Entscheidungsstichwort (Thema)

Eingliederungszuschuss für einen Arbeitnehmer

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Arbeitgeber können zur Eingliederung von förderungsbedürftigen Arbeitnehmern Zuschüsse zu den Entgelten zum Ausgleich von Minderleistungen erhalten. Förderungsbedürftig sind Arbeitnehmer, die ohne die Leistung nicht oder nicht dauerhaft in den Arbeitsmarkt eingegliedert werden können.

2. Das Erfordernis der Minderleistung ist keine echte Anspruchsvoraussetzung. Der Begriff ist lediglich Ausdruck einer allgemeinen Zielsetzung der Eingliederungszuschüsse, die im Rahmen der Ermessensausübung zu berücksichtigen ist. Das Erfordernis soll nur den Leistungszweck festlegen. In den in § 218 f. SGB III normierten Fällen geht der Gesetzgeber typisierend davon aus, dass eine Minderleistung zu erwarten ist.

3. Die Arbeitsagentur hat eine Prognoseentscheidung zur Beurteilung der Frage zu treffen, ob die zu fördernde Person ohne die Leistung nicht oder nicht dauerhaft in den Arbeitsmarkt eingegliedert werden kann. Dabei hat die Arbeitsagentur die in der Person liegenden Umstände und die Situation am Arbeitsmarkt zu berücksichtigen.

 

Normenkette

SGB III § 217 S. 1, § 218 Abs. 1; SGB X § 35 Abs. 1 S. 3

 

Verfahrensgang

SG Wiesbaden (Aktenzeichen S 5 AL 813/01)

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Gewährung eines Eingliederungszuschusses für eine ältere Arbeitnehmerin über die bewilligten 16 Monate hinaus für weitere 8 Monate.

Der Kläger betreibt eine Rechtsanwaltskanzlei. Am 19. Februar 2001 beantragte er einen Eingliederungszuschuss für die Einstellung der Rechtsanwaltsfachangestellten Frau S. S., geb. 1950, für die Dauer von 24 Monaten in Höhe von 50 % des für die Bemessung berücksichtigungsfähigen Arbeitsentgelts von 4.500,00 DM monatlich. Nach dem am 1. März 2001 geschlossenen Anstellungsvertrag begann das Beschäftigungsverhältnis am selben Tag.

Mit Bescheid vom 30. März 2001 bewilligte die Beklagte dem Kläger einen Eingliederungszuschuss in Höhe von 2.712,38 DM monatlich (Förderungssatz 50 %) für den Förderungszeitraum vom 1. März 2001 bis zum 30. Juni 2002.

Mit Schreiben vom 10. April 2001 legte der Kläger Widerspruch gegen den Bescheid vom 30. März 2001 ein. Zur Begründung führte er aus, nach den gesetzlichen Bestimmungen sei ein Förderungszeitraum von 24 Monaten möglich, der von ihm auch beantragt worden sei.

Mit Widerspruchsbescheid vom 5. Juli 2001 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Die Regelförderungsdauer von 24 Monaten sei vorliegend in Ausübung sachgerechten Ermessens zutreffend auf 16 Monate begrenzt worden. Es sei im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben der §§ 217 ff. Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) angesichts des beschränkten Haushaltsvolumens zu berücksichtigen, dass auch im Interesse der Solidargemeinschaft der Beitragszahler mit der Inanspruchnahme des Eingliederungszuschusses der größtmögliche Erfolg erzielt werde. Es habe u.a. sichergestellt werden müssen, dass die diesem Förderungszweck zugewiesenen Haushaltsmittel einem möglichst großen Personenkreis zugute kämen. Es sei auch nicht erkennbar, dass die Gewährung des Eingliederungszuschusses für 16 Monate anstatt der beantragten 24 Monate den beabsichtigten Leistungszweck gefährde. Darüber hinaus abzuwägende Besonderheiten habe der Kläger weder vorgetragen noch seien solche erkennbar.

Der Kläger hat am 11. Juli 2001 bei dem Sozialgericht Wiesbaden Klage erhoben. Zur Begründung hat er ausgeführt, eine Mitarbeiterin des Arbeitsamtes F. habe ihm fernmündlich die Gewährung eines Eingliederungszuschusses für die Dauer von 24 Monaten zugesagt. Da seine Kanzlei erst seit 2 ½ Jahren existiere und er mit einem erheblichen Kostendruck zu kämpfen habe, habe er Frau S. nur unter der Voraussetzung der Bewilligung eines Eingliederungszuschusses für zwei Jahre eingestellt. Auch gewähre die Beklagte üblicherweise einen Eingliederungszuschuss für 24 Monate, so dass die Bewilligung lediglich für einen kürzeren Zeitraum einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) darstelle. Die Beklagte könne sich auch nicht darauf berufen, im August 2001 seien bereits mehr als 85 % der vorhandenen Haushaltsmittel verausgabt worden.

Entscheidend sei insoweit das Datum der Antragstellung.

Die Beklagte ist dem Begehren des Klägers entgegengetreten. Sie hat ausgeführt, die Begrenzung der Regelförderungsdauer auf 16 Monate sei ab 1. Januar 2001 erfolgt. Trotz restriktiver Mittelbewirtschaftung seien am 16. August 2001 bereits 85,37 % der vorhandenen Haushaltsmittel verausgabt bzw. gebunden gewesen.

Mit Urteil vom 4. November 2003 hat das Sozialgericht Wiesbaden den Bescheid der Beklagten vom 30. März 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. Juli 2001 abgeändert und die Beklagte verurteilt, dem Kläger den Eingliederungszuschuss über den 30. Juni 2002 hinaus für weitere 8 Monate zu gewähren. Zur Begründung hat das Sozialgericht ausgeführt, die angefochtenen Bescheide seien rechtswidrig, weil die Beklagte bezüglich des Umfangs der Minderleistung ...

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