Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialversicherung. Beitragspflicht von Fahrpreisvergünstigungen. geldwerter Vorteil. Pauschalbesteuerung nach § 40 EStG. Nachweislast. einmalig gezahltes Arbeitsentgelt. Indizwirkung der Entscheidungen der Steuerbehörden. Anwendung von § 23a SGB 4. Verfassungsmäßigkeit

 

Orientierungssatz

1. Eine auf der Grundlage des § 40 Abs 1 S 1 Nr 2 EStG erfolgte Lohnsteuerpauschalierung für sonstige Bezüge (hier: Fahrvergünstigungen) führt nicht zu deren Beitragsfreiheit.

2. Mit dem bloßen Hinweis, es bestehe eventuell noch die steuerrechtliche Möglichkeit, einen Lohnsteuerpauschalisierungsantrag nachträglich zu stellen, kann die Entscheidung über die Beitragspflicht nicht aufgeschoben werden.

3. Eine Lohnsteuerpauschalisierung nach § 40 Abs 1 S 1 Nr 1 EStG ist nach Abs 1 S 3 dieser Norm nur eröffnet, wenn der Arbeitgeber einem Arbeitnehmer sonstige Bezüge gewährt, die nicht mehr als 1000 € im Kalenderjahr ausmachen. Dabei trifft den Arbeitgeber die Nachweislast dafür, dass alle sonstigen Bezüge vollständig aufgezeichnet wurden und die Summe aller Vorteile die Pauschalisierungsgrenze nicht übersteigt.

4. Wenn es auch keine förmliche Bindung der Sozialversicherungsträger an Entscheidungen der Steuerbehörden gibt, so gilt zumindest, dass deren Entscheidungen eine starke Indizwirkung zukommt (BSG vom 11.7.1967 - 3 RK 1/64 = SozR Nr 23 zu § 160 RVO).

5. Die Heranziehung von § 23a SGB 4 für Sachverhalte aus der zweiten Jahreshälfte 2001 ist nicht verfassungswidrig. Der Gesetzgeber hat mit dem Gesetz zur Neuregelung der sozialversicherungsrechtlichen Behandlung von einmalig gezahltem Arbeitsentgelt - Einmalzahlungs-Neuregelungsgesetz (juris: EinmalZNRG) - vom 21.12.2000 (BGBl I 2000, 1971) den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts in dessen Beschluss vom 24.5.2000 - 1 BvL 1/98 = BVerfGE 102, 127 = SozR 3-2400 § 23a Nr 1) entsprochen, so dass § 23a SGB 4 weiter angewandt werden konnte.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 17.12.2014; Aktenzeichen B 12 KR 19/12 R)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 15. Juni 2009 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten im Berufungsverfahren noch über die Entrichtung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen auf pauschal versteuerte Fahrvergünstigungen für die Kalenderjahre 2001 und 2003.

Die Klägerin hatte ihren Arbeitnehmern verschiedene Fahrvergünstigungen (Freifahrten, Ermäßigung für Personalfahrten, Auslandsfahrten, Jahresnetzkarten, Schüler- und Ausbildungsfahrkarten, Urlaubsfahrten) gewährt. Die geldwerten Vorteile waren zum Teil pauschal versteuert worden, zum Teil unterblieb eine Versteuerung. Sozialversicherungsbeiträge waren nicht entrichtet worden.

Das Finanzamt F... hatte am 12. Mai 2003 eine Lohnsteueraußenprüfung über den Prüfzeitraum vom 1. Juni 1999 bis 31. Dezember 2002 durchgeführt und in seinem 1. Teilbericht über die Lohnsteueraußenprüfung vom 9. Februar 2004 festgestellt, dass es sich bei den Fahrvergünstigungen um steuerpflichtigen Arbeitslohn handele, der in Höhe von 12.256.686,00 € nicht steuerfrei sei. Die Zahl der Arbeitnehmer der Klägerin inklusive zugewiesene Beamte habe 52.954 Personen umfasst. Mit Nachforderungsbescheid vom 13. Februar 2004 hatte das Finanzamt die für die Jahre 1999 bis 2001 hierauf entfallende Lohnsteuer, Kirchensteuer und den Solidaritätszuschlag auf 6.214.284,34 € festgesetzt. Wegen der geprüften Sachverhalte und der Berechnungsgrundlagen verweist der Steuerbescheid auf den 1. Prüfungsbericht vom 9. Februar 2004. Darin heißt es unter der Überschrift Nachforderung, “auf Antrag des Arbeitgebers wird in den nachfolgenden Fällen die Lohnsteuer mit einem Pauschsteuersatz erhoben (§ 40 EStG)„. Am 18. Oktober 2004 hatte das Finanzamt F... gegenüber der Klägerin einen weiteren Nachforderungsbescheid über Lohnsteuer, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer über eine Nachforderung in Höhe von 44.474,61 € für die im Kalenderjahr 2003 gewährten Fahrvergünstigungen erlassen. Grundlage war der 2. Teilbericht über die Lohnsteueraußenprüfung vom 14. Oktober 2004 auf den im Steuerbescheid Bezug genommen wird. Hierin war festgestellt worden, dass die marktübliche Preiserhöhung bei der Ermittlung der steuerpflichtigen Sachbezugswerte für das Kalenderjahr 2003 bisher unberücksichtigt geblieben sei. Die Nachversteuerung der steuerpflichtigen geldwerten Vorteile der Fahrvergünstigungen war laut dem Prüfungsbericht ebenfalls auf Antrag des Arbeitgebers mit einem Pauschsteuersatz erhoben worden.

Aufgrund einer Betriebsprüfung nach § 28 p Abs. 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung - (SGB IV) am 1. November 2005 über den Prüfzeitraum vom 1. Dezember 2000 bis 31. Dezember 2003 forderte die Beklagte mit Bescheid vom 27. Dezember 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. Mai 2006 Gesamtsozialversicherungsbeiträge in Höhe von 3.391.734,94 € auf die ...

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