Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilfe. Kostenerstattung bei Übertritt aus dem Ausland bzw Einreise aus dem Ausland. Wegfall der Erstattungspflicht bei Umzug nach Ablauf eines Monats. Grundsätze des intertemporalen Verwaltungsrechts

 

Leitsatz (amtlich)

Der Umzug eines aus dem Ausland übergetretenen Hilfebedürftigen nach Ablauf eines Monats nach Einreise lässt die Erstattungspflicht des überörtlichen Trägers der Sozialhilfe nach § 108 Abs 1 BSHG entfallen. Dem Sozialhilfeträger des neuen Wohnortes fehlt der nach dem Gesetzeszweck notwendige Bezug zum Einreiseort.

 

Orientierungssatz

Zur Anwendung des alten Rechts des BSHG auf den Erstattungsanspruch zwischen Sozialhilfeträgern nach den Grundsätzen des intertemporalen Verwaltungsrechts (vgl BSG vom 24.3.2009 - B 8/9b SO 17/07 R = BSGE 103, 34 = SozR 4-5910 § 108 Nr 1 und B 8 SO 34/07 R = SozR 4-5910 § 111 Nr 1).

 

Tenor

I. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 19. März 2009 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

II. Die Klägerin trägt die Kosten beider Instanzen.

III. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um einen Kostenerstattungsanspruch bei Übertritt des Hilfeempfängers aus dem Ausland nach § 108 Bundessozialhilfegesetz (BSHG).

Der 1960 in A./Chile geborene X., der (auch) deutscher Staatsbürger ist, reiste am xx.xx.1996 auf dem Luftweg aus Chile in die Bundesrepublik Deutschland ein. Nach seinen Angaben hatte er eine selbständige Tätigkeit in Australien aufgegeben, da diese nicht mehr tragfähig gewesen sei. Sodann habe er für knapp zwei Monate bei seiner Mutter in Chile gelebt, bevor er nach Deutschland einreiste. Der auf dem B. Flughafen gelandete X. hielt sich zunächst bei einer Bekannten oder Cousine in D. und erhielt ab dem 15.08.1996 Sozialhilfe von der Stadt D.. Am 15. oder 16.09.1996 verzog X. in eine eigene Wohnung nach C. und erhielt von der Klägerin seit dem 19.09.1996 Sozialhilfeleistungen. Seit dem 01.12.1997 ist der Aufenthalt des X. unbekannt.

Nachdem die Beklagte durch Entscheidung des Bundesverwaltungsamtes vom 04.09.1996 gem. §§ 108 Abs. 2 i.V.m. 147 BSHG zum überörtlichen Träger der Sozialhilfe bestimmt worden war, meldete die Stadt D. dort am 18.09.1996 einen Erstattungsanspruch für die seit dem 15.08.1996 erbrachten Leistungen an. Die Klägerin bat den Beklagten mit Schreiben vom 14.10.1996 um Anerkennung der Kostenersatzpflicht.

Mit Schreiben vom 17.04.1997 erkannte der Beklagte eine Kostenerstattungspflicht gegenüber der Stadt D. dem Grunde nach an und erstattete dieser 5.921,00 DM für die in der Zeit vom 15.08.1996 bis 23.09.1996 erbrachten Aufwendungen. Gegenüber der Klägerin lehnte der Beklagte die Anerkennung einer Kostenerstattungspflicht durch Schreiben vom 14.05.1998 ab, da der Sozialhilfebedarf dort nach dem Zuzug aus D. nicht innerhalb eines Monats nach Grenzübertritt eingetreten sei.

Auch die Stadt D. lehnte am 02.07.1998 einen von der Klägerin dort auf der Grundlage von § 107 BSHG geltend gemachten Kostenerstattungsanspruch ab. Sie vertrat die Auffassung, die vom Bundesverwaltungsamt vorgenommene Bestimmung des zuständigen überörtlichen Trägers wirke bis zur endgültigen Beendigung des Hilfefalles fort und verwies auf eine Entscheidung der Zentralen Spruchstelle vom 14.10.1974 (Az.: xx).

Die Klägerin trat daraufhin erneut an den Beklagten heran. Der Beklagte verzichtete mit Schreiben vom 16.12.1998 und nochmals mit Schreiben vom 12.04.2000 auf die Einrede der Verjährung nach § 113 des Zehnten Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB X), da der Ausgang eines ähnlichen Rechtsstreits abgewartet werden sollte. Auf Anfrage des Beklagten übersandte die Klägerin unter dem 11.05.2004 eine Kostenaufstellung über 7.598,64 Euro. Kosten berechnete sie erst ab dem 24.09.1996, weil der Beklagte bis zum 23.09.1996 an die Stadt D. erstattet habe. Die Hilfe sei mit Ablauf des 30.11.1997 wegen mangelnder Mitwirkung des Hilfeempfängers eingestellt worden.

Der Beklagte lehnte mit Schreiben vom 09.06.2004 unter Berufung auf ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts E. v. 15.01.2004 (Az.: xxx) eine Kostenerstattung ab, da der Kostenerstattungsanspruch nach § 108 BSHG aufgrund seines Schutzzwecks nach einem Umzug des Hilfeempfängers in den Zuständigkeitsbereich eines anderen Hilfeträgers nicht mehr anzuwenden sei.

Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 15.12.2005 Klage erhoben. Das Sozialgericht Meiningen, bei dem die Klage am 21.12.2005 eingegangen ist, hat den Rechtsstreit durch Beschluss vom 16.01.2006 an das Sozialgericht Frankfurt am Main verwiesen. Die Klägerin hat zur Begründung im Wesentlichen geltend gemacht, der Umzug von D. nach C. lasse den Kostenerstattungsanspruch nach § 108 BSHG nicht entfallen. Wegen des nur kurzen und vorübergehenden Aufenthalts von X. in D-Stadt sei fraglich, ob überhaupt von einem Umzug gesprochen werden könne. Die Ausführungen des OVG E. (und anschließend des Bundesverwaltungsgerichts in der entsprechenden Revisionsentscheidung vom 20.10.2005, Az.: xxx) zum Schutz...

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