck der Vorschrift sowie der systematischen Auslegung (zutreffend LSG Thüringen, Beschluss v. 22.8.2000, L 6 KN 385/00 KR ER, juris).

2.2.2.2 Leistungen für die Zeit vor Erlass des Urteils

 

Rz. 15

Gemeint ist damit die Zeit des Bezugs oder der Bewilligung der Sozialleistung. Leistungen für den Tag der Verkündung des Urteils (§ 132 SGG) oder – im Falle eines Gerichtsbescheids bzw. eines Urteils ohne mündliche Verhandlung – der wirksamen Zustellung (§ 133 SGG), sind nicht solche vor Erlass des Urteils (Bernsdorff, in: Hennig, SGG, § 154 Rn. 40). Für die Zeit nach Urteilserlass entfaltet § 154 Abs. 2 ausweislich des eindeutigen Wortlauts keine Wirkung. Die erstinstanzliche Entscheidung ist dann vorläufig vollstreckbar, sofern nicht nach § 199 Abs. 2 ausgesetzt wird.

Zahlt der Beklagte – versehentlich – auch für die Zeit vor Erlass des Urteils, dann liegt hierin weder ein Anerkenntnis noch ein Rechtsmittelverzicht (Zeihe, SGG, § 154 Rn. 11a; BSG, Urteil v. 29.1.1957, 7 RAr, NJW 1957 S. 727).

 

Rz. 16

Sofern keine aufschiebende Wirkung eintritt, ist das Urteil bzw. der Gerichtsbescheid vollstreckbar (§ 199 Abs. 1 Nr. 1). Der Leistungsträger ist von Amts wegen verpflichtet, die Leistungen unverzüglich (§ 121 BGB) und unaufgefordert zu erbringen (vgl. aber BSG, Urteil v. 31.10.1991, 7 RAr 60/89, SozR 3-1300 § 45 SGB X Nr. 10). Vorläufiger Rechtsgrund für die zu erbringende Leistung ist das angefochtene Urteil. Wird dieses aufgehoben, entfällt dieser Rechtsgrund rückwirkend (Bernsdorff, in: Hennig, SGG, § 154 Rn. 44). Der Leistungsträger kann die Vollstreckungsfähigkeit des Urteils durch einstweilige Anordnung nach § 199 Abs. 2 aussetzen lassen.

2.2.2.3 Leistungen nach Erlass des Urteils

 

Rz. 17

Keine aufschiebende Wirkung tritt kraft Gesetzes für die Zeit nach Erlass des Urteils ein, wenn ein Versicherungsträger verurteilt wurde, eine Rente zu zahlen. Die erstinstanzliche Entscheidung ist dann vorläufig vollstreckbar, also vor dem Eintritt der Rechtskraft vollstreckungsfähig. Die Vollstreckungsfähigkeit ist auflösend bedingt durch die fortwirkende Existenz des Titels. Der Versicherungsträger ist verpflichtet, die sog. "Urteilsrente" einzuweisen, die er aber wieder zu erstatten hat, wenn das Urteil des SG auf die Berufung hin oder in einem eventuellen Revisionsverfahren aufgehoben wird. Auf Antrag oder von Amts wegen kann der Vorsitzende des für die Berufung zuständigen Senats des LSG gemäß § 199 Abs 2 Satz 1 SGG durch einstweilige Anordnung die Vollstreckung aus dem Urteil aussetzen, soweit die Berufung gemäß § 154 Abs. 2 keine aufschiebende Wirkung hat.

2.2.2.4 Ausführungsbescheid

 

Rz. 18

Eines Ausführungsbescheides bedarf es, wenn der Leistungsträger zum Erlass eines bewilligenden Verwaltungsakts oder zur Bescheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts verurteilt wird. Entbehrlich ist ein Ausführungsbescheid hingegen, wenn der Leistungsträger zu einer schlichten Leistung verurteilt wird (Bernsdorff, in: Hennig, SGG, § 154 Rn. 48). Der Bescheid, mit dem in Ausführung eines Urteils für die Zeit vom Erlass des Urteils an Leistungen bewilligt werden, trifft nur eine vorläufige Regelung; der Bescheid wird hinfällig, wenn das Urteil, auf dem er beruht, aufgehoben wird; er ist nicht "Gegenstand des Verfahrens" i. S. v. § 96 SGG (BSG, Urteil v. 21.2.1959, 11 RV 724/58, SGb 1959, 263; vgl. auch Urteil v. 12.9.1984, 4 RJ 79/83, SozR 1300 § 50 Nr. 6). Der Bescheid wird (vorläufig) wirkungslos, wenn die Vollstreckung nach § 199 Abs. 2 SGG ausgesetzt wird. In der Folge sind die gewährten Leistungen zu erstatten (BSG, Urteil v. 12.9.1984, 4 RJ 79/83, BSGE 57 S. 138; BSG, Urteil v. 15.5.1985, 5b/1 RJ 34/84, SozR 1500 § 154 Nr. 8; BSG, Urteil v. 3.2.1988, 5/5b RJ 60/86, HV-INFO1988, 1022; dazu nachfolgend Rz. 19).

2.2.2.5 Rückabwicklung der vorläufig erbrachten Leistung

 

Rz. 19

Offen ist, auf welcher Grundlage sog. Urteilsleistungen zu erstatten sind. Während sich der 4. Senat des BSG für eine sinngemäße Anwendung des § 50 SGB X entschieden und dabei offen gelassen hat, ob dessen Abs. 1 oder Abs. 2 maßgebend sind (Urteil v. 12.9.1984, 4 RJ 79/83, BSGE 57 S. 138, 143), hat der 5. Senat des BSG der Anwendung ...

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