Rz. 9

Die Voraussetzungen für die Entscheidung nach Abs. 1 Satz 1 und 2 sind:

  • Die Anfechtungsklage muss erfolgreich sein, der Verwaltungsakt (oder Widerspruchsbescheid) wird also – zumindest teilweise – aufgehoben.
  • Der Verwaltungsakt muss schon vollzogen sein.
  • Ferner erforderlich ist ein entsprechender Antrag, obwohl § 131 den Antrag – anders als § 131 Abs. 1 Satz 2 VwGO – nicht nennt. Das Antragserfordernis folgt aus dem Dispositionsgrundsatz (vgl. Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, § 131 Rn. 5; Zeihe, § 131 Rn. 11; Peters/Sautter/Wolff, § 131 Anm. 2a; str. a. A. Bolay, in: Lüdtke, SGG, § 131 Anm. 5).
 

Rz. 10

  • Materiell-rechtlich muss ein Folgenbeseitigungsanspruch (vgl. Rz. 7 f.) bestehen. Der Folgenbeseitigungsanspruch zielt im Falle des § 131 Abs. 1 auf die Rückgängigmachung der Folgen der Vollziehung. Die rechtswidrigen Folgen des Verwaltungshandelns sind dadurch wieder zu beseitigen, dass der vor der Amtshandlung bestehende Zustand "in natura" wiederherzustellen ist (BSGE 76 S. 235; BVerwGE 69 S. 366, 371). Es handelt sich nicht um einen Schadensausgleich, auch wenn sich der Folgenbeseitigungsanspruch auf eine Geldleistung richten kann. Wenn z. B. eine Rente zu Unrecht entzogen worden ist, richtet sich der Folgenbeseitigungsanspruch auf die Auszahlung der vorenthaltenen Rente. In diesen Fällen wird ein Urteilsausspruch nach § 131 Abs. 1 aber üblicherweise nicht begehrt, denn der Rentenversicherungsträger zahlt die geschuldeten Rentenbeträge erfahrungsgemäß unmittelbar nach Rechtskraft des den Entziehungsbescheid aufhebenden Urteils aus.
 

Rz. 11

  • Grundsätzlich sind nur die unmittelbaren Folgen der rechtswidrigen Amtshandlung zu beseitigen, denn nur diese Folgen sind handelnden Behörden bzw. Leistungsträgern dann zuzurechnen, wenn zwischen der Amtshandlung und den Folgen Kausalität besteht. Ein derartiger haftungsbegründender Zusammenhang ist zwar bei allen Folgen einer Amtshandlung gegeben, auf deren Eintritt diese unmittelbar gerichtet war bzw. die aufgrund der Amtshandlung unmittelbar und in Bezug auf die Amtshandlung adäquat eingetreten sind (vgl. BVerwGE 69 S. 372, 373). Erst durch ein Verhalten des Betroffenen, das auf dessen Entschließung beruht, verursachte oder mitverursachte Folgen müssen hingegen dem Zweck des Art. 20 Abs. 3 GG entsprechend nicht beseitigt werden. Muss z. B. der Kläger wegen eines Erstattungsbescheids einen Kredit aufnehmen, um dem Inhalt des Bescheids nachkommen zu können, ist der dadurch entstandene Zinsschaden der Beklagten als mittelbarer Schaden nicht zuzurechnen (BSGE 76 S. 235, 239; vgl. auch BVerwGE 69 S. 372 ff.; Broß, VerwArchiv 1985 S. 217). Das schließt selbstverständlich eine Verzinsungspflicht nach § 44 SGB I oder § 27 SGB IV nicht aus (vgl. z. B. Zeihe, § 131 Rn. 5c).
 

Rz. 12

  • Die Behörde muss zur Folgenbeseitigung imstande sein. Ist die Naturalrestitution tatsächlich oder rechtlich nicht möglich, scheidet ein Folgenbeseitigungsanspruch aus (vgl. Faber, NVwZ 2003 S. 159, 163). Die Verurteilung zu Schadensersatz ermöglicht § 131 nicht (vgl. aber bei Schmidt, in: Eyermann, § 113 Rn. 31, wonach sich der Folgenbeseitigungsanspruch in einen Geldanspruch umwandeln soll; dagegen zu Recht Kopp/Schenke, § 113 Rn. 88, 89).
 

Rz. 13

  • Die Sache muss spruchreif sein, denn die Entscheidung in der Hauptsache soll durch die Entscheidung über die Folgenbeseitigung nicht aufgehalten werden (vgl. Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, § 131 Rn. 6a). Ohne Weiteres in jeder Beziehung spruchreif ist die Frage der Folgenbeseitigung dann, wenn nach Abschluss der Sachaufklärung über die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts ohne darüber hinausgehende Ermittlungen ausgesprochen werden kann, dass und wie der vollzogene Verwaltungsakt in seinen Wirkungen zu beseitigen ist (Zeihe, § 131 Rn. 8). Es besteht kein Anspruch gegen das Gericht darauf, dass die Spruchreife auch hinsichtlich der Folgenbeseitigung hergestellt wird (vgl. Kopp/Schenke, § 113 Rn. 93). An der Spruchreife fehlt es, wenn der Behörde bei der Auswahl der möglichen Verhaltensweise Ermessen zusteht.
  • Erfolgt mangels Spruchreife die Abweisung des Antrags, so verbleibt dem Kläger die Möglichkeit, seinen Anspruch in einem neuen Verfahren zu verfolgen (vgl. Kopp/Schenke, § 113 Rn. 94; Redeker/von Oertzen, § 113 Rn. 21).

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