Rz. 8

Abgeschlossen ist der Erlass des nicht nach mündlicher Verhandlung ergangenen Urteils erst mit der Zustellung des Urteils. Wirksam (Bindung nach § 202 i. V. m. § 318 ZPO) wird ein solches Urteil nach h. M. mit der Übergabe zur Post zwecks Zustellung (vgl. BSG, SozR 3-1750 § 551 Nr. 7; für den Fall des § 153 Abs. 4 Satz 2 BSG, Beschluss v. 31.3.2004, B 4 RA 203/03 B; BGH, Urteil v. 1.4.2004, IX ZR 117/03, FamRZ 2004 S. 1368; BVerwGE 58 S. 146, 148; BVerwGE 38 S. 220; VGH Hessen, Urteil v. 26.1.2001, 10 UZ 2119/97.A; LSG Rheinland-Pfalz, SGb 1996 S. 487; Zeihe, § 133 Rn. 3a; Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, § 125, Rn 4b; Redeker/von Oertzen, § 116 Rn. 7; kritisch dazu: Kilian, in: Sodan/Ziekow, § 116 Rn. 33 ff). Maßgeblich ist danach die Abgabe zur ersten Zustellung an einen Beteiligten (vgl. BSG, Urteil v. 12.9.1983, 9a/9 RV 24/8; Wannagat, SGb 1967 S. 481). Der BGH konkretisiert den maßgebenden Zeitpunkt: Nicht zu verkündende Entscheidungen werden existent und bindend zu dem Zeitpunkt, in dem sich das Gericht ihrer sich in einer der Verkündung vergleichbaren Weise entäußert hat. Das ist noch nicht der Fall, wenn der Geschäftsstellenbeamte den Beschluss auf den Abtrag gelegt hat, denn er könnte ihn dort wieder wegnehmen. Um eine Bindungswirkung für das Gericht anzunehmen, genügt es auch nicht, dass der Beschluss bei der Geschäftsstelle abgetragen wurde, damit in der Kanzlei die an die Parteien zu versendenden Ausfertigungen mit den Empfangsbekenntnissen vorbereitet werden. Dies alles gehört nämlich noch zum inneren Geschäftsbetrieb. Erforderlich ist, dass der Beschluss die Geschäftsstelle mit der unmittelbaren Zweckbestimmung verlassen hat, den Parteien bekannt gegeben zu werden. Das ist z. B. der Fall, wenn der Gerichtswachtmeister eine Ausfertigung bei der Geschäftsstelle abgetragen hat, um sie in das Gerichtsfach eines Prozessbevollmächtigten einzulegen oder zur Post(-stelle) zu geben (vgl. BGH, Urteil v. 1.4.2004, a. a. O., zum nicht zu verkündenden Beschluss). Allerdings soll das Gericht seine Entscheidung bereits dann nicht mehr zurücknehmen oder anders entscheiden können (§ 202 SGG i. V. m. § 318 ZPO), wenn die von allen – also auch den ehrenamtlichen – Richtern unterschriebene Urteilsformel entsprechend dem Geschäftsgang an die Geschäftsstelle gelangt ist und diese den Inhalt der Urteilsformel einem Beteiligten bekannt gegeben hat. Durch die Verlautbarung sei für die Beteiligten jede Ungewissheit darüber, ob und was das Gericht entscheidet, ausgeschlossen; das Gericht könne seine Entscheidung nicht mehr ändern (BSG, SozR 1500 § 124 Nr. 5; Zeihe, § 124 Rn. 9d; vgl. auch BGH, Beschluss v. 27.10.1999, XII ZB 18/99; offen gelassen in BGH, Urteil v. 1.4.2004, IX ZR 117/03, a. a. O.; str., einschränkend, die Verlautbarung müsse mit Willen des Richters erfolgen: HK-VerwR/VwGO/Wahrendorf, § 116 Rn. 12; Redeker/von Oertzen, § 116, Rn. 8; a. A. wegen Rechtsunsicherheit : Kilian, in: Sodan/Ziekow § 116 S. 35; VGH Mannheim , NVwZ-RR 2000 S. 125).

 

Rz. 9

Nach anderer Ansicht könne der Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Entscheidung i. S. d. "Erlasses", also der Unabänderlichkeit durch das Gericht, könne nicht der Zeitpunkt der Zustellung sein, weil andernfalls das Gericht bis zur Zustellung zur Vermeidung eines Verstoßes gegen Art. 103 GG gehalten wäre, bis zu diesem Zeitpunkt Äußerungen der Beteiligten zu berücksichtigen, was nicht durchführbar sei. Die Wirksamkeit trete spätestens mit dem gerichtsinternen Vorgang der durch eine Verfügung des Vorsitzenden und einen entsprechenden Vermerk des Urkundsbeamten dokumentierten Übergabe des vollständigen Urteils an die Geschäftsstelle ein (vgl. Schmidt, in: Eyermann, § 116 Rn. 14 m. w. N.; Dolderer, DVBl. 1999 S. 1019, 1025). Zu diesem Komplex sowie zu der damit zusammenhängenden Frage des rechtliches Gehörs vgl. auch Rn. 17 bis 21 zu § 124.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt SGB Office Professional . Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge