Rz. 1a

Im sozialgerichtlichen Verfahren gilt die Dispositionsmaxime; die Gerichte werden nicht von Amts wegen tätig. Daher steht es den Beteiligten auch frei, das Verfahren anders als durch Urteil zum Abschluss zu bringen. Die Beteiligten können sich vergleichsweise einigen – gerichtlich oder außergerichtlich –, das Verfahren übereinstimmend für erledigt erklären, der Kläger kann die Klage zurücknehmen oder die Beklagte den geltend gemachten Anspruch anerkennen. Sämtliche Alternativen sind Ausfluss der Dispositionsmaxime. § 101 Abs. 1 regelt nur die Variante des gerichtlichen Vergleichs. Der außergerichtliche Vergleich ist im SGG nicht geregelt, gleichwohl aber möglich und auch beachtlich. Die übereinstimmende Erledigungserklärung ist über § 202 SGG i. V. m. § 91a Abs. 1 Satz 1 ZPO zulässig (vgl. auch Bay LSG, Urteil v. 11.6.1997, L 19 Ar 17/97) bzw. für gerichtskostenpflichtige Verfahren über § 197a Abs. 1 Satz 1 HS 3 SGG i. V. m. § 161 Abs. 2 VwGO (vgl. hierzu LSG Berlin, Beschluss v. 28.4.2004, L 6 B 44/03 AL ER, und die Kommentierung zu § 102 Rn. 3); die Klagerücknahme ist in § 102 und das Anerkenntnis in § 101 Abs. 2 geregelt. Durch das 1. Justizmodernisierungsgesetz (BGBl. I S. 2198) im Zivilprozess neu eingeführt worden ist mit Wirkung ab dem 1.9.2004 die Variante der unwidersprochen gebliebenen Erledigungserklärung des Klägers (§ 91a Abs. 1 Satz 2 ZPO). Da im sozialgerichtlichen Verfahren eine Einwilligung des Beklagten zu einer Rücknahme der Klage bzw. zu einer als Rücknahmeerklärung auszulegenden Erledigterklärung grundsätzlich entbehrlich ist, besteht kein Bedürfnis für eine Anwendung dieser Regelung.

Auch im verwaltungs- und im zivilgerichtlichen Verfahren gilt die Dispositionsmaxime. Vor allem in der ZPO hat der Gesetzgeber aber abweichende Regelungen über den Vergleich und das Anerkenntnis getroffen. Das ist in erster Linie darauf zurückzuführen, dass die Beteiligten und ihr Rechtsverhältnis sich im Regelfall deutlich von denjenigen im sozialgerichtlichen Verfahren unterscheiden. Nach § 307 ZPO endet das Verfahren im Falle eines Anerkenntnisses mit einem Anerkenntnisurteil, nicht mit der Annahme des Anerkenntnisses. Obwohl im Verwaltungsgerichtsverfahren die Beteiligtenstruktur derjenigen des Sozialgerichtsverfahrens ähnelt, hat der Gesetzgeber die Wirkungen eines Anerkenntnisses anders geregelt, vgl. §§ 87a, 156 VwGO. Auch dort hat ein Anerkenntnisurteil zu ergehen. Im Sozialgerichtsverfahren kann zwar unter Umständen ebenfalls ein Anerkenntnisurteil ergehen, dies ist aber der Ausnahmefall. In der Regel besteht hierfür kein Bedürfnis, da aus dem angenommenen Anerkenntnis gemäß § 199 Abs. 1 Nr. 3 vollstreckt werden kann (vgl. BSG, SozR 1500 § 102 Nr. 6). Ein Anerkenntnisurteil kommt aber in Betracht, wenn das Anerkenntnis nicht angenommen wird (vgl. hierzu BSG, Breithaupt 1978 S. 1099; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 28.8.2008, L 31 U 402/08, juris; LSG NRW, Urteil v. 22.11.2000, L 11 KA 167/99).

 

Rz. 2

Auch im sozialgerichtlichen Verfahren gilt über § 202 SGG i. V. m. § 278 Abs. 1 ZPO, dass das Gericht in jeder Lage des Verfahrens auf eine gütliche Beilegung des Rechtsstreits oder eines Teiles davon bedacht sein soll. Es soll zwar kein Druck auf die Beteiligten ausgeübt werden; eine gütliche Einigung ist zur Herbeiführung des Rechtsfriedens jedoch häufig die geeignetere Maßnahme. Sie kann sogar zu einer umfassenderen Beilegung des Streits führen, da beispielsweise im Rahmen eines Vergleichs auch Gegenstände mit einbezogen werden können, über die das Gericht etwa mangels Zuständigkeit nicht entscheiden dürfte. Das gilt jedenfalls für Streitgegenstände, über welche die Beteiligten verfügen können. Eine gütliche Streitbeilegung kann vor allem durch einen gerichtlichen Vergleich oder auch durch eine von dem Gericht vorgeschlagene und erfolgreich beendete außergerichtliche Streitschlichtung (Mediation, § 278 Abs. 5 Satz 2 ZPO) erreicht werden.

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