Entscheidungsstichwort (Thema)

Voraussetzungen der 30-jährigen Verjährung von Rentenversicherungsbeiträgen

 

Orientierungssatz

1. Ansprüche auf vorsätzlich vorenthaltene Versicherungsbeiträge verjähren nach § 25 Abs. 1 S. 2 SGB 4 in 30 Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden sind. Vorsätzlich i. S. des bedingten Vorsatzes handelt, wer einen Erfolg für möglich hält und diesen billigend in Kauf nimmt. Ausreichend hierzu ist u. a. die Kenntnis von der Beitragspflicht aufgrund des Hinweises des Versicherungsträgers anlässlich einer Betriebsprüfung.

2. Hierbei ist unbeachtlich der Zeitpunkt der Kenntnisnahme von der rechtskräftigen Entscheidung über die Rentenversicherungspflicht. Ebenso, ob und gfs. wann der Betroffene den Ausgang dieses Verfahrens hat voraussehen können. Die Kenntnis von dem anhängig gemachten Klageverfahren ist ausreichend.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 05.04.2018; Aktenzeichen B 12 KR 50/17 B)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Darmstadt vom 17. März 2016 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert wird auf 23.870,66 € festgesetzt

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist (noch) streitig, ob der Kläger für seine Ehefrau, der Beigeladenen zu 1., aufgrund deren Tätigkeit für die von ihm betriebene Gaststätte Rentenversicherungsbeiträge zu entrichten hat.

Der Kläger war alleiniger Inhaber einer Speisegaststätte. Für diesen Betrieb war die Beigeladene zu 1., die seit dem 1. April 1991 bei der Beklagten versichert war/ist, tätig.

Die Beigeladene zu 1. beantragte am 25. September 2005 die versicherungsrechtliche Beurteilung ihrer Tätigkeit im Betrieb des Klägers bei der Beigeladenen zu 2. (früher: KKH-Allianz bzw. Kaufmännische Krankenkasse Heilbronn) als Einzugsstelle. Im Rahmen dieses Verwaltungsverfahrens teilte die Beigeladene zu 3. der Beigeladenen zu 2. mit, dass sie die Beigeladene zu 1. als abhängig beschäftigt einstufe. Mit Bescheid vom 6. Juni 2006 stellte die Beigeladene zu 2. fest, dass die Beigeladene zu 1. seit dem 1. April 1991 als abhängig beschäftigt angesehen werde und der Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung unterliege. Dagegen legte die Beigeladene zu 1. Widerspruch ein.

Mit Abhilfebescheid vom 7. August 2008 hob die Beigeladene zu 2. den Bescheid vom 6. Juni 2006 auf. Ab dem 1. April 1991 bestehe keine abhängige Beschäftigung. Ferner wurde mitgeteilt, dass für die Erstattung der Beiträge zur Renten- und Arbeitslosenversicherung die jeweiligen Sozialversicherungsträger selbst zuständig seien. Die Erstattung sei dort direkt zu beantragen.

Nachdem die Beigeladene zu 3. infolge des Erstattungsantrages der Beigeladenen zu 1. vom 22. August 2006 von der Abhilfeentscheidung erfahren hatte, bat sie die Beigeladene zu 2. um Aufhebung des Bescheides vom 7. August 2006. Diese erklärte mit Schreiben vom 13. Dezember 2006, dass sie an dem Bescheid festhalte. Daraufhin erhob die Beigeladene zu 3. am 30. Januar 2007 Klage gegen die Beigeladene zu 2. vor dem Sozialgericht Berlin (S 166 KR 558/07). Das Sozialgericht Berlin hob - nach Beiladung der KKH-Pflegekasse, der Bundesanstalt für Arbeit, des Klägers und der Beigeladenen zu 1. - den Bescheid vom 7. August 2006 mit Urteil vom 8. Februar 2010 hinsichtlich der Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung auf. Die Beigeladene zu 1. sei bei dem Kläger abhängig beschäftigt gewesen. Hiergegen legten der Kläger und die Beigeladene zu 1. Berufung vor dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg ein (L 1 KR 78/10).

Nach der Betriebsprüfung am 7. Oktober 2010 (Prüfzeitraum 1. Januar 2006 bis 31. Dezember 2009) teilte die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 11. Oktober 2010 mit, dass die Rentenversicherungspflicht der Beigeladenen zu 1. streitbefangen sei und eine Entscheidung des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg noch nicht vorliege. Der Kläger solle sicherstellen, dass nach Rechtskraft die sozialgerichtliche Entscheidung auch hinsichtlich des Prüfzeitraums 1. Januar 2006 bis 31. Dezember 2009 ausgewertet werde. Anlässlich der nächsten Betriebsprüfung würde sie, die Beklagte, die ordnungsgemäße Auswertung überprüfen. Sofern keine Auswertung erfolge, würden ggf. Säumniszuschläge fällig werden.

Mit Beschluss vom 30. August 2011 wies das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg die Berufung zurück. Es sei von einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis der Beigeladenen zu 1. auszugehen. Daher bestehe Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung.

In der Zeit vom 21. Juli 2014 bis 3. November 2014 fand eine Betriebsprüfung bei der für den Kläger tätigen Steuerberatungsgesellschaft für den Zeitraum 1. Januar 2010 bis 31. Dezember 2011 statt. Dabei stellte die Beklagte fest, dass bis zum Abschluss der Betriebsprüfung am 4. November 2014 keine Auswertung der rechtskräftigen Entscheidung des Landessozialger...

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