Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Krankenhaus. Durchführung einer transvaskulären Aortenklappen-Implantation. neue Behandlungsmethode

 

Orientierungssatz

Eine im Krankenhaus durchgeführte kathetergestützte transvaskuläre Aortenklappen-Implantation (TAVI) entsprach im Behandlungsjahr 2013 nicht dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse. Sie stellt bei einem Krankenhaus ohne Abteilung für Herzchirurgie eine neue Behandlungsmethode dar.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 16.08.2021; Aktenzeichen B 1 KR 18/20 R)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 26. Oktober 2016 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 22. November 2016 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.

Der Streitwert wird auf 33.662,39 € festgesetzt.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist der Vergütungsanspruch der Klägerin für eine vollstationäre Krankenhausbehandlung streitig.

Die Klägerin ist Trägerin der A., Klinikum A-Stadt (im Weiteren: Klinik der Klägerin) mit zwei Betriebsstätten in A-Stadt. Das Hessische Sozialministerium (HSM) stellte mit Bescheid vom 23. Januar 2013 die Aufnahme der Klinik der Klägerin in dem Krankenhausplan des Landes Hessen fest mit den Fachabteilungen Augenklinik, Chirurgie, Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Hals-Nasen-Ohrenheilkunde, Haut- und Geschlechtskrankheiten, Innere Medizin, Kinder- und Jugendmedizin, Neurochirurgie, Neurologie, Urologie, Psychiatrie und Psychotherapie und Psychosomatische Medizin und Psychotherapie sowie die Teilnahme an der unabdingbaren Notfallversorgung.

Die bei der Beklagten krankenversicherte C. C. (im Weiteren: Versicherte) befand sich vom 24. Juli bis zum 10. August 2013 in der Klinik der Klägerin zur vollstationären Behandlung. In dieser Zeit wurde bei der Versicherten aufgrund einer Aortenklappen-Stenose eine transvaskuläre Aortenklappen-Implantation (transcatheter-aortic-valve-implantation - TAVI) durchgeführt. Dabei wird eine biologische Herzklappenprothese über einen kleinen Zugang mittels Katheter implantiert.

Am 23./24. Juli 2013 schlossen die Klinik der Klägerin und die Klinik für Herz-Thorax und Gefäßchirurgie der Universitätsmedizin der F-Universität D-Stadt (im Weiteren: Klinik für Herz-, Thorax und Gefäßchirurgie) einen Dienstleistungsvertrag. Danach beauftragte die Klinik der Klägerin zwei namentlich benannte Mitarbeiterinnen der Klinik für Herz-, Thorax und Gefäßchirurgie, Dr. med. D. und Dr. med. E., an der Behandlung der Versicherten im Rahmen einer TAVI mitzuwirken.

Die Klägerin stellte am 13. August 2013 der Beklagten Kosten der Behandlung in Höhe von 33.662,39 € auf der Grundlage der DRG F98Z (Komplexe minimaiintensive Operation an Herzklappen) unter Verwendung der OPS 5-35a.00 (Minimaiinvasive Operationen an Herzklappen: Implantation eines Aortenklappen-Ersatzes; endovaskulär) in Rechnung.

Die Beklagte teilte der Klägerin am 23. August 2013 mit, sie lehne die Abrechnung der DRG F98Z ab. Diese DRG gehöre nicht zum Leistungsspektrum und damit nicht zum Versorgungsauftrag ihrer Klinik.

Die Klägerin hat am 5. März 2014 bei dem Sozialgericht Wiesbaden Klage erhoben auf Zahlung in Höhe von 33.662,39 € nebst Zinsen.

Die Klägerin hat im Wesentlichen die Auffassung vertreten, ihre Klinik habe die streitige Leistung im Rahmen ihres Versorgungsauftrags für Innere Medizin erbracht. Bei der streitgegenständlichen TAVI handele es sich um ein minimalinvasives kardiologisches Verfahren, das als Subdisziplin der Kardiologie zum Fachgebiet der Inneren Medizin zähle. Es handele sich nicht um einen herzchirurgischen Eingriff. Notfälle, bei denen eine herzchirurgische Behandlung (Öffnung des Brustkorbs) notwendig sei, würden bei TAVI nur in 1,2 % der Fälle eintreten und könnten die Notwendigkeit einer herzchirurgischen Abteilung für die Erbringung der Leistung nicht begründen. Repräsentative Studien belegten ein Absinken der Komplikationsrate bei TAVI-Eingriffen von 13,2 % bis zum Jahr 2013 auf 5,4 %. Auch könne die Notwendigkeit des Vorhandenseins einer herzchirurgischen Abteilung für die Durchführung einer TAVI nicht auf die uneinheitliche Fachliteratur der Fachgesellschaften begründet werden. Die Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses (im Weiteren: GBA) zur minimalinvasiven Herzklappenintervention vom 22. Januar 2015 (im Weiteren: MHl-RL), welche eine entsprechende Vorgabe beinhalte, sei erst im Juli 2015 in Kraft getreten und entfalte keine Rechtswirkung für die Vergangenheit. Die Leistungserbringung habe im Jahr 2013 somit dem damaligen allgemein anerkannten medizinischen Stand entsprochen. Nach dem Positionspapier der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK) vom August 2014 sei ihre Form der Leistungserbringung ausreichend. Es seien mit der Klinik für Herz-, Thorax und Gefäßchirurgie die Vorhaltung sämtlicher zum damaligen Zeitpunkt anerkannten Qualitätsstandards eines TAVl-Eingriffs mündlich vereinbart worden. Damit sei siche...

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