Entscheidungsstichwort (Thema)

Korrektur eines auf Grundlage von § 118 Abs 4 S 1 SGB 6 ergangenen Bescheides nach Maßgabe des § 45 SGB 10. Auswirkungen bestehender Hinterbliebenenrentenansprüche auf die Erstattungspflicht nach § 118 Abs 4 S 1 SGB 6. kein Verbot der reformatio in peius für Kostenentscheidungen

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Rentenversicherungsträger kann einen einmal ergangenen Bescheid, mit dem die Erstattung von nach dem Tod des Versicherten überzahlten Rentenleistungen verlangt wird, zu Lasten des Empfängers bzw Verfügenden nur nach Maßgabe des § 45 SGB X korrigieren.

2. Das Bestehen von Hinterbliebenenansprüchen beeinflusst nicht die Höhe der überzahlten Rentenleistungen und wirkt sich somit auf die Erstattungspflicht nach § 118 Abs 4 S 1 SGB VI nicht aus.

 

Orientierungssatz

Das Verbot der reformatio in peius gilt für Kostenentscheidungen nicht (vgl BSG vom 10.9.1987 - 10 RAr 10/86 = BSGE 62, 131 = SozR 4100 § 141b Nr 40).

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 20.05.2020; Aktenzeichen B 13 R 4/18 R)

 

Tenor

I. Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 28. April 2015 abgeändert und die Bescheide der Beklagten vom 13. August 2013 und 18. November 2013 aufgehoben.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

II. Von den Kosten des Verfahrens trägt der Kläger 8/9 und die Beklagte 1/9.

III. Der Streitwert für den Rechtsstreit wird auf 78.310,53 € festgesetzt.

IV. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Erstattung überzahlter Rentenleistungen in Höhe von 78.310,53 €.

Der Kläger ist eines der leiblichen Kinder des 1926 geborenen Versicherten C. A., der von der Landesversicherungsanstalt (LVA) Hessen als Rechtsvorgängerin der Beklagten ab 1. April 1980 zunächst eine Erwerbsunfähigkeitsrente bezog (Rentenbescheid vom 18. Juli 1980), die mit Wirkung zum 1. November 1991 in Altersruhegeld umgewandelt wurde (Rentenbescheid vom 4. Mai 1994). Das Altersruhegeld wurde auf das Konto des Versicherten bei der EX. Bank Privat- und Geschäftskunden E-Stadt (EX.) überwiesen.

Mit Schreiben vom 14. Juli 2011 teilte das Bundeszentralamt für Steuern der Beklagten mit, dass der von ihr in Bezug auf den Versicherten übermittelte und am 16. April 2011 erstellte Datensatz zurückgewiesen worden sei. Es habe insoweit keine eindeutige Zuordnung zu einer Identifikationsnummer vorgenommen werden können, weil für Versicherte, die vor dem 1. Januar 2007 verstorben seien, keine solche Nummer vergeben werde.

Auf ihre Anfrage hin erhielt die Beklagte vom Standesamt A-Stadt die Auskunft, dass der Versicherte am xx. Juli 1994 in D./Türkei verstorben sei, eine Sterbeurkunde allerdings nicht erhältlich sei (Mitteilung vom 17. August 2011). Daraufhin wurden die Rentenzahlungen an den Versicherten mit Ablauf des Monats September 2011 eingestellt (Mitteilung des H. Rentenservice vom 1. September 2011).

Mit Schreiben vom 11. Oktober 2011 forderte die Beklagte von der E. Bank EX. überzahlte Rentenleistungen in Höhe von 69.934,49 € zurück. Außerdem bat sie um Auskunft über Name und Anschrift der Kontoverfügungsberechtigten sowie Erben und Angehörigen des Versicherten.

Mit Schreiben vom 23. Januar 2012 teilte die E. Bank EX. der Beklagten mit, dass der Kläger und F. A., seine Schwester, über das Konto des Versicherten verfügungsberechtigt seien. Außerdem übersandte sie die Kontoumsätze für den Zeitraum vom 1. Januar 1995 bis 30. September 2011. Die Umsätze für die Zeit vor dem 1. Januar 1995 lägen ihr nicht mehr vor.

Ausweislich des Vermerks der Beklagten vom 31. Januar 2012 ergab die Auswertung der Kontoumsätze unter anderem, dass das Geldinstitut zur Deckung der Kosten für den Kontoabschluss insgesamt 1.542,32 € verwendet und der Kläger zusammengerechnet Zahlungen in Höhe von 60.655,94 € empfangen habe. Die überzahlten Rentenleistungen beliefen sich auf 69.946,35 €.

Mit Schreiben vom 6. Februar 2012 hörte die Beklagte den Kläger zu ihrer Absicht an, von ihm 69.946,35 € erstattet zu verlangen. Von der ihm eingeräumten Möglichkeit zur Stellungnahme machte der Kläger mit Schriftsatz vom 22. Februar 2012 Gebrauch, indem er seine Kontoverfügungsbefugnis einräumte, aber vorbrachte, die Gelder nicht vereinnahmt zu haben. Er habe die Rente zunächst an seinen in der Türkei lebenden Vater überwiesen. Nach dessen Tod sei er davon ausgegangen, dass es sich bei den Rentenzahlungen um die Witwenrente seiner heute noch in der Türkei lebenden Mutter handele. Er sei nicht bereichert.

Mit Bescheid vom 28. Februar 2012 stellte die Beklagte eine vom Kläger zu erstattende Überzahlung von 69.946,35 € fest. Zur Begründung führte sie aus, dass der Versicherte am xx. Juli 1994 verstorben sei. Die über den Sterbemonat hinaus überwiesenen Rentenleistungen seien daher zu Unrecht erbracht worden. Über diese Rentenleistungen habe der Kläger verfügt.

Hiergegen erhob der Kläger mit Schriftsatz vom 19. März 2012 Widerspruch. Eine Überzahlung in Höhe von 69.946,35 € könne schon deshalb nicht vorliegen, weil die seiner Mutter zustehende W...

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