1 Allgemeines

 

Rz. 1

Urteile, die nicht aufgrund mündlicher Verhandlung ergehen, das sind solche nach § 124 Abs. 2 und nach § 126, werden nicht verkündet. Damit sie Wirksamkeit erlangen können, bedarf es ihrer Kundgabe nach außen in Form der Zustellung, wie § 133 Satz 1 anordnet. Parallelvorschrift der VwGO ist § 116 Abs. 3. § 133 gilt auch für Gerichtsbescheide (vgl. BVerwG, NVwZ 1999 S. 183 zu § 116 VwGO).

2 Rechtspraxis

2.1 Zustellung des Urteils

 

Rz. 2

Das nach mündlicher Verhandlung verkündete Urteil wird bereits mit der Verkündung wirksam und unabänderlich. In den Fällen des § 124 Abs. 2 und des § 126 ist dagegen das Urteil mit Fällung der Entscheidung oder seiner Übergabe an die Geschäftsstelle noch nicht wirksam. Es bedarf noch eines Aktes der Kundgabe nach außen. Diese Kundgabe erfolgt durch die Zustellung des Urteils, die gemäß § 133 Satz 1 bei Urteilen, die ohne mündliche Verhandlung ergehen, die Verkündung ersetzt.

 

Rz. 3

Die Zustellung (siehe Kommentierung zu § 63) eines Urteils erfolgt von Amts wegen gemäß § 63 Abs. 2 Satz 1 in der ab dem 1.7.2002 geltenden Fassung des Art. 17 des Zustellungsreformgesetzes (ZustRG) v. 25.6.2001 (BGBl. I S. 1206) nach den Vorschriften der ZPO (bis zu dem genannten Zeitpunkt richtete sich die Zustellung nach dem Verwaltungszustellungsgesetz – VwZG). Die ab 1.7.2002 gemäß § 63 Abs. 2 Satz 1 im sozialgerichtlichen Verfahren anwendbare Vorschrift des § 166 Abs. 1 ZPO legaldefiniert die Zustellung als "Bekanntgabe eines Schriftstückes an eine Person in der in diesem Titel (Anm.: im zweiten Titel im dritten Abschnitt des ersten Buches der ZPO) bestimmten Form". Wegen der die Zustellung betreffenden – weitreichenden – Neuregelungen siehe ZustRG v. 25.6.2001 (BGBl. I S. 1206), den Gesetzentwurf BR-Drs. 492/00 v. 18.8.2000 und BT-Drs. 14/4554 v. 9.11.2000 sowie Hartmann, NJW 2001 S. 2577, 2580 f. und Kummer, SGb 2002 S. 413 u. 481). Die Ersatzzustellung (§ 181 Abs. 1 und 2 ZPO) ist inzwischen durch Art. 1 Nr. 6 des 1. Justizmodernisierungsgesetzes v. 24.8.2004 (BGBl. I S. 2198) mit Wirkung v. 1.9.2004 neu geregelt worden (siehe Kommentierung zu § 63; vgl. außerdem die Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung, BT-Drs. 15/1508 S. 17, und Knauer/Wolf, NJW 2004 S. 857, 860).

 

Rz. 4

Nach entsprechender Anordnung des Vorsitzenden wird den Beteiligten von der Geschäftsstelle eine Ausfertigung (nach Zeihe, SGb 1995 S. 45, 46 reicht die beglaubigte Abschrift), also ein von einem ausfertigenden Amtsträger mit einem Ausfertigungsvermerk, der zu unterschreiben ist, versehene Abschrift, Durchschrift oder Fotokopie des Original-Urteils zugestellt (vgl. auch § 135). Die Urschrift, auf der die Zustellung zu vermerken ist (vgl. § 134 Abs. 3), verbleibt beim Gericht. Zugestellt wird das vollständige Urteil (§ 136).

2.2 Zustellungsmängel

 

Rz. 5

Lässt sich die formgerechte Zustellung eines Schriftstückes nicht nachweisen oder ist das Schriftstück unter Verletzung zwingender Zustellungsvorschriften zugegangen, gilt nach § 189 ZPO das Schriftstück in dem Zeitpunkt als zugestellt, in dem es der Person, an die die Zustellung dem Gesetz gemäß gerichtet war oder gerichtet werden konnte, tatsächlich zugegangen ist. Die Heilung kommt bei jeder Zustellung, also auch dann in Betracht, wenn mit ihr die Frist für die Erhebung eines Rechtsmittels beginnt (vgl. z. B. Cybulka, in: Sodan/Ziekow, § 56 Rn. 83; v. Albedyll, in: Bader/Funke-Kaiser/Stuhlfauth/v. Albedyll, § 56 Rn. 20). Allerdings wurden gemäß § 9 Abs. 2 VwZG (mit Wirkung ab 1.7.2002 durch ZustRG entfallen) bei Zustellungsmängeln die in ihm genannten Fristen nicht in Lauf gesetzt und sah § 187 Satz 2 ZPO in der bis zum 30.6.2002 geltenden Fassung eine entsprechende Einschränkung für den Lauf von Notfristen vor; mit § 189 ZPO in der ab 1.7.2002 geltenden Fassung des ZustRG ist diese Einschränkung jedoch entfallen. Streitig ist, ob neben Mängeln des Zustellungsvorgangs auch solche des Zustellungsgegenstands, des Schriftstücks selbst geheilt werden können (verneinend Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, § 63, 21a; Engelhardt/App, § 15 Rn. 14; wohl auch Kopp/Schenke, § 56, 40; a. A. BVerwG, Beschluss v. 9.10.1998, 4 B 98/98, NVwZ 1999 S. 183; BSGE 34 S. 211, 215).

 

Rz. 6

Weicht die zugestellte Ausfertigung von der Urschrift ab, führt dies nur dann zur Unwirksamkeit der Zustellung, wenn die Abweichung wesentlich ist (vgl. BGH, Beschluss v. 24.1.2001, XII ZB 75/00, NJW 2001 S. 1653, 1654 m. w. N.; BGH, Beschluss v. 29.11.2006, XII ZB 194/05, FamRZ 2007 S. 372). Als wesentliche Abweichung ist es nur anzusehen, wenn die Mängel der Ausfertigung geeignet sind, die Entschließung des Zustellungsempfängers über die Einlegung eines Rechtsmittels zu beeinflussen. Davon ist insbesondere dann auszugehen, wenn dieser aus der Ausfertigung den Inhalt der Urschrift und den Umfang seiner Beschwer nicht erkennen kann (BGH, Beschluss v. 30.9.1981, IVb ZB 805/81, VersR 1982 S. 70; BGH, Beschluss v. 29.11.2006, XII ZB 194/05, FamRZ 2007 S. 372). Nach der Rechtsprechung des BVerwG kann eine mit einem Formfehler behaftete Entscheidung wirksam s...

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