Entscheidungsstichwort (Thema)

Berücksichtigung eines Berufsgrundbildungsjahrs als Anrechnungszeit in Form einer berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Besuch eines Berufsgrundbildungsjahres beinhaltet eine Anrechnungszeit in Form einer berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme.

2. § 58 Abs 1 S 2 SGB VI enthält einen eigenständigen rentenrechtlichen Begriff der berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme.

3. Das Berufsgrundbildungsjahr endet regelmäßig mit der Aushändigung des Zeugnisses.

 

Orientierungssatz

Zum Leitsatz 1 vgl LSG Celle-Bremen vom 4.6.2014 - L 2/12 R 124/12 = juris RdNr 30.

 

Tenor

I. Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 19. Februar 2014 und der Bescheid der Beklagten vom 26. April 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Juli 2011 teilweise aufgehoben.

Die Beklagte wird verpflichtet, die Bescheide vom 10. Mai 2005 und 1. März 2011 teilweise zurückzunehmen und die Zeit vom 21. September 1979 bis 9. Juli 1980 als berufsvorbereitende Bildungsmaßnahme vorzumerken.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

II. Die Beklagte hat dem Kläger in beiden Instanzen dessen außergerichtliche Kosten zur Hälfte zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten im Wege des Überprüfungsverfahrens nach § 44 Sozialgesetzbuch, Zehntes Buch (SGB X) um die Vormerkung der Zeit vom 21. September 1979 bis 14. September 1980 als berufsvorbereitende Bildungsmaßnahme.

Der 1962 geborene Kläger hatte ausweislich des Abschlusszeugnisses der Schule für Lernbehinderte in C-Stadt vom 5. Juli 1979 im letzten Jahr am Unterricht des 9. Schuljahres teilgenommen und damit die gesetzliche Schulpflicht erfüllt. Im nachfolgenden Schuljahr 1979/1980 besuchte er dann das Berufsgrundbildungsjahr in vollzeitschulischer Form im Berufsfeld 03 b Holztechnik an der Berufsschule des D-kreises in D-Stadt (Zeugnis vom 9. Juli 1980). Im Anschluss daran begann der Kläger am 15. September 1980 eine Ausbildung als Bäcker, die er am 22. Juni 1983 mit Erfolg abschloss (Gesellenbrief der Kreishandwerkerschaft des D-kreises - Geschäftsstelle D-Stadt).

In seinem Antrag auf Kontenklärung am 18. Februar 2005 gab der Kläger unter anderem an, vom 21. September 1978 bis 31. August 1980 eine Schulausbildung absolviert zu haben.

Mit Bescheid vom 10. Mai 2005 stellte die Beklagte die im Versicherungsverlauf des Klägers enthaltenen und nicht bereits festgestellten Daten bis zum 31. Dezember 1998 als für die Beteiligten verbindlich fest, wobei die Zeit vom 1. August 1979 bis 14. September 1980 im beigefügten Versicherungsverlauf als Schulausbildung gekennzeichnet war. Mit weiterem Bescheid vom 12. Mai 2005 merkte die Beklagte auch die Zeiten vom 21. September 1978 bis 5. Juli 1979 und vom 6. Juli 1979 bis 31. Juli 1979 als schulische Ausbildung vor und wies sie dementsprechend im Versicherungsverlauf des Klägers als Schulausbildung aus. Hiergegen erhob der Kläger mit der Begründung Widerspruch, dass die Zeit vom 21. September 1978 bis 9. Juli 1980 als Anrechnungszeit wegen Fachschulausbildung anzuerkennen sei. Nachdem die Beklagte diesen Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 27. September 2005 als unbegründet zurückgewiesen hatte, erhob der Kläger vor dem Sozialgericht Gießen Klage, die er am 18. Januar 2006 zurücknahm (Az.: S 13 R 583/05).

Durch weiteren Bescheid vom 1. März 2011 stellte die Beklagte die im Versicherungsverlauf des Klägers enthaltenen und nicht bereits festgestellten Daten bis zum 31. Dezember 2004 als für die Beteiligten verbindlich fest, wobei nunmehr im Versicherungsverlauf die Zeit vom 21. September 1979 bis 9. Juli 1980 als Schulausbildung sowie die Zeit vom 10. Juli 1980 bis 14. September 1980 als Übergangszeit gekennzeichnet waren.

Mit Schriftsatz vom 10. März 2011 beantragte der Kläger erneut die Anerkennung der Zeit vom 21. September 1979 bis 14. September 1980 als Anrechnungszeit wegen Fachschulausbildung, die bislang unzutreffend als Anrechnungszeit wegen Schulausbildung in Ansatz gebracht worden sei. Während des von ihm absolvierten Berufsgrundbildungsjahres sei die überwiegende Anzahl der unterrichteten Fächer berufsbezogen und nicht allgemeinbildend gewesen.

Mit Bescheid vom 26. April 2011 lehnte die Beklagte diesen Antrag ab, weil bei Erlass der Bescheide vom 10. Mai 2005, 12. Mai 2005 und 1. März 2011 weder das Recht unrichtig angewandt noch von einem Sachverhalt ausgegangen worden sei, der sich als unrichtig erwiesen habe. Insoweit werde auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid vom 27. September 2005 Bezug genommen.

Hiergegen erhob der Kläger mit Schriftsatz vom 11. Mai 2011 Widerspruch, den die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 21. Juli 2011 zurückwies, weil das Berufsgrundbildungsjahr grundsätzlich der Schulausbildung zuzuordnen sei und keine Fachschulausbildung darstelle.

Zur Begründung seiner am 2. August 2011 vor dem Sozialgericht Gießen erhobenen Klage machte der Kläger geltend, seine Unterrichtsfächer im Berufsgrundbildu...

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