Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Anforderungen an die Bestimmtheit einer Eingliederungsvereinbarung bzw eines Eingliederungsverwaltungsaktes. Übernahme von Bewerbungskosten. Vorherige Antragstellung. Zumutbare Bewerbungsbemühungen. Teilbarkeit eines Eingliederungsverwaltungsaktes. Anordnung der aufschiebenden Wirkung. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit. Beschwerde

 

Orientierungssatz

1. Eine Eingliederungsvereinbarung bzw der sie ersetzende Eingliederungsverwaltungsakt nach § 15 SGB 2 genügt dann den gesetzlichen Anforderungen, wenn die dem Leistungsberechtigten auferlegten Pflichten eindeutig und damit hinreichend bestimmt iS von § 33 SGB 10 sind.

2. Dazu ist ua klarzustellen, zu welchem Zeitpunkt ein Antrag auf Übernahme von Bewerbungskosten spätestens gestellt sein muss.

3. Die Frage der Zumutbarkeit betrifft den Einzelfall und kann nicht Regelungsgegenstand eines Eingliederungsverwaltungsaktes sein. Für den Leistungsberechtigten muss klar erkennbar und nachvollziehbar sein, was von ihm gefordert wird. Lässt der Bescheid nicht erkennen, welches konkrete Handeln und in welchem Umfang von dem Adressaten es gefordert wird, so fehlt es an der hinreichenden Bestimmtheit der ihm auferlegten Pflichten.

 

Normenkette

SGB II § 15 Abs. 1 S. 6, § 16 Abs. 1, § 10 Abs. 1 Nr. 1; SGB III § 44; SGB X § 33 Abs. 1; SGG § 86b Abs. 1 S. 1 Nr. 2, § 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 172 Abs. 3 Nr. 1

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Gießen vom 19. November 2013 aufgehoben.

Die aufschiebende Wirkung der Klage vom 17. Dezember 2013 (S 27 AS 1020/13) gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 18. September 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. November 2013 wird angeordnet.

Der Antragsgegner hat dem Antragsteller seine notwendigen außergerichtlichen Kosten beider Instanzen zu erstatten.

 

Gründe

Die am 20. Dezember 2013 beim Hessischen Landessozialgericht eingegangene Beschwerde des Antragstellers mit dem sinngemäßen Antrag,

den Beschluss des Sozialgerichts Gießen vom 19. November 2013 aufzuheben und die aufschiebende Wirkung der Klage vom 17. Dezember 2013 (S 27 AS 1020/13) gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 18. September 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. November 2013 anzuordnen,

hat Erfolg.

Die Beschwerde ist zulässig. Sie ist nicht nach § 172 Abs. 3 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ausgeschlossen. Da der Eingliederungsverwaltungsakt nicht auf eine Geldleistung, sondern auf Handlungspflichten des Antragstellers gerichtet ist, findet eine kostenmäßige Beschränkung der Beschwerde nach § 172 Abs. 3 Nr. 1 i. V. m. § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG nicht statt (vgl. Beschluss des erkennenden Senats vom 30. Juli 2013 - L 9 AS 490/13 B ER -; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 12. April 2013 - L 12 AS 374/13 B ER - m.w.N.).

Die Beschwerde ist auch begründet.

Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage ist nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG statthaft, da Widerspruch und Anfechtungsklage gegen den Eingliederungsverwaltungsakt nach § 39 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) keine aufschiebende Wirkung entfalten. Der Antrag ist auch sonst zulässig, insbesondere ist das Rechtsschutzbedürfnis für den vorliegenden Eilantrag zu bejahen. Dieses ergibt sich daraus, dass dem Antragsteller durch den Eingliederungsverwaltungsakt konkrete Handlungspflichten (hier u. a. Nachweis von Bewerbungsbemühungen) auferlegt werden. Aus diesen Handlungspflichten ergibt sich bereits unmittelbar eine Beschwer im Sinne des § 54 Abs. 2 SGG (Beschluss des erkennenden Senats vom 30. Juli 2013 s.o. m.w.N.).

Der Antrag ist auch begründet.

Die Entscheidung nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG erfolgt auf der Grundlage einer Interessenabwägung. Abzuwägen sind das private Interesse des Antragstellers, vom Vollzug des Verwaltungsaktes bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens verschont zu bleiben und das öffentliche Interesse an der Vollziehung der behördlichen Entscheidung. Im Rahmen dieser Interessenabwägung kommt den Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache eine wesentliche Bedeutung zu.

Dabei ist die Wertung des § 39 Nr. 1 SGB II zu berücksichtigen, wonach der Gesetzgeber aufgrund einer typisierenden Abwägung der Individual- und öffentlichen Interessen dem öffentlichen Interesse am Sofortvollzug prinzipiell Vorrang gegenüber entgegenstehenden privaten Interessen einräumt (vgl. Greiser in: Eicher, SGB II, 3. Aufl. 2013, § 39 Rdnr. 4). Eine Abweichung von diesem Regel-Ausnahmeverhältnis kommt nur in Betracht, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide bestehen oder wenn ausnahmsweise besondere private Interessen überwiegen (vgl. Keller in: Meyer-Ladewig u.a., SGG, 10. Aufl. 2012, § 86b Rdnr. 12c).

Vorliegend bestehen durchgreifende Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Eingliederungsverwaltungsakts vom 18. September 2013.

Nach § 15 Abs. 1 SGB II soll die Agentur für Arbeit im Einvernehmen mit dem kommunal...

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