0 Rechtsentwicklung

 

Rz. 1

§ 88 wurde mit dem SGB X v. 4.11.1982 (BGBl. I S. 1450) eingeführt und trat zum 1.7.1983 in Kraft. Im Zusammenhang mit der Neufassung des SGB X v. 18.1.2001 (BGBl. I S. 130) ist er neu bekanntgemacht worden. § 88 hat keinen Vorgänger. Tatsächlich haben aber Sozialleistungsträger auch schon vor Inkrafttreten des § 88 auftragsweise Geschäfte für andere Träger erledigt. So haben sich die LVAen bundesweit die Terminvertretung vor Gerichten organisiert, die LVA Rheinprovinz (jetzt: Deutsche Rentenversicherung Rheinland) hat auch schon vor Inkrafttreten der Vorschrift bundesweit die Auslandsrentner der gesetzlichen Rentenversicherung betreut.

1 Allgemeines

 

Rz. 2

Der Zweck des § 88 besteht darin, eine sozialversicherungsrechtliche Regelung für Auftragsverhältnisse unter Sozialleistungsträgern bereitzustellen, da die entsprechenden Rechtsverhältnisse vor 1983 lediglich auf der entsprechenden Anwendung bzw. im Rückgriff auf den Rechtsgedanken der Vorschriften der §§ 662 ff. BGB beruhten. Privatrechtliche Regelungen gehen aber von einer Autonomie der Vertragspartner aus, über die öffentlich-rechtliche Träger aufgrund ihrer Verpflichtung zur Gewährung gesetzlich normierter Leistungen und Aufgabenerfüllung nicht verfügen. Mit § 88 wurde demnach eine zuvor bestehende Regelungslücke geschlossen. Die §§ 662 ff. BGB gelten jedoch über § 61 innerhalb der §§ 88 ff. subsidiär (Dietmair, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, Stand: 13.12.2018, § 88 Rz. 30).

2 Rechtspraxis

 

Rz. 3

Das Erfordernis von Auftragsgeschäften innerhalb der Sozialversicherungsträger erklärt sich aus der Gliederung des Systems der Sozialversicherung. So können anlässlich der Sozialleistungserbringung Schnittstellen zwischen den unterschiedlichen Trägern entstehen, die es erforderlich machen, Aufträge zu erteilen, da eine sinnvolle Fallbearbeitung im Rahmen einer bloßen Koordination der Arbeit der Sozialleistungsträger nicht gewährleistet werden kann. So dient beispielsweise die Auszahlung von Verletztengeld des Unfallversicherungsträgers im Rahmen der "Verwaltungsvereinbarung Generalauftrag Verletzengeld" durch die Krankenkasse der Versorgung der Versicherten mit den ihnen zustehenden Leistungen. Denn Krankenkassen haben regelmäßig vor Ort Geschäftsstellen, an die sich die Versicherten wenden können.

 

Rz. 4

Die §§ 88 bis 93 bilden die Rechtsgrundlage für die allgemeine Zulässigkeit der Bildung von öffentlich-rechtlichen Auftragsverhältnissen und regeln allgemeine Fragen. Diese Vorschriften sind aber nachrangig gegenüber speziellen Regelungen (vgl. § 37 Satz 1 SGB I), wie z. B. § 28h SGB IV, § 119 Abs. 1 Satz 1 SGB VI, § 101a Abs. 3 Nr. 1 und 2 SGB X. Die §§ 88 bis 93 werden ergänzt durch die allgemeinen Vorschriften über den öffentlich-rechtlichen Vertrag (§§ 53 bis 61), wie das Erfordernis der Schriftform und den Verweis auf die Regeln über den Datenschutz. Durch die Erteilung eines Auftrages werden aufgrund einverständlicher Regelungen, die von den Beteiligten vereinbart wurden, Aufgaben des Auftraggebers an den Auftragnehmer übertragen. Demgegenüber spricht man von Amtshilfe, wenn in einem Einzelfall ein Träger ersucht wird, ergänzende Hilfe zu leisten.

2.1 Grundtatbestand (Abs. 1)

 

Rz. 5

Auftrag i. S. d. § 88 ist die einvernehmliche Übertragung von Aufgaben des Auftraggebers an den Beauftragten aufgrund eines öffentlich-rechtlichen Vertrages. Zur Zulässigkeit des öffentlich-rechtlichen Vertrages vgl. §§ 53 ff.

2.1.1 Auftraggeber und Auftragnehmer

 

Rz. 6

Nur Leistungsträger (vgl. § 12 SGB I) können Aufträge erteilen. Verträge werden zwischen Leistungsträgern (§ 88 Abs. 1 Satz 1 1. Alt.) oder mit dem jeweiligen Verband des Leistungsträgers (§ 88 Abs. 1 Satz 1 2. Alt.) geschlossen. Sind Auftragsverhältnisse zwischen Leistungsträgern geschlossen worden, müssen diese nicht notwendig dem gleichen Verband angehören.

 

Rz. 7

Der Wortlaut des § 88 Abs. 1 Satz 1 ist insofern unklar, als nach dem Gesetzestext lediglich die Aufgabenwahrnehmung durch "seinen" Verband möglich ist. So fragt sich, ob tatsächlich nur Auftragsverträge mit Verbänden, in denen der Leistungsträger Mitglied ist, geschlossen werden dürfen. Aus der Tatsache, dass nicht die Verbandszugehörigkeit des Leistungsträgers, sondern der dem Auftrag zugrunde liegende öffentlich-rechtliche Vertrag die Rechtsgrundlage des Auftrages sein kann, lässt sich auf ein Formulierungsversehen des Gesetzgebers schließen. Die Gesetzesbegründung liefert mehrere Beispiele, in denen der auftraggebende Leistungsträger nicht Mitglied des beauftragten Verbandes ist (vgl. BT-Drs. 9/95 S. 18). Eine Weisungsgebundenheit des Leistungsträgers gegenüber dem Verband kann es grundsätzlich nicht geben. Von daher kann es für das Auftragsverhältnis auf die Verbandszugehörigkeit des Leistungsträgers nicht ankommen. Diese Auffassung wird auch dadurch gestützt, dass die Verbände nicht nur die Verwaltungsaufgaben der ihnen angehörigen Leistungsträger zu koordinieren haben, sondern auch die Zusammenarbeit ihrer Leistungsträger mit anderen Leistungsträgern vermitteln müssen (a. A. Dietmair, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, Stand: 13....

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