Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Krankenversicherung

 

Leitsatz (amtlich)

Die „gerichtliche Geltendmachung“ in § 325 SGB V a.F. umfasst jede Form der Rechtsdurchsetzung, sowohl aktiv als auch passiv und damit nicht nur die gerichtliche Klageerhebung, sondern auch die Aufrechnung.

Der Ausschlusswirkung des § 325 SGB V a.F. steht nicht entgegen, dass diese Vorschrift erst am 1. Januar 2019 in Kraft getreten ist und damit zum Zeitpunkt der streitgegenständlichen Aufrechnung noch nicht galt.

Der Anwendung des § 325 SGB V a.F. stehen vorliegend auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken entgegen.

Zum Einwand mangelnden wirtschaftlichen Alternativverhaltens aufgrund der nicht angewandten Beurlaubungsregelung.

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Marburg vom 31. Juli 2020 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 2.598,26 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 30. November 2018 zu zahlen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Im Streit steht die Vergütung von zwei zeitlich auseinanderliegenden stationären Behandlungsmaßnahmen, insbesondere die Frage, ob diese getrennt oder zusammen abzurechnen sind.

Die bei der Beklagten gesetzlich krankenversicherte D. H. (nachfolgend Versicherte) wurde in dem zur Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung zugelassenen Krankenhaus der Klägerin im Zeitraum vom 22. bis 25. August 2016 und vom 17. bis 25. Oktober 2016 stationär behandelt. Von der Klägerin wurde gegenüber der Beklagten für den ersten Krankenhausaufenthalt mit Rechnung vom 30. September 2016 ein Gesamtbetrag von 1.998,26 € unter Zugrundelegung der DRG 168D (nicht operativ behandelte Erkrankungen und Verletzungen im Wirbelsäulenbereich, mehr als ein Belegungstag, oder andere Femurfraktur, außer bei Diszitis oder infektiöser Spondylopathie, ohne Kreuzbeinfraktur) und für den zweiten Krankenhausaufenthalt mit Rechnung vom 1. Dezember 2016 ein Gesamtbetrag von 6.953,04 € unter Zugrundelegung der DRG I10B (andere Eingr. an der WS mit best. kompl. Eingr. od. Halotraktion od. Para-/Tetrapl. od. Wirbelfraktur mit best. Eingr. an WS, Spinalkanal und Bandscheibe ohne äuß. schw. CC od. best. and. Operationen an der WS mit äuß. schw. CC und ≫ 1 BT) geltend gemacht.

Die Beklagte beglich zunächst beide Rechnungen vollumfänglich und leitete anschließend ein Prüfverfahren ein. Dabei kam der Medizinische Dienst der Krankenversicherung Nordrhein (MDK) durch den Facharzt für Orthopädie Dr. T. E. in einem Gutachten vom 18. April 2017 bezüglich der Notwendigkeit und ordnungsgemäßen Abrechnung des ersten Aufenthalts zu keinen Beanstandungen. Daraufhin stellte die Klägerin am 26. April 2017 eine Aufwandspauschale in Höhe von 300,00 € in Rechnung, die von der Beklagten am 9. Mai 2017 beglichen wurde. Bezüglich des zweiten Aufenthalts wurde durch den MDK (erneut Dr. T. E.) mit Gutachten vom 22. Juli 2017 ausgeführt, bei der Versicherten sei im Rahmen der präoperativ erforderlichen Diagnostik während des ersten Aufenthalts ein arterieller Hochdruck neu entdeckt worden. Daher sei sie am 25. August 2016 zur weiteren internistischen Klärung und medikamentösen Einstellung dieser Erkrankung entlassen worden. Die geplante Wiederaufnahme zur Operation sei bei der Entlassung auf den 17. Oktober 2016 festgelegt worden. Es handele sich bei der Aufnahme am 17. Oktober 2016 nicht um eine komplikationsbedingte, sondern um eine bereits bei der Entlassung am 25. August 2016 geplante Wiederaufnahme. Es wäre auch eine Beurlaubung zur weiteren internistischen Klärung und medikamentösen Einstellung dieser Erkrankung angemessen gewesen.

Mit Schreiben vom 3. August 2017 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass nach dem Ergebnis der Prüfung des MDK eine Zusammenlegung der Krankenhausaufenthalte erfolgen müsse. Bei der Entlassung am 25. August 2017 handele es sich um eine Beurlaubung im Sinne des § 1 Abs. 7 FPV 2016, da die erneute Wiederaufnahme nach medikamentöser Einstellung und weitere internistische Abklärung bereits zu diesem Zeitpunkt geplant gewesen seien. Aufgrund der Fallzusammenlegung sei allein die DRG I108 mit einem Relativgewicht von 2,116 zu kodieren. Hierdurch resultiere eine Erstattungsforderung i.H.v. 2.598,26 €. In dieser Höhe nahm die Beklagte am 29. November 2018 die Aufrechnung mit weiteren unstreitigen Behandlungsfällen der Klägerin vor.

Die Klägerin hat hiergegen am 5. Juni 2019 Klage vor dem Sozialgericht Marburg erhoben. Zur Begründung hat sie vorgetragen, ihr stehe die Vergütung in vollem Umfang zu, da eine Fallzusammenführung nicht durchzuführen sei. Die Fälle seien entsprechend § 8 KHEntgG getrennt abzurechnen, da keiner der Fallzusammenführungstatbestände der FPV einschlägig sei. Eine Fallzusammenführung sei auch nicht aufgrund der Rechtsprechung zum fiktiven wirtschaftlichen Alternativverhalten vorzunehmen. Die Versicherte habe zwingend zunächst ...

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