Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld II. Unterkunftskosten. Anforderung an die Angemessenheitsprüfung. Berücksichtigung von Mietpreisgefällen. konkrete Verfügbarkeit angemessener Unterkünfte. keine Pflicht des Leistungsträgers zur Unterbreitung eines konkreten Mietangebots. Umzug in eine andere Gemeinde. Untergrenze der Wohnfläche

 

Leitsatz (amtlich)

1. Haben Grundsicherungsträger zur Bestimmung der Angemessenheitsgrenze für die Unterkunftskosten eigene Mietdaten auszuwerten (vgl BSG vom 7.11.2006 - B 7b AS 18/06 R = NDV-RD 2007, 34), müssen sie den örtlichen Wohnungsmarkt nachvollziehbar abbilden. Gefordert sind Angaben zu allen relevanten Bestimmungsgrößen einschließlich der Anmietungszeitpunkte. Datenquellen sind jedenfalls verwertbar, solange sie vollständig, fortlaufend und nicht nur sporadisch erhoben sind. In Anlehnung an die Regelung zu den Mietspiegeln im BGB soll eine Aktualisierung regelmäßig spätestens nach 2 Jahren beginnend mit dem letzten Erhebungsstand erfolgen.

2. Um in einem Landkreis den örtlichen Wohnungsmarkt festzulegen, kann ein Mietpreisgefälle zu berücksichtigen sein. Ein solches kann sich aus im Landkreis geltenden unterschiedlichen Mietstufen der Tabelle zu § 8 WoGG 2 ergeben.

3. Grundsicherungsträger haben zur Bestimmung der konkreten Angemessenheitsgrenze trotz des Erfordernisses einer Unterkunftsalternative dem Hilfebedürftigen kein konkretes Mietangebot zu unterbreiten.

 

Orientierungssatz

1. Ein Umzug in einen anderen Wohnort, der mit einer Aufgabe des sozialen Umfeldes verbunden wäre, kann vom Hilfebedürftigen im Regelfall nicht verlangt werden. Dies bedeutet jedoch nicht, dass sich der räumliche Vergleichsmaßstab strikt am kommunalverfassungsrechtlichen Begriff der "Gemeinde" nach dem jeweiligen landesrechtlichen Kommunalrecht orientieren muss.

2. Nach Einschätzung des Senats ist eine Wohnung mit einer Wohnfläche von weniger als 35qm für eine Person nicht zumutbar.

 

Tenor

I. Die Berufungen der Klägerin und der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 9. Oktober 2006 werden zurückgewiesen.

II. Die Beklagte hat der Klägerin die Kosten des Berufungsverfahrens zur Hälfte zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten noch darüber, in welcher Höhe die Beklagte die Bruttokaltmiete der Klägerin für die Zeit vom 1. Juli 2005 bis zum 31. Oktober 2005 zu übernehmen hat.

Die im Jahr 1963 geborene Klägerin ist erwerbsfähig und verfügt jedenfalls seit dem 1. Januar 2005 weder über Einkommen noch Vermögen. Sie bewohnt seit 1983 eine 52,7 m² große Zwei-Zimmer-Wohnung in A-Stadt mit Zentralheizung, aber dezentraler Warmwasserversorgung. A-Stadt gehört mit seinen Stadtteilen T-Stadt, Z-Stadt, W-Stadt, F-Stadt, FH-Stadt, R-Stadt, D-Stadt, A-Stadt, M-Stadt, RH-Stadt, N-Stadt, T-Stadt und A.Stadt zum Schwalm-Eder-Kreis. Die Gemeinden des Schwalm-Eder-Kreises sind den Mietstufen I und II der Tabelle zu § 8 WoGG zugeordnet. Für A-Stadt, ein Mittelzentrum mit ca. 20.000 Einwohnern ist wie auch für die Städte B-Stadt, F-Stadt, H-Stadt (E.-Stadt) und M.Stadt die Mietstufe II maßgeblich. Das Haus, in dem sich die Wohnung der Klägerin befindet, wurde 1961 gebaut. Eigentümerin ist die Wohnstadt Stadtentwicklungs-und Wohnungsbaugesellschaft H. mbH (Wohnstadt) als kommunaler Wohnungsträger. Die Nettomiete beträgt monatlich 229,00 €. Die umlagefähigen Betriebskosten betrugen ausweislich der Angaben der Klägerin im Leistungsantrag vom 30. August 2004 58,57 € monatlich. Mit Bewilligungsbescheid vom 29. Oktober 2004 übernahm die Beklagte für den Bewilligungszeitraum vom 1. Januar 2005 bis zum 30. April 2005 die Bruttokaltmiete in voller Höhe von 287,57 €.

Zugleich wies sie die Klägerin darauf hin, die Kosten der Unterkunft (KdU) könnten spätestens ab dem 1. Juli 2005 nur noch in angemessener Höhe übernommen werden. Angemessen sei eine Bruttokaltmiete in Höhe von 210,00 €. Daneben forderte sie die Klägerin auf, die KdU durch Wohnungswechsel, Vermieten oder auf andere Weise zu senken. Auf den Fortzahlungsantrag der Klägerin vom 18. April 2005 bewilligte die Beklagte der Klägerin mit Bescheid vom 2. Mai 2005 für den Zeitraum vom 1. Mai 2005 bis zum 30. Juni 2005 die Bruttokaltmiete in derselben Höhe wie zuvor; senkte den Betrag aber ab 1. Juli 2005 bis zum Ende des Bewilligungszeitraumes zum 31. Oktober 2005 auf die ihrer Ansicht nach angemessene Bruttokaltmiete in Höhe von 210,00 € ab. Hiergegen legte die Klägerin am 1. Juni 2005 Widerspruch ein. Zur Begründung führte sie hinsichtlich der Bruttokaltmiete aus, ihre Bruttokaltmiete sei weiterhin in voller Höhe als angemessen zu übernehmen. Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 25. Juli 2005 als unbegründet zurück. Hinsichtlich der Bruttokaltmiete stützte sie sich auf die für A-Stadt geltende Mietstufe II im Sinne der Tabelle zu § 8 WoGG in Verbindung mit den hierzu getroffenen Festsetzungen des Landkreises Schwalm-Eder. Danach sei nur eine Bruttokaltmiete bis zu einem Höchstbetrag ...

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