Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld II. Mehrbedarf. unabweisbarer besonderer Bedarf. Besuchsreise zum im Ausland lebenden Ehegatten. verfassungskonforme Auslegung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Schutz des Rechtes auf ein eheliches Zusammenleben nach Art 6 Abs 1 GG ist nicht geeignet, einen unabweisbaren laufenden Mehrbedarf iS des § 21 Abs 6 SGB 2 für Besuchsreisen eines Leistungsempfängers zu seinem im Ausland lebenden Ehegatten zu begründen.

2. Vielmehr müssen sich die Ehegatten auf die ausländer- und verfassungsrechtlich zulässigen Möglichkeiten zur Herstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft durch Zuzug verweisen lassen.

Hierbei entstehende wirtschaftliche Schwierigkeiten begründen keinen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB 2.

 

Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 28. März 2012 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

 

Gründe

I.

Der Antragsteller bezieht Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch, Zweites Buch (SGB II) und begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Übernahme der Kosten für Besuchsreisen zu seiner in China lebenden Ehefrau chinesischer Staatsangehörigkeit sowie den Verpflichtungsausspruch, dass zukünftig entsprechende Kosten regelmäßig übernommen werden.

Der 1954 geborene Antragsteller deutscher Staatsanghörigkeit erhält seit dem 8. Februar 2007 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II vom Antragsgegner. Vor seiner Rückkehr nach Deutschland im Februar 2007 lebte er in XY., wo er am 25. April 2006 die chinesische Staatsangehörige Q. Q. geheiratet hatte. Das Ehepaar lebt seit der Rückkehr des Antragstellers nach Deutschland voneinander getrennt, wobei sich die Ehefrau des Antragstellers im Herkunftsland (China) aufhält.

Mit Schreiben vom 31. August 2011 beantragte der Antragsteller die Übernahme von Reisekosten i. H. v. jeweils ca. 950,- € sowie die Freistellung von der Erreichbarkeitspflicht zur Wahrnehmung des Umgangsrechts mit seiner Ehefrau und zur Aufrechterhaltung des Ehe- und Familienverbandes. Er lebe unfreiwillig von seiner Gattin getrennt, weil sie über keine materiellen Mittel zur dauerhaften Wiederherstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft in Deutschland verfügten.

Mit Bescheid vom 14. September 2011 lehnte der Antragsgegner diesen Antrag ab. Dem Antrag auf erlaubte Ortsabwesenheit könne für die Dauer von 3 Wochen stattgegeben werden, wozu es einer gesonderten Antragstellung beim zuständigen Arbeitsvermittler bedürfe. Den dagegen eingelegten Widerspruch wies der Antragsgegner mit Widerspruchsbescheid vom 23. Januar 2012 als unbegründet zurück. Die dagegen beim Sozialgericht Frankfurt am Main erhobene Klage ist dort unter dem Aktenzeichen S 2 AS 148/12 anhängig.

Mit am 1. Februar 2012 beim Sozialgericht Frankfurt am Main eingegangenem Schriftsatz hat der Antragsteller einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gestellt mit der Begründung, seit seiner Deutschlandrückkehr im Februar 2007 habe sich der Kontakt zu seiner Ehefrau reduziert auf regelmäßige Telefonate, SMS, geringen Postverkehr und seltenen Online-Chat im Internet. Der Bestand der Ehe und Familie sei gefährdet. Zur Aufrechterhaltung von Ehe und Familie sei daher eine baldige Reise nach China dringend notwendig.

Er hat beantragt,

- den Antragsgegner innerhalb der nächsten beiden Quartale vorläufig zu verpflichten, einmal notwendige Kosten zur Ausübung des Umgangrechtes mit seiner Ehefrau Q. Q., in der VR China (W.) für einen zehntägigen Aufenthalt vor Ort zu übernehmen;

- hilfsweise zweimal notwendige Kosten zur Ausübung des Umgangrechtes mit seiner Ehefrau Q. Q. in der VR China (W.) für einen jeweils fünftägigen Aufenthalt vor Ort zu übernehmen;

- den Antragsgegner zu verpflichten, zweimal jährlich die notwendigen Kosten zur Ausübung des Umgangrechtes mit seiner Ehefrau Q. Q. in der VR China (W.) für einen jeweils zehntägigen Aufenthalt vor Ort zu übernehmen;

- hilfsweise viermal jährlich die notwendigen Kosten zur Ausübung des Umgangrechtes mit seiner Ehefrau Q. Q. in der VR China (W.) für einen jeweils fünftägigen Aufenthalt vor Ort zu übernehmen;

- den Antragsgegner zu verpflichten, ihn für diese Zeiträume zuzüglich der jeweils anfallenden An- und Abreisedauer ohne Schmälerung von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende von der gesetzlichen Erreichbarkeitspflicht gemäß § 7 SGB II freizustellen;

- auszusprechen, dass die jeweils zu übernehmenden Kosten auch die Aufwendungen für die Beschaffung des für die Einreise in die VR China erforderlichen Visums, für die Registrierung des Aufenthaltes bei der örtlichen Ausländerbehörde in China, für die Beschaffung von Landeswährung (Bankwechselgebühren) sowie Verpflegungsmehraufwendungen und ggf. Übernachtungsmehraufwendungen iS des BRKG, sowohl während der An- und Abreise zum bzw. vom Wohnort als auch zur örtlichen Ausländerbehörde umfassen;

- auszusprechen, dass der Antragsgegner diejenigen bereits verstrichenen bzw. dem Antragsteller entgangene...

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