Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebsprüfung. Beitragsnachforderung. Sozialversicherungspflicht. Personen, die auf einer Baustelle einfache, gleichförmige Arbeiten verrichten. abhängige Beschäftigung. keine Relevanz eines "Nachunternehmervertrages", der tatsächlich in keiner Weise gelebt wird. Indiz für Vorsatz hinsichtlich der Umgehung der gesetzlichen Sozialabgabenpflicht

 

Leitsatz (amtlich)

1. Personen, die auf einer Baustelle einfache, gleichförmige Arbeiten (Verkleidung von Säulen mit Brennschutzplatten) verrichten, bei denen ihnen das Material und das wesentliche Werkzeug vom Hauptauftraggeber gestellt wird und bei denen eine individuelle, auf einzelne Bauprojekte bezogene Preiskalkulation nicht stattfindet, sind abhängig beschäftigt.

2. Ein auf eine selbständige Tätigkeit hindeutender „Nachunternehmervertrag“ hat für die Statusbeurteilung keine Bedeutung, wenn dieser tatsächlich in keiner Weise gelebt wird.

3. Der Abschluss eines Nachunternehmervertrags, der mit den tatsächlichen Verhältnissen in keiner Weise übereinstimmt, ist ein Indiz für Vorsatz hinsichtlich der Umgehung der gesetzlichen Sozialabgabenpflicht.

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 25. Oktober 2019 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen, die ihre Kosten selbst tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Im Streit steht die Nachforderung von Beiträgen zur Sozialversicherung aufgrund der Tätigkeit der Beigeladenen zu 1) bis 3) für den Kläger in den Jahren 2013 und 2014 einschließlich der hierauf entfallenden Säumniszuschläge, insgesamt 103.624,46 €.

Der Kläger betrieb im streitgegenständlichen Zeitraum ein Einzelunternehmen für Trockenbau und Brandschutz. Als sozialversicherungspflichtig Beschäftigte führte er in dieser Zeit allein seine Ehefrau. Auftraggeberin des Klägers im streitgegenständlichen Zeitraum war die P. GmbH. Zur Durchführung der ihm von dieser erteilten Aufträge bediente sich der Kläger der Beigeladenen zu 1) bis 3).

Die Beigeladenen zu 1) bis 3) sind ungarische Staatsangehörige. Sie unterhielten - anfänglich mit weiteren wechselnden Gesellschaftern - bis zum Jahr 2015 eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die D.-Trockenbau GbR, für die sie ein Gewerbe anmeldeten. Die GbR war in die Handwerksrolle eingetragen, verfügte über eine sogenannte Freistellungsbescheinigung zum Steuerabzug bei Bauleistungen und erstellte (jedenfalls für die Jahre 2013 und 2014) vorläufige Einnahmen-Überschuss-Rechnungen. Als Firmensitz war ein Büro in der Nähe von E-Stadt („Internationaler Büroservice“ in F-Stadt) angegeben.

Der Kläger und die D.-Trockenbau GbR schlossen am 17. August 2013 einen Nachunternehmervertrag, als dessen Gegenstand in § 1 „die selbstständige Ausführung von jeweils separat spezifiziert vereinbarten Arbeiten“ durch die GbR genannt wurde. Der Vertrag enthält detaillierte Regelungen zu den anzuwendenden rechtlichen Grundlagen, der - laut Vertrag jeweils individuell zu erstellenden - Kalkulationen und Leistungsvereinbarungen, Auftragsschreiben, Abschlags- und Schlussrechnungen, zum Umfang der Gewährleistung, u. s. w.

Die Beigeladenen zu 1) bis 3) wurden in der Folge für den Kläger tätig, ohne dass dieser Sozialversicherungsbeiträge für sie entrichtete. Hierbei wurden gesonderte Auftragsschreiben - anders als im Nachunternehmervertrag vorgesehen - nicht erstellt. Hinsichtlich der für die Tätigkeit abgerechneten Leistungen führen die in der Verwaltungsakte der Beklagten befindlichen Rechnungen der GbR die Baustelle, den Leistungsmonat sowie (teilweise) die Anzahl der erstellten Promatverkleidungen auf. Weitere Angaben zur Konkretisierung der erbrachten Arbeiten enthalten die Rechnungen nicht.

Zu der durch die Beklagte durchgeführten Betriebsprüfung kam es aufgrund eines durch das Hauptzollamt Gießen eingeleiteten Ermittlungsverfahrens gegen den Kläger wegen des Verdachts des Vorenthaltens von Sozialversicherungsbeiträgen. Dem war eine gemäß §§ 2 ff. des Gesetzes zur Bekämpfung der Schwarzarbeit und illegalen Beschäftigung (Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz) am 12. Februar 2014 durchgeführte Überprüfung einer Baustelle in B-Stadt durch das Hauptzollamt Schweinfurt vorausgegangen, bei der unter anderem die Beigeladenen zu 1) bis 3) bei der Arbeit angetroffen worden waren. Ausweislich des Schlussberichts des HZA Gießen trugen sie gelbe Warnjacken mit dem Logo „P.“ und arbeiteten getrennt voneinander an der Anbringung von Dämmstoffplatten.

Bei der späteren Vernehmung durch das Hauptzollamt Gießen am 10. November 2015 erklärte der Beigeladene zu 2) unter anderem:

„[…] Aktuell sind F. F., mein Vater und ich noch in der GbR. Wir haben uns in G-Stadt von einer Frau beraten lassen. Sie hieß mit Vornamen H., aber den Nachnamen weiß ich nicht mehr. Sie hat auch den ersten GbR-Vertrag geschrieben. […] Zu der H. sind wir über eine zufällige ungarische Bekannte von der Straße gekommen. […] Wir haben eine GbR gegründet. Ich weiß...

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