Entscheidungsstichwort (Thema)

Leistungen der Grundsicherung. Einstweilige Anordnung. Anordnungsgrund. Drohende Wohnungslosigkeit. Räumungsklage. Hilfebedürftigkeit. Verschleierung von Vermögen. Prozessverhalten. Fehlender Nachweis. Nicht nachprüfbare Sachverhaltsangaben

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Besonderer Anlass für ein Eintreten des Grundsicherungsträgers wegen drohender Wohnungslosigkeit wegen ausstehender Mietzahlungen besteht im Rahmen eines Antrages auf einstweiligen Rechtsschutz nach § 34 Abs. 2 SGB XII, wenn bei einem Gericht eine Klage auf Räumung von Wohnraum eingegangen ist. Kann der Antragsteller noch nach § 568 Abs. 3 Nr. 2 S. 1 BGB seine drohende Wohnungslosigkeit durch Nachzahlung der fälligen Miete bzw. Entschädigung binnen zwei Monaten nach Eintritt der Rechtshängigkeit der Räumungsklage abwenden, ist der ihm drohende Nachteil noch nicht irreversibel.

2. Zweifel an der Hilfebedürftigkeit, die eine einstweilige Anordnung von Sozialhilfeleistungen ausschließen, können bestehen, wenn dem Antragsteller früher Vermögen zugeflossen ist, er dieses gegenüber der Behörde zu verschleiern suchte und zum Verbleib des Vermögens oder zu Einnahmen lediglich nicht nachprüfbare oder mit der Lebenserfahrung unvereinbare Sachverhaltsangaben macht.

 

Normenkette

SGG § 86b Abs. 2; SGB XII § 34 Abs. 1 S. 1, Abs. 2, § 19 Abs. 2; BGB § 568

 

Verfahrensgang

SG Gießen (Beschluss vom 07.11.2005; Aktenzeichen S 18 SO 185/05 ER)

 

Tenor

I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Gießen vom 7. November 2005 wird zurückgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander im Verfahren L 9 SO 40/05 ER keine Kosten zu erstatten.

 

Tatbestand

I.

Die Antragstellerin wendet sich gegen die Versagung von einstweiligem Rechtsschutz ab 29. September 2005 zur Erlangung von Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII).

Die 1934 geborene Antragstellerin beantragte – zusammen mit ihrem am 30. April 2003 verstorbenen Ehemann – am 10. Dezember 2002 bei dem Antragsgegner die Gewährung von Leistungen nach dem Grundsicherungsgesetz (GSiG). Auf ihr Konto Nr. XXXXX bei der Sparkasse G. ging am 26. Juni 2003 eine Gutschrift der V.-Lebensversicherung AG, D., über 23.152,12 EUR ein. Der Antragsgegner lehnte durch Bescheid vom 14. Januar 2004 den GSiG-Antrag mangels Hilfebedürftigkeit ab. Die Antragstellerin erhob dagegen am 29. Januar 2004 Widerspruch mit der Begründung, sie habe das Barvermögen jetzt aufgebraucht. Auf ihr Sparkassenkonto ging sodann am 25. Juni 2004 eine Gutschrift der FSB Bank GmbH über 23.246,22 EUR ein. Die Antragstellerin hielt am 9. September 2004 ihren Widerspruch aufrecht und bekräftigte den Verbrauch ihrer Mittel. Sie erhob am 4. Januar 2005 bei dem Verwaltungsgericht G. (Geschäftsnummer XXXXX) Untätigkeitsklage wegen des ausstehenden Widerspruchsbescheides, welche durch Beschluss vom 15. Februar 2005 an das Sozialgericht Gießen verwiesen wurde. Dort machte sie geltend, sie habe keine Einkünfte – außer ihren zwei Renten – und auch kein Vermögen mehr; auch die FSB-Zahlung vom 25. Juni 2004 habe sie verlebt. Der Antragsgegner erteilte am 11. August 2005 den Widerspruchsbescheid, durch den der Widerspruch der Antragstellerin als unbegründet zurückgewiesen wurde, weil mit Rücksicht auf Geldzuwendungen in der Vergangenheit von insgesamt 46.398,34 EUR weiter keine Hilfebedürftigkeit vorliege, nachdem ein Vermögensverbrauch lediglich in Höhe von insgesamt 16.824,61 EUR nachgewiesen sei. Die Antragstellerin führt die ursprüngliche Untätigkeitsklage seitdem als Anfechtungs- und Verpflichtungsklage mit dem Ziel der Erlangung von GSiG-Leistungen ab ihrem „zweiten Antrag im September 2004” (Schriftsatz vom 13. Oktober 2005, in: S 18 SO 185/05 ER) fort; das Klageverfahren dauert an (S 20 SO 19/05). Das Sozialgericht Gießen lehnte durch Beschluss vom 7. November 2005 das Prozesskostenhilfegesuch der Antragstellerin wegen fehlender Erfolgsaussicht ab, wogegen Beschwerde bei dem Hessischen Landessozialgericht anhängig ist (L 9 B 237/05 SO).

Die Antragstellerin beantragte am 1. Juli 2005 bei dem Antragsgegner die Gewährung von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII); das Verwaltungsverfahren dauert an.

Die Klägerin hat am 29. September 2005 bei dem Sozialgericht Gießen SGB XII-Leistungen im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes begehrt. Sie könne ihren notwendigen Lebensunterhalt derzeit aus eigenen Kräften und Mitteln nicht ausreichend beschaffen, weil sie lediglich 382,– EUR monatliche Renten habe und davon 372,78 EUR monatliche Miete plus 55,00 EUR monatliche Stromkostenvorauszahlungen aufbringen müsse; über Vermögen verfüge sie nicht mehr. Insbesondere verweist sie auf die Aufwendungen für Fahrtkosten plus Essen plus persönliche Einkäufe aus Anlass ihrer Besuche bei ihrer Tochter R. A. in K., bei der im April 2002 Brustkrebs festgestellt worden sei, der am 7. März 2003 erneut operiert und nachfolgend durch Chemotherapie behandelt worden sei. Die Besuche hätten im Zeitraum Juni 2003 bis Ende 2...

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