Rz. 15

Die Wirkung der materiellen Rechtskraft beschränkt sich nicht darauf, dass – entsprechend den vorstehenden Ausführungen – Gerichte in einem späteren Prozess der Beteiligten hinsichtlich desselben Streitgegenstands (nach h. M.) nicht mehr entscheiden können. Vielmehr kann auch bei fehlender Identität des Streitgegenstands eine Bindungswirkung in den Fällen eintreten, in denen die rechtskräftige Zuerkennung oder Aberkennung eines prozessualen Anspruchs für einen anderen prozessualen Anspruch, der zwischen denselben Beteiligten streitig ist, vorgreiflich ist (vgl. BSG, SozR 1500 § 141 Nr. 13; BSGE 35 S. 6, 9; BSGE 58 S. 119, 125; BVerwGE 108 S. 30 ff.; BVerwGE 96 S. 24 ff.). Denn Zweck des § 141 ist es zu verhindern, dass die aus einem festgestellten Tatbestand hergeleitete Rechtsfolge, über die bereits durch Urteil entschieden worden ist, bei unveränderter Sach- und Rechtslage erneut – mit der Gefahr unterschiedlicher Ergebnisse – zum Gegenstand eines Verfahrens zwischen denselben Beteiligten gemacht wird (vgl. BVerwGE 108 S. 30; OVG NRW, Beschluss v. 6.12.2007, 15 A 3294/07.A). In diesen Fällen der Präjudizialität, in denen die im Vorprozess entschiedene Rechtsfolge nur Vorfrage für die Entscheidung des nachfolgenden Rechtsstreits ist (Vollkommer, in: Zöller, vor § 322 Rn. 19), hindert die Rechtskraft das nachentscheidende Gericht nur an einer abweichenden Entscheidung (vgl. Vollkommer, in: Zöller, vor § 322 Rn. 22; BGH, Urteil v. 14.7.1994, IX ZR 193/93, NJW 1983 S. 2030, 2031; BGH, NJW 1995 S. 1757). Hat das Zweitgericht den Streitgegenstand des rechtskräftig entschiedenen Prozesses als Vorfrage erneut zu prüfen, hat es den Inhalt der rechtskräftigen Entscheidung seinem Urteil zugrunde zu legen (vgl. BGH, NJW 1993 S. 3205). Zur Bindung der Zivilgerichte an die Beurteilung der Verwaltungsgerichte siehe ausführlich BGH, Urteil v. 7.2.2008, III ZR 76/07 m. w. N.). Keine Bindung besteht aber, wenn nicht der Streitgegenstand des ersten Prozesses, sondern nur eine Vorfrage dieses ersten Prozesses im zweiten Prozess Vorfrage ist, denn die Rechtskraft erstreckt sich nicht auf Vorfragen (vgl. unten Rn. 18 und BVerwG, Urteil v. 18.9.2001, 1 C 4.01, DVBl 2002 S. 340 m. w. N.).

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