Rz. 2

§ 106 Abs. 1 ähnelt in weiten Bereichen § 112 Abs. 2, der Aussagen für die mündliche Verhandlung trifft. Die Vorschrift gilt im Grundsatz in allen Instanzen. Sinn und Zweck des § 106 ist es, den Beteiligten die Möglichkeit einzuräumen, ihr Begehren so effektiv wie möglich an das Gericht heranzubringen, etwaige formale Hindernisse zu beseitigen und damit Raum für die materiell-rechtliche Bearbeitung der Streitsache zu schaffen. Die Vorschrift dient darüber hinaus der Verwirklichung des Anspruchs der Beteiligten auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG, § 62 SGG). Durch ein Hinwirken des Gerichts etwa auf die Abgabe wesentlicher Erklärungen oder die Ergänzung von bereits gemachten Angaben wird den Beteiligten offenbart, was konkret noch vorzutragen ist, um das Gericht von der Berechtigung des zur Beurteilung gestellten Begehrens zu überzeugen oder es zumindest zu veranlassen, (weitere) Ermittlungen anzustellen. Die Vorschrift bezweckt aber gerade auch die Beschleunigung des Verfahrens. Insbesondere in der Zusammenschau mit Abs. 2 wird deutlich, dass der Gesetzgeber dazu anhalten will, möglichst vor der mündlichen Verhandlung den Sachverhalt so aufzubereiten, dass nach der Verhandlung in der Sache entschieden werden kann und nicht vertagt werden muss. Des Weiteren steht § 106 Abs. 1 im Interesse eines möglichst effektiven Arbeitsablaufes bezüglich der Dienstgeschäfte des erkennenden Gerichts. Durch das Hinwirken seitens des Vorsitzenden sollen die Beteiligten zur Kommunikation angehalten werden und dazu gemahnt werden, ihm die Informationen zu unterbreiten, die er sich ansonsten auf mitunter viel mühseligere Weise beschaffen müsste. Sehr zweifelhaft ist es, ob die Vorschrift auch der Wahrheitsfindung dient. Unangemessen weitgehend erscheint in dieser Allgemeinheit die Auffassung des BSG, die Gerichte seien verpflichtet, "in geeigneten Fällen" den Sachvortrag der Beteiligten bei der Überzeugungsbildung zu verwenden, wenn er ihnen "glaubhaft" erscheine (BSG, Beschluss v. 10.02.1998, B 2 U 2/98 B, juris; ähnlich LSG Brandenburg, Urteil v. 4.2.2005, L 28 AL 167/02, juris). Die Glaubhaftmachung kann die gesetzliche Ermittlungsarbeit zum Zwecke der Wahrheitsfindung nicht ersetzen (vgl. Kommentierung zu § 103 Rn. 4)

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