Rz. 21

Erhebliche Gründe für eine Terminsaufhebung sind nach der Rechtsprechung des BSG bei einer vorhersehbaren urlaubsbedingten Abwesenheit eines Prozessbevollmächtigten nicht gegeben (vgl. BSG, Urteil v. 15.12.1995, 11 RAr 175/95; SozSich 1984 S. 326 m. w. N.). Das BSG begründet dies damit, dass die Klägerin die Möglichkeit gehabt habe, in der mündlichen Verhandlung ihre Berufungsgründe durch einen geeigneten und dazu bereiten Rechtsanwalt vortragen und erläutern zu lassen. Wenn der von ihr bevollmächtigte Rechtsanwalt dazu nicht in der Lage sei, habe er dafür Sorge zu tragen, dass ein anderer Rechtsanwalt dies übernimmt (Hinweis auf BVerfGE 14 S. 195, 196; BVerwG, Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 4; BVerwG, VerwRspr 24 S. 380; BSG, Urteil v. 6.12.1983, 11 RA 30/83). Art. 103 Abs. 1 GG verpflichte ein Gericht nicht, einen anberaumten Termin im Hinblick auf Urlaubswünsche des Prozessbevollmächtigten eines Beteiligten aufzuheben (Hinweis auf BVerfGE, a. a. O.). Nach BSG, Beschluss v. 26.6.2007, B 2 U 55/07 B soll jedoch eine Abwesenheit des Prozessbevollmächtigten wegen einer "offenbar zuvor geplanten" Fernreise ein Fall unverschuldeter Verhinderung i. S. d. § 227 ZPO sein.

 

Rz. 22

Wenn ein Rechtsanwalt trotz einer bereits seit geraumer Zeit bestehenden chronischen Erkrankung, die ihn schon in der Vergangenheit an der ordnungsgemäßen Erfüllung seiner Berufspflichten gehindert hat, keine Vorsorge trifft, verletzt er schuldhaft seine prozessuale Mitwirkungspflicht. Unter diesen Umständen kann das Gericht die beantragte Terminsaufhebung mangels erheblicher Gründe gemäß § 227 Abs. 1 ZPO ablehnen (BVerwG, NJW 2001 S. 2735).

 

Rz. 23

Ist ein Prozessbevollmächtigter wegen einer früher ergangenen Ladung zur Verhandlung in einer anderen Sache verhindert, was häufig der Fall ist, ist i. d. R. zumutbar, dass er sich durch einen Kollegen der Sozietät vertreten lässt. Das BVerwG differenziert in solchen Fällen wie folgt: Ob ein erheblicher Grund i. S. d. § 227 ZPO gegeben ist, richtet sich danach, ob der Verhinderungsgrund derart kurzfristig eintritt, dass für eine ordnungsgemäße Vertretung des Beteiligten kein sachkundiger anwaltlicher Vertreter gefunden werden kann. Ist dies der Fall, ist es nicht ohne Weiteres Sache des Prozessbevollmächtigten darzulegen, dass keiner der in Sozietät mit ihm stehenden Rechtsanwälte (ebenfalls) in die Sache so eingearbeitet ist, dass er in dem unmittelbar bevorstehenden Gerichtstermin sachkundig auftreten kann, dann muss das Gericht, das über den Terminsverlegungsantrag zu befinden hat, i. d. R. von dem Gegenteil ausgehen. Bei schon eine längere Zeit absehbaren Verhinderungsgründen ist demgegenüber darzulegen, dass eine Terminwahrnehmung durch einen Sozius ebenfalls nicht in Betracht kommt (vgl. BVerwG, Beschluss v. 5.12.1994, 8 B 179.94, Buchholz 310 § 108 Nr. 259; BVerwG, Beschluss v. 23.1.1995, 0 B 1/95, NJW 1995 S. 1231). Wenn nicht nur besondere sozialrechtliche Sachkenntnis, sondern auch die Einarbeitung in besonders umfangreiche Akten erforderlich wäre, um in der Verhandlung sachgerecht vortragen zu können, kann es im Einzelfall unzumutbar sein, einen anderen Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung des Termins zu beauftragen. In solchen komplexen und komplizierten Fällen wäre meist auch dem Gericht wenig gedient, wenn ein Rechtsanwalt auftreten würde, der lediglich die "Einrede, nicht der Sachbearbeiter zu sein" erheben würde. Wenn in solchen Fällen die Unzumutbarkeit der Vertretung durch den Kollegen der Sozietät geltend gemacht wird, ist allerdings zusätzlich zu verlangen, dass dargelegt wird, weshalb der Kollege nicht den Termin vor dem anderen Gericht wahrnimmt (vgl. BSG, Beschluss v. 31.10.2005, B 7a AL 134/05 B). Die meisten Terminskollisionen sind ohnehin durch einvernehmliche Verlegung der Terminstunde nach telefonischer Rücksprache zu lösen. Oft liegt es im Interesse des Klägers, Terminsaufhebung und dadurch bedingte Verfahrensverzögerung durch die Erteilung des Einverständnisses in eine Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs. 2) zu vermeiden. Lädt das Gericht frühzeitig, hat es im Übrigen auch im Falle der verhinderungsbedingten Terminsaufhebung häufig noch die Möglichkeit, eine andere Sache nachzuladen.

Prozessbevollmächtigte dürfen nicht darauf vertrauen, dass das Gericht ihrer Bitte entspricht und den Termin aufhebt, solange sie keine Antwort des Vorsitzenden auf ihre Bitte um Terminsverlegung bzw. Terminsaufhebung erhalten haben. Mögliche Versäumnisse der Prozessbevollmächtigten in dieser Hinsicht lassen indessen die Pflicht des Gerichts unberührt, einen mit einer Begründung versehenen Antrag noch vor Beginn des Termins zur mündlichen Verhandlung durch den Vorsitzenden zu entscheiden. Entsprechende Anforderungen an die Verhaltensweise des Gerichts ergeben sich auch aus dem aus Art 12 Abs. 1 GG und dem Rechtsstaatsprinzip abzuleitenden allgemeinen Prozessgrundrecht auf ein faires Verfahren (vgl BSG, Beschluss v. 6.10.2010, B 12 KR 58/09 m. w. N.).

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