Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilfe. Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung. Diabetes mellitus Typ 2b

 

Orientierungssatz

Bei Vorliegen von Diabetes mellitus Typ 2b ist kein Mehrbedarf gem § 30 Abs 5 SGB 12 zu gewähren. Das mit der Erkrankung einhergehende Übergewicht erfordert eine Reduktionskost, die keine gegenüber sonstigen Leistungsempfängern erhöhten Kostenaufwand für die Ernährung erfordert.

 

Tenor

1. Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Gießen vom 15. August 2006 wird zurückgewiesen.

2. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

 

Gründe

Die am 30. August 2006 beim Sozialgericht Gießen eingegangene Beschwerde des Antragstellers, der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat (31. August 2006), mit dem sinngemäßen Antrag,

den Beschluss des Sozialgerichts Gießen vom 15. August 2006 aufzuheben und den Antragsgegner im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes vorläufig bis zur Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache zu verpflichten, einen Mehrbedarf für eine durch seine Diabetes-Mellitus-Erkrankung hervorgerufene kostenaufwändige Ernährung zu decken,

hat in der Sache keinen Erfolg.

Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung liegen nicht vor.

Ist einstweiliger Rechtsschutz weder durch die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs gegen einen Verwaltungsakt noch die sofortige Vollziehung eines Verwaltungsaktes (§ 86 b Abs. 1 SGG) zu gewährleisten, kann nach § 86 b Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Sicherungsanordnung - vorläufige Sicherung eines bestehenden Zustandes -). Nach Satz 2 der Vorschrift sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis statthaft, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint (Regelungsanordnung - vorläufige Regelung zur Nachteilsabwehr -). Bildet ein Leistungsbegehren des Antragstellers den Hintergrund für den begehrten einstweiligen Rechtsschutz, ist dieser grundsätzlich im Wege der Regelungsanordnung gemäß § 86 Abs. 2 Satz 2 SGG zu gewähren. Danach muss die einstweilige Anordnung erforderlich sein, um einen wesentlichen Nachteil für den Antragsteller abzuwenden. Ein solcher Nachteil ist nur anzunehmen, wenn einerseits dem Antragsteller gegenüber dem Antragsgegner ein materiell-rechtlicher Leistungsanspruch in der Hauptsache - möglicherweise -zusteht (Anordnungsanspruch) und es ihm andererseits nicht zuzumuten ist, die Entscheidung über den Anspruch in der Hauptsache abzuwarten (Anordnungsgrund).

Dabei stehen Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund nicht isoliert nebeneinander. Vielmehr stehen beide in einer Wechselbeziehung zueinander, nach der die Anforderungen an den Anordnungsanspruch mit zunehmender Eilbedürftigkeit bzw. Schwere des drohenden Nachteils (dem Anordnungsgrund) zu verringern sind und umgekehrt. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund bilden nämlich aufgrund ihres funktionalen Zusammenhangs ein bewegliches System (HLSG vom 29. Juni 2005 - L 7 AS 1/05 ER; Meyer-Ladewig, SGG, 8. Aufl., Rn. 27 und 29 m.w.N.): Wäre eine Klage in der Hauptsache offensichtlich unzulässig oder unbegründet, so ist der Antrag auf einstweilige Anordnung ohne Rücksicht auf den Anordnungsgrund grundsätzlich abzulehnen, weil ein schützenswertes Recht nicht vorhanden ist. Wäre eine Klage in der Hauptsache dagegen offensichtlich begründet, so vermindern sich die Anforderungen an den Anordnungsgrund, auch wenn in diesem Fall nicht gänzlich auf einen Anordnungsgrund verzichtet werden kann. Bei offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens, wenn etwa eine vollständige Aufklärung der Sach- oder Rechtslage im einstweiligen Rechtsschutz nicht möglich ist, ist im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden, welchem Beteiligten ein Abwarten der Entscheidung in der Hauptsache eher zuzumuten ist. Dabei sind insbesondere die grundrechtlichen Belange des Antragstellers umfassend in der Abwägung zu berücksichtigen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) müssen sich die Gerichte schützend und fördernd vor die Grundrechte des Einzelnen stellen (vgl. zuletzt BVerfG, 3. Kammer des Ersten Senats vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05 ≪juris≫).

Sowohl Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind gemäß § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) i.V.m. § 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG glaubhaft zu machen. Dabei ist, soweit im Zusammenhang mit dem Anordnungsanspruch auf die Erfolgsaussichten abgestellt wird, die Sach- und Rechtslage nicht nur summarisch, sondern soweit möglich abschließend zu prüfen (BVerfG, 3. Kammer des Ersten Senats, a.a.O.). Die Glaubhaftmachung bezieht sich im Übrigen lediglich auf die reduzierte Prüfungsdichte und die nur eine überwiegende Wa...

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