2.1 Voraussetzungen der Tatbestandsberichtigung

2.1.1 Gegenstand der Berichtigung: "Andere" Unrichtigkeiten des Tatbestands

 

Rz. 2

Die Berichtigungsmöglichkeit nach § 139 erfasst nur Unrichtigkeiten des Tatbestands, nicht des Rubrums, des Tenors oder der wertenden Ausführungen eines Urteils. Zum Tatbestand i. S. d. Vorschrift (vgl. auch Rz. 7 bis 11 zu § 136) gehören alle tatsächlichen Feststellungen des Gerichts, mögen sie auch in den Entscheidungsgründen enthalten sein (allg. M. vgl. BGH, NJW 1993 S. 1851; BVerwG, Buchholz 310 § 117 VwGO Nr. 25 S. 14; Redeker/von Oertzen, § 119 Rn. 1; Zeihe, § 139 Rn. 2b). Berichtigt werden können nach § 139 (nur) "andere" Unrichtigkeiten und Unklarheiten des Tatbestands, also solche, die nicht nach § 138 korrigiert werden können, weil sie nicht offenbar sind oder keine bloßen Erklärungsmängel bzw. keine Fehler im Ausdruck des Willens sind, die zu dem Erklärungswillen erkennbar in Widerspruch stehen (zur Berichtigung offenbarer Unrichtigkeiten vgl. Rn. 4 ff. zu § 138). § 320 ZPO nennt als korrigierbare Unrichtigkeiten Auslassungen, Dunkelheiten und Widersprüche. Eine Auslassung ist gegeben, wenn ein entscheidungserhebliches Vorbringen der Beteiligten übergangen worden ist (vgl. BVerwG; NvwZ 1993 S. 62; Kilian, in: Sodan/Ziekow, § 119 Rn. 8). Keine Auslassung liegt vor, soweit die Wiedergabe der Einzelheiten durch eine zulässige Bezugnahme im Tatbestand ersetzt worden ist (vgl. Clausing, in: Schoch/Schmidt-­Aßmann/Pietzner, § 119 Rn. 4). Unrichtigkeiten, Dunkelheiten usw. liegen nicht vor, wenn das Parteivorbringen zwar nicht wörtlich, aber sinngemäß zutreffend wiedergegeben ist (Zöller, § 320 Rn. 4). Bei § 139 kommt es nicht auf das Auseinanderfallen von Willen und Erklärung an, korrigierbar sind auch Unrichtigkeiten, die auf Denkfehlern beruhen (vgl. Mey, S. 533). Fraglich ist, ob auch offenbare Unrichtigkeiten des Tatbestands i. S. d. § 138 nach § 139 berichtigt werden können (offen gelassen bei Mey, a. a. O.; verneinend Redeker/von Oertzen, § 119 Rn. 2; Clausing, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, § 119 Rn. 4). Weil der Tatbestand gemäß § 136 Abs. 1 Nr. 5 nur gedrängt darzustellen ist, ist die Tatbestandsberichtigung als unbegründet abzulehnen, wenn das Ergänzungsbegehren beiläufige Bemerkungen oder andere für die Entscheidung unwesentliche Punkte betrifft (vgl. Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, § 139 Rn. 2c; Stein/Jonas/Leipold, § 319 Rn. 2; Kilian, in: Sodan/Ziekow, § 119 Rn. 8). Nicht berichtigt werden ferner Rechtsausführungen der Beteiligten im Tatbestand (vgl. Peters/Sautter/Wolff, § 139 Rn. 7; Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, § 139 Rn. 2c; Kilian, in: Sodan/Ziekow, § 119 Rn. 8) oder Fehler, die offensichtlich in keiner Hinsicht Bedeutung haben können (vgl. Stein/Jonas/Leipold, § 320 Rn. 2; unzulässig, weil kein Rechtsschutzbedürfnis).

2.1.2 Berichtigung nur soweit der Tatbestand verstärkte Beweiskraft nach § 314 ZPO hat?

 

Rz. 3

Zweifelhaft ist, ob die Berichtigungsmöglichkeit sich ausschließlich auf solche tatsächlichen Feststellungen bezieht, denen verstärkte Beweiskraft gemäß § 314 ZPO zukommt. Das ist nach der Rechtsprechung des BGH der Fall. Danach unterliege der Tatbestand nur der Berichtigung, soweit ihm eine urkundliche Beweiskraft nach § 314 ZPO zukomme (vgl. BGH, Urteil v. 14.7.1994, IX ZR 193/93, NJW 1993 S. 2031, 2032; BGH, Beschluss v. 9.11.1994, IV ZR 294/93; BGH, Beschluss v. 3.11.1998, VI ZR 205/97; vgl. auch BayObLG, MDR 1989 S. 650; OLG Köln, MDR 1988 S. 870; Vollkommer, in: Zöller, § 320 Rn. 1 und 4; Musielak, in: MüKo, § 320 Rn. 4). Diese besondere Beweiskraft habe der Tatbestand nach § 314 ZPO aber nur für das mündliche Parteivorbringen. Durch § 320 ZPO solle verhindert werden, dass unrichtig wiedergegebener Parteivortrag infolge der Beweiskraft zur fehlerhaften Entscheidungsgrundlage des Rechtsmittelgerichts wird (vgl. Vollkommer, in: Zöller, a. a. O. Rn. 1). Dies treffe für das bloße Prozessgeschehen nicht zu. Für dieses entfalte der Tatbestand lediglich die Wirkung einer öffentlichen Urkunde gemäß § 418 ZPO, deren Unrichtigkeit durch jedes Beweismittel nachgewiesen werden könne (vgl. BGH, Urteil v. 14.7.1994, IX ZR 193/93, NJW 1993 S. 2031, 2032).

 

Rz. 4

Nach anderer Ansicht soll § 320 ZPO nicht nur die Richtigstellung des unrichtig beurkundeten Parteivorbringens (§ 314 ZPO), sondern auch des sonstigen Prozessstoffes ermöglichen (vgl. Stein/Jonas/Leipold, § 320 Rn. 1 m. w. N.). Die Beweiskraft nach § 418 ZPO soll danach genügen (vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, § 320 Rn. 1). Das BVerwG betont etwa, dass der Tatbestand nicht nur nach § 314 ZPO Beweis für das mündliche Parteivorbringen liefere, sondern gemäß § 418 ZPO auch vollen Beweis für die darin bezeugten eigenen Wahrnehmungen oder Handlungen des Gerichts erbringe (vgl. BVerwG, NVwZ 1985 S. 337, 338). Diese Auffassung vertreten für den Verwaltungsprozess etwa Kopp/Schenke (§ 119 Rn. 2) und Clausing, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, § 119 Rn. 1). Wegen des im Verwaltungsprozess geltenden Untersuchungsgrundsatzes gingen die tatsächlichen Feststellungen über die von § 314 ZPO mit besonderer Beweiskraft ausgestatteten Wiedergabe des Beteiligtenvorbringens hinaus; ihnen komm...

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