Verfahrensgang

Bayerisches LSG (Beschluss vom 17.11.1997)

 

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluß des Bayerischen Landessozialgerichts 17. November 1997 wird als unzulässig verworfen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

Die gegen die Nichtzulassung der Revision im angefochtenen Urteil gerichtete Beschwerde, mit welcher der Kläger die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache und Verfahrensmängel geltend macht, ist unzulässig. Die dazu gegebene Begründung entspricht nicht der in § 160 Abs 2 und § 160a Abs 2 Satz 3 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) festgelegten Form. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) erfordern diese Vorschriften, daß der Zulassungsgrund schlüssig dargetan wird (BSG SozR 1500 § 160a Nrn 34, 47 und 58; vgl hierzu auch Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 2. Aufl, 1997, IX, RdNrn 177 und 179 mwN). Diesen Anforderungen an die Begründung hat der Beschwerdeführer nicht hinreichend Rechnung getragen.

Nach § 160 Abs 2 Nr 1 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn die Sache grundsätzliche Bedeutung hat. In der Beschwerdebegründung muß nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt werden. Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist gegeben, wenn zu erwarten ist, daß die Revisionsentscheidung die Rechtseinheit in ihrem Bestand erhalten oder die Weiterentwicklung des Rechts fördern wird. Es muß eine klärungsbedürftige Rechtsfrage aufgeworfen sein, welche bisher revisionsgerichtlich noch nicht – ausreichend – geklärt ist (s ua BSG SozR 1500 § 160 Nr 17 sowie Beschluß des Senats vom 27. Mai 1997 – 2 BU 64/97 –). Demgemäß muß der Beschwerdeführer, der die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache darzulegen hat, aufzeigen, ob und inwieweit zu der aufgeworfenen Frage bereits Rechtsgrundsätze herausgearbeitet sind und in welchem Rahmen noch eine weitere Ausgestaltung, Erweiterung oder Änderung derselben durch das Revisionsgericht zur Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits erforderlich erscheint (vgl Krasney/Udsching, aaO, IX, RdNrn 65 und 66; Kummer, Die Nichtzulassungsbeschwerde, 1990, RdNrn 116 ff). Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht.

Als Frage von grundsätzlicher Bedeutung sieht der Kläger das Problem an, “welche Anforderungen an den Beweis eines bestimmten Unfallgeschehens dem Kläger aufzuerlegen sind, wenn der Kläger, wie hier, an einem Unfallgeschehen allein beteiligt ist und Zeugen nicht vorhanden sind”. Er setzt sich jedoch nicht – wie erforderlich – mit der einschlägigen Rechtsprechung des BSG auseinander: Nach der auch vom Landessozialgericht (LSG) zugrunde gelegten Entscheidung des BSG vom 19. Januar 1978 (BSGE 45, 285) gilt als allgemeiner Grundsatz auch im sozialgerichtlichen Verfahren für die an die richterliche Beweiswürdigung und Überzeugungsbildung zu stellenden Anforderungen, daß ein der Gewißheit nahekommender Grad der Wahrscheinlichkeit ausreichend, aber auch notwendig, demnach eine Tatsache bewiesen ist, wenn sie in so hohem Grade wahrscheinlich ist, daß alle Umstände des Falles nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens und nach der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet sind, die volle richterliche Überzeugung hiervon zu begründen. Nach der Entscheidung des BSG vom 6. Dezember 1966 (SozR Nr 77 zu § 128 SGG) kennt das SGG zwar die Parteivernehmung nicht als Beweismittel, sind jedoch die Gerichte unter den Voraussetzungen des § 106 Abs 1 und des § 111 Abs 1 SGG verpflichtet, die Beteiligten zu hören und in geeigneten Fällen auch den Sachvortrag der Beteiligten bei ihrer Überzeugungsbildung zu verwenden, wenn er ihnen glaubhaft erscheint.

Mit dieser vorliegenden höchstrichterlichen Rechtsprechung setzt sich der Beschwerdeführer nicht auseinander und gibt auch nicht an, inwieweit diese Rechtsprechung für die Entscheidung des vorliegenden Falls noch einer weiteren Ausgestaltung, Erweiterung oder Änderung bedarf. Damit hat der Beschwerdeführer keine grundsätzlich bedeutsame Frage, die für den vorliegenden Rechtsstreit als klärungsbedürftig im Sinne einer grundsätzlichen Bedeutung anzusehen wäre, dargelegt (vgl Kummer, aaO, RdNrn 190 ff).

Soweit der Kläger geltend macht, das LSG hätte nicht ohne mündliche Verhandlung entscheiden dürfen, sondern ihm und seinem Bevollmächtigten die Möglichkeit einräumen müssen, im Rahmen einer mündlichen Verhandlung im Berufungsverfahren nach Ansicht des Gerichts vorhandene Widersprüchlichkeiten aufzuklären, rügt er zunächst die Verletzung des rechtlichen Gehörs (vgl § 62 SGG, Art 103 Abs 1 des Grundgesetzes ≪GG≫). Dies reicht jedoch zur Bezeichnung eines Verfahrensmangels nicht aus. Art 103 Abs 1 GG und § 62 SGG geben keinen Anspruch auf mündliche Verhandlung (vgl BSG Beschluß vom 7. Juni 1994 – 9 BVs 18/94). Es wäre mithin erforderlich gewesen, im einzelnen darzulegen, welches entscheidungserhebliche Vorbringen durch die Nichtdurchführung einer mündlichen Verhandlung unterblieben ist und aus welchen Gründen der Kläger dies nicht schriftlich hätte dartun können. Dies hat er jedoch versäumt.

Die dem Vortrag ebenfalls zu entnehmende Rüge, die mündliche Verhandlung sei für die Überzeugungsbildung des LSG erforderlich gewesen, ist nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG nicht geeignet, einen Zulassungsgrund zu bezeichnen (vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 19).

Dies gilt auch für die diesem Vorbringen des Klägers ebenfalls zu entnehmende Rüge, die Nichtanberaumung einer mündlichen Verhandlung verstoße hier gegen § 153 Abs 4 SGG, weil das LSG zunächst mutmaßlich angenommen habe, die Berufung sei nicht offensichtlich unbegründet, sondern der Sachverhalt bedürfe weiterer Aufklärung, dann aber gleichwohl im Wege dieser Vorschrift entschieden habe. Hält das LSG – wie hier – nach Anhörung der Beteiligten die Berufung einstimmig für unbegründet und die mündliche Verhandlung nicht für erforderlich, so räumt das Gesetz dem LSG unabhängig vom Verfahrensstand – auch etwa noch nach Einholung eines Sachverständigengutachtens (vgl BSG SozR 3-1500 § 153 Nr 1) – einen Beurteilungsspielraum zur Verfahrensgestaltung ein. Das Revisionsgericht hat das Erfordernis einer mündlichen Verhandlung nicht aus seiner Sicht zu prüfen. Verfahrensrechtlich zu beanstanden ist eine Sachentscheidung ohne mündliche Verhandlung nach § 153 Abs 4 SGG nur, wenn das Verfahren des Berufungsgerichts auf “sachfremden Erwägungen” oder “grober Fehleinschätzung” beruht (vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 19 mwN). Für eine solche Annahme bringt die Beschwerdebegründung nichts vor.

Die Beschwerde war daher als unzulässig zu verwerfen (§ 169 SGG).

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI780393

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