Rz. 28

Die Berufungsschrift muss nicht förmlich als solche bezeichnet sein. Ob eine Berufung eingelegt ist, ist im Wege der Auslegung des entsprechenden Schriftsatzes und der sonst vorliegenden Unterlagen zu entscheiden. Dabei sind, wie auch sonst bei der Auslegung von Prozesserklärungen, alle Umstände des jeweiligen Einzelfalles zu berücksichtigen, die dem Gericht bis zum Ablauf der Rechtsmittelfrist bekannt geworden sind. Als Prozesserklärung muss ein Rechtsmittel sinnvoll und unter Beachtung des Willens des Erklärenden ausgelegt werden, wie er den äußerlich in Erscheinung getretenen Umständen üblicherweise zu entnehmen ist (vgl. BSG, Beschluss v. 8.12.2005, B 13 RJ 289/04 B, SozR 4-1500 § 151 Nr. 2; BGH, Beschluss v. 22.1.2002, VI ZB 51/01, NJW 2002 S. 1352; Leitherer, SGG, § 151 Rn. 11 m. w. N.). Für den Inhalt einer Berufungsschrift genügt das deutlich erkennbare Begehren nach einer Überprüfung des Urteils der ersten Instanz im Rechtsmittelweg (BSG, Urteil v. 24.4.1991, 9a RV 9/90). Ausreichend ist in der Regel, dass der Kläger seine Unzufriedenheit mit dem Urteil zum Ausdruck bringt.

 
Praxis-Beispiel

Der Kläger legt eine Berufung dann ein, wenn er in der Rechtsmittelschrift deutlich macht, dass das erstinstanzliche Urteil durch eine höhere Instanz überprüft werden soll und Anhaltspunkte für eine Zulassung der Revision fehlen; eine Bezeichnung des Rechtsmittels als "Revision" ist dann unschädlich (BSG, Beschluss v. 8.12.2005, B 13 RJ 289/04 B, SozR 4-1500 § 151 Nr. 2). Bei der Auslegung ist ferner zu beachten, dass das Rechtsstaatsprinzip eine Anwendung des Verfahrensrechts verbietet, das den Beteiligten den Zugang zu den in den Verfahrensordnungen eingeräumten Rechtsmittelinstanzen in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert (BVerfG, Beschluss v. 2.12.1987, 1 BvR 1291/85, BVerfGE 77 S. 275, 284 m. w. N.; vgl. auch BVerfG, Beschluss v. 25.3.2010, 1 BvR 882/09, WM 2010 S. 794).

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