Zusammenfassung

 
Begriff

Menschen mit Hör- oder Sprachbehinderungen können bei der Ausführung von Sozialleistungen und im Verwaltungsverfahren die deutsche Gebärdensprache, lautsprachbegleitende Gebärden oder andere geeignete Kommunikationshilfen verwenden.

Durch die Anwendung dieser Kommunikationshilfen können Kosten entstehen, z. B. durch den

  • Gebärdensprachdolmetscher,
  • Schriftdolmetscher,
  • Simultanschriftdolmetscher,
  • Oraldolmetscher oder
  • Kommunikationsassistenten.

Diese Kosten werden von den zuständigen Sozialleistungsträgern übernommen. Die Vergütung von Gebärdensprachdolmetschern ist gesetzlich geregelt.

 
Gesetze, Vorschriften und Rechtsprechung

Sozialversicherung: Die Anspruchsgrundlage enthalten § 17 Abs. 2 Satz 1 SGB I (Inanspruchnahme von Leistungen) und § 19 Abs. 1 Satz 2 SGB X (Amtssprache im Verwaltungsverfahren). Die zu tragenden Kosten richten sich nach dem Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz (§ 17 Abs. 2 Satz 3 SGB I, § 19 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 Satz 4 SGB X und § 5 KHV). Die damaligen Spitzenverbände der Krankenkassen haben Empfehlungen zur Ausführung der Rechtsvorschriften gegeben (GR v. 22.9.2008-II).

1 Personenkreis

Menschen mit Hör- oder Sprachbehinderungen können eine deutsche Gebärdensprache oder andere Kommunikationshilfen einsetzen. Zum Personenkreis gehören

  • gehörlose Menschen (taub geborene oder bis zum 7. Lebensjahr ertaubte Menschen),
  • hochgradig schwerhörige Menschen, deren Restgehör trotz Hörhilfe (z. B. Hörgerät oder Cochlear-Implantat) nicht zur Sprachaufnahme ausreicht,
  • vollständig (nach dem 7. Lebensjahr) ertaubte Menschen,
  • taubblinde Menschen.

Ebenfalls berechtigt sind Menschen mit Behinderungen mit starker Beeinträchtigung der Sprachfähigkeit (z. B. wegen autistischer Störung, einer Aphasie oder Dysarthrie).

 
Hinweis

Nicht hörbehinderte Menschen

Nicht zum berechtigten Personenkreis der Menschen mit Hörbehinderungen zählen Personen mit kognitiven Beeinträchtigungen (z. B. Gedächtnis- und Denkstörungen, Psychosen).

2 Anspruchsvoraussetzungen

2.1 Ausführung von Sozialleistungen

Menschen mit Hör- oder Sprachbehinderungen haben das Recht, bei der Ausführung von Sozialleistungen eine deutsche Gebärdensprache oder andere Kommunikationshilfen zu verwenden.[1] Dies gilt insbesondere bei ärztlichen Untersuchungen und Behandlungen. Voraussetzung dafür ist, dass ohne die Gebärdensprache die sozialen Rechte nicht oder nicht vollständig wahrgenommen werden können.

Zu den Sozialleistungen gehören in der Krankenversicherung u. a. die

  • stationäre Behandlung in einem Krankenhaus,
  • vertragsärztliche/-zahnärztliche Behandlung (einschließlich einer Behandlung im Krankenhaus im Rahmen einer Ermächtigung),
  • Abgabe von Heil- oder Hilfsmitteln,
  • Eingliederung von Zahnersatz,
  • besonderen Therapieformen (z. B. ambulante Psychotherapie, logopädische Behandlung),
  • Schwangerschaftsgymnastik.

Menschen mit Hör- oder Sprachbehinderungen dürfen nicht darauf verwiesen werden, sich schriftlich zu äußern.

Das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) ist der Rechtsauffassung, dass Versicherte gesetzlicher Krankenkassen mit Hör- oder Sprachbehinderungen bei Schutzimpfungen gegen COVID-19 in Arztpraxen, die an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen und Leistungserbringer nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 CoronaImpfV sind, eine vertragsärztliche Leistung in Anspruch nehmen.[2] Die Kosten erforderlicher Kommunikationshilfen sind von der Krankenkasse zu tragen.

[2] Rundschreiben des GKV-Spitzenverbands RS 2021/304 v. 26.4.2021.

2.2 Amtssprache im Verwaltungsverfahren

Menschen mit Hör- oder Sprachbehinderungen dürfen zur Verständigung in der Amtssprache (deutsch) die Gebärdensprache oder andere Kommunikationshilfen verwenden.[1] Zum Verwaltungsverfahren gehören u. a.

  • die Einleitung des Verfahrens durch einen Antrag (z. B. Leistungsantrag),
  • ein Ersuchen um Auskunft oder Beratung,
  • die Beteiligung innerhalb eines Verfahrens (z. B. aufgrund von Mitwirkungspflichten, Anhörung, Akteneinsicht) oder
  • die Wahrnehmung von Rechten und Pflichten innerhalb eines Widerspruchsverfahrens.

3 Höhe der Kostenübernahme

Dolmetscher erhalten eine Vergütung nach dem Justizvergütungs- und entschädigungsgesetz (JVEG). Ersetzt werden nur die Kosten des nächstgelegenen Dolmetschers am Einsatzort.

Der Anspruch auf Kostenübernahme beschränkt sich auf die deutsche Gebärdensprache und die deutsche Lautsprache. Kosten, die durch einen Fremdsprachendolmetscher bzw. eine ausländische Gebärdensprache (zusätzlich) entstehen, werden nicht übernommen.

 
Hinweis

Leistungen in ausländischer Gebärdensprache

Menschen mit Hörbehinderungen können nicht fordern, dass Leistungen in ihrer Muttersprache angeboten werden (z. B. Verhaltenstherapie durch einen griechischen Muttersprachler).[1]

4 Vergütung/Abrechnung

Die Vergütung für den Gebärdensprachdolmetscher regelt das Justizvergütungs- und entschädigungsgesetz (JVEG). Alternativ können die Sozialleistungsträger den Einsatz und die Vergütung von Gebärdensprachdolmetschern in Verträgen vereinbaren.[1]

 
Hinweis

Rahmenvereinbarungen

Der Verband der Ersatzkassen hat für seine Mitglieder verschiedene Rahmenvereinbarungen a...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt SGB Office Professional . Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge