Rz. 9

Die in § 123 angeordnete Bindung an den erhobenen Anspruch bedingt ferner das Verbot, die vom Kläger angefochtene Verwaltungs- oder Gerichtsentscheidung zu seinem Nachteil zu ändern (Verböserungsverbot oder Verbot der reformatio in peius). Ein Verstoß gegen § 123 liegt auch dann vor, wenn dem Kläger ein Anspruch aberkannt wird, den er nicht zur Entscheidung gestellt hat (vgl. für die VwGO Kopp/Schenke, § 88 Rz. 1; BGH, NJW 1991 S. 1683).

Ob eine Schlechterstellung vorliegt, bestimmt sich nach der materiellen Rechtskraft der Entscheidung (BSGE 2 S. 225; zur materiellen Rechtskraft vgl. Rz. 3 ff. zu § 141). Das Gericht darf deshalb einzelne Elemente anders beurteilen, solange es im Ergebnis nicht hinter der Vorinstanz zurück bleibt. Das Berufungsgericht ist ferner berechtigt, eine Klage, die das Sozialgericht als unzulässig angesehen hatte, als unbegründet abzuweisen (vgl. Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, § 123 Rz. 5a; Bolay, in: Lüdtke/Berchtold, SGG, § 123 Rz. 17; a. A. Bley, in: GK, § 123 Anm. 2b; Rohwer-Kahlmann, SGG, § 123 Rz. 12). Ein Verstoß gegen das Verböserungsverbot liegt auch nicht vor, wenn das LSG die auf Verletztenrente nach einem höheren Jahresarbeitsverdienst gerichtete Berufung zurückweist, weil die Voraussetzungen einer Formalversicherung nicht vorgelegen habe (vgl. BSG, Urteil v. 3.4.2014, B 2 U 26/12 R).

 

Rz. 10

Zulässig ist die Verböserung im Rechtsmittelverfahren auf Anschlussrechtsmittel oder Widerklage. § 123 gilt ferner nicht bei von Amts wegen zu treffenden Entscheidungen, z. B. über die Zulassung der Berufung oder Revision, der Kostengrundentscheidung (vgl. LSG Thüringen, Urteil v. 29.1.2007, L 6 RJ 1024/03), der Entscheidung nach § 199 Abs. 2 und der Festsetzung des Streitwerts.

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