vorläufig nicht rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Erstattungsanspruch eines nachrangig verpflichteten Leistungsträgers bei Zahlung von Kindergeld

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Ein nachrangiger Leistungsträger kann seinen nach § 40 a SGB II i.V.m. § 104 SGB X gegen die Familienkasse bestehenden Erstattungsanspruch ohne Vorverfahren im Wege einer allgemeinen Leistungsklage im Sinne des § 40 Abs. 1, 3. Fall FGO geltend machen.
  2. Hat anstelle des letztlich verpflichteten Leistungsträgers ein anderer Leistungsträger zeitgleich zu erbringende Sozialleistungen erbracht, besteht gemäß § 107 Abs. 1 SGB X ein Anspruch des Berechtigten gegen den zur Leistung verpflichteten Leistungsträger.
  3. Ein Ausgleichsanspruch gemäß § 104 Abs. 1 SGB X zu Gunsten des nachrangig Verpflichteten soll einen eigentlich zuständigen erstattungsverpflichteten Leistungsträger dann nicht treffen, wenn er in Unkenntnis von der Möglichkeit geleistet hat, sich auf die Erfüllungsfunktion des § 107 Abs. 1 SGB X zu berufen.
  4. Maßgebend ist die positive Kenntnis des mit der Gewährung der Leistung betrauten Bediensteten. Dazu reicht eine hinreichend konkrete E-Mail mit der maßgeblichen Information an das Funktionspostfach der für den Wohnort des Kindes zuständigen Familienkasse aus.
  5. Ein Leistungsträger, der von der subsidiären zeitgleich zu erbringenden Leistung eines nach dem Rechtsystem aufgrund einer Auffangzuständigkeit nachrangig zur Leistung verpflichteten anderen Leistungsträger im betroffenen Leistungszeitraum erfährt, kann allein aufgrund dieser Kenntnis eine sofortige Leistung gegenüber dem Berechtigten verweigern, da er von einer teilweisen Erfüllung nach § 107 Abs. 1 SGB X ausgehen kann.
 

Normenkette

EStG § 62; SGB X § 104 Abs. 1 S. 1, § 107 Abs. 1

 

Streitjahr(e)

2017

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 19.01.2023; Aktenzeichen III R 36/21)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um einen Erstattungsanspruch des Klägers als Leistungsträger nach dem SGB II gegenüber der Beklagten als Leistungsträgerin für die Festsetzung steuerlichen Kindergeldes gem. §§ 62 ff. Einkommensteuergesetz (EStG).

Der Kläger erbrachte für B (nachfolgend als Kind bezeichnet), geb. am 07.01.1993, seit dem 01.06.2017 Leistungen nach dem SGB II. Für den Zeitraum Juni 2017 bis einschließlich Oktober 2017 erfolgte bzgl. der Berechnung der Höhe der Leistungen nach dem SGB II keine Anrechnung von Kindergeld.

Die Eltern des Kindes sind C, geb. am 02.06.1966, und D, geb. am 22.11.1962. Gegenüber dem Kindsvater wurde für das Kind bis einschließlich Juni 2014 Kindergeld unter der Kindergeldnummer X festgesetzt (Blatt 66 Gerichtsakte).

Das Kind und die Kindsmutter sprachen am 10.03.2017 beim Kläger vor (Blatt 10 Verwaltungsakten) vor und teilten mit, dass das Kind am 26.02.2017 bei seiner Mutter, wohnhaft in E, untergekommen sei.

Mit Datum vom 13.03.2017 wurde eine am 05.05.2017 wohl beim Kläger eingegangene Mitteilung über ein Kind ohne Ausbildungs- oder Arbeitsplatz (Blatt 24 Verwaltungsakten) übersandt, die offenbar sowohl im Unterschriftenfeld des Kindergeldberechtigten als auch des Kindes jeweils vom Kind selbst unterschrieben ist. Als Kindergeldnummer ist die des Kindsvaters genannt.

Mit Bescheid des Klägers vom 08.05.2017 (Blatt 38 ff. Verwaltungsakten) wurden dem Kind ab Juni 2017 Leistungen nach dem SGB II in Höhe von monatlich 798,49 € für die Monate bis einschließlich November 2017 bewilligt. Ein Einkommen des Kindes aus der Zahlung von Kindergeld wurde bei den Leistungen bis einschließlich Oktober 2017 nicht berücksichtigt (Blatt 71 Verwaltungsakten).

Der Kläger übersandte mit Datum vom 08.05.2017 an die Adresse “Familienkasse-Hessen.Team-K-EA@arbeitsagentur.de” eine E-Mail (Blatt 36 Verwaltungsakten) betreffend einen Erstattungsanspruch gem. §§ 102 ff. SGB X i.V.m. § 40a SGB II. Genannt ist im Betreff “X”, also die Kindergeldnummer des Kindsvaters. Für das namentlich benannte Kind, geb. am 07.01.1993, E, würden seit dem 01.06.2017 Leistungen nach dem SGB II gezahlt. Die Kindesmutter heiße C, geb. am 02.06.1966; der Kindsvater heiße D, geb. am 22.11.1961. Es werde ein Erstattungsanspruch gem. §§ 102 ff. SGB X i.V.m. § 40a SGB II geltend gemacht. Es werde gebeten, vor der Bewilligung “Ihrer” Leistungen das Kommunale Jobcenter A zu benachrichtigen und die Nachzahlung zunächst einzubehalten. Die Höhe des Erstattungsanspruchs werde anschließend mitgeteilt. Fristwahrend werde bereits heute der Antrag gem. § 5 Abs. 3 SGB II im berechtigten Interesse gestellt. Es werde darauf hingewiesen, dass Leistungen für den Folgemonat bereits zum 20. des laufenden Monats angewiesen würden.

Mit Schreiben vom 09.06.2017 (Blatt 49 Verwaltungsakten), eingegangen beim Kläger am 19.06.2017, teilte die Familienkasse G diesem unter Bezugnahme auf die Kindergeldnummer X mit, dass sie nicht entscheiden könne, wer vorrangig kindergeldberechtigt sei, weil das Kind nicht im Haushalt eines Berechtigten lebe, von keiner Seite überwiegender Barunterhalt geleistet werde und auch keine Berechtigtenbestimmung durch das A...

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