Rz. 23a

Wenngleich in der Vergangenheit die Gerichte für berechtigt gehalten worden sind, auch bei auswärts wohnenden Beteiligten pünktlich zur festgesetzten Terminstunde die mündliche Verhandlung zu beginnen (vgl. BVerwG, NJW 1985 S. 340; BVerwG, NVwZ 1989 S. 857; siehe auch Rn. 5 zu § 62), dürfte es inzwischen namentlich der Erfahrung und Erwartung von Anwälten entsprechen, dass das Gericht 15 Minuten mit der Eröffnung der mündlichen Verhandlung warten wird, wenn ein Beteiligter nicht rechtzeitig erschienen ist und nicht schon im Vorfeld sein Ausbleiben angekündigt worden oder etwa wegen seines Wohnsitzes im Ausland als sicher anzunehmen war. Durch ein Abwarten vermeidet das Gericht, dass es bei nur gering verspätetem Erscheinen des Beteiligten erneut den Sachbericht vortragen muss und ggf. sogar eine bereits geschlossene mündliche Verhandlung wieder eröffnen muss. Kündigt ein Beteiligter an, dass er kommen wolle, aber nicht pünktlich erscheinen könne, muss das Gericht zumindest eine angemessene Zeit warten (vgl. BSG, Beschluss v. 31.3.2004, B 4 RA 126/03 B; BVerwG, NJW 1979 S. 1619; BVerwG, NVwZ 1989 S. 857; BVerwG, NJW 1992 S. 3185). Es ist ein Minimalgebot der Fairness, die mündliche Verhandlung gemäß § 112 Abs. 1 Satz 1 erst zu eröffnen, wenn ein Beteiligter, der seine Teilnahme angekündigt hat, erschienen ist oder nach Ablauf einer Wartefrist von 15 Minuten davon auszugehen ist (vgl. BGH, NJW 1976 S. 196; BGH, NJW 1999 S. 724), dass trotz der prozessualen Fürsorgepflicht des Gerichts wegen der legitimen Interessen der anderen Verfahrensbeteiligten und des Gerichts an einer zeitgerechten und zügigen Durchführung des Sitzungstages ein weiteres Warten nicht mehr vertretbar ist; ggf. kann es sogar geboten sein, zunächst andere Sachen aus der Terminsliste zu verhandeln (vgl. BSG, Beschluss v. 31.3.2004, B 4 RA 126/03 B). Die Wartezeit darf 30 Minuten nicht unterschreiten, wenn dem Gericht bekannt ist, dass der Beteiligte unter besonderen Schwierigkeiten versucht, den Termin wahrzunehmen, denn es muss gemäß Art. 103 Abs. 1 GG sichergestellt werden, dass jedermann "vor Gericht" rechtliches Gehör erhält, wenn er es erkennbar in Anspruch nehmen will (vgl. BSG, Beschluss v. 31.3.2004, B 4 RA 126/03 B).

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