Entscheidungsstichwort (Thema)

Kein Anspruch auf Abzweigung des Kinderbonus von 100 EUR

 

Leitsatz (redaktionell)

Aus den Sonderregelungen zur Nichtanrechung des einmaligen Kinderbonus von 100 EUR je Kind für sozialrechtliche Vorschriften folgt, dass der gem. § 66 Abs. 1 S. 2 EStG bestehende Anspruch auf den Einmalbetrag nicht gem. § 74 Abs. 1 EStG anteilig oder vollständig an den Sozialleistungsträger abgezweigt werden kann.

 

Normenkette

EStG 2002 § 66 Abs. 1 S. 2, § 74 Abs. 1; SGB XII § 94 Abs. 2

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 27.09.2012; Aktenzeichen III R 2/11)

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens einschließlich der notwendigen Aufwendungen der Beigeladenen trägt die Klägerin.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Das Kind der Beigeladenen, …, lebt aufgrund seiner geistigen Behinderung seit mehreren Jahren in einer Betreuungseinrichtung. Die Klägerin leistet aufgrund fehlenden Vermögens des Kindes zum Selbstunterhalt Eingliederungshilfe gem. § 54 SGB XII in der stationären Einrichtung in Form von fachlichen Leistungen und Leistungen zum Lebensunterhalt.

Im erledigten Klageverfahren 4 K 65/07 begehrte die Klägerin ab Juli 2005 nach § 74 Abs. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) die Abzweigung des Kindergeldes abzüglich des monatlichen Unterhaltsbetrages der Eltern nach § 94 Abs. 2 SGB XII an sich. Mit Bescheid vom 06. April 2009 wurde diesem Begehren entsprochen. Ab Juli 2005 wurden an die Klägerin 108,00 EUR und ab Januar 2009 118,00 EUR monatlich abgezweigt.

Mit Schreiben vom 28. September 2009 begehrte die Klägerin sodann die Abzweigung des Einmalbetrages nach § 66 Abs. 1 Satz 2 EStG in Höhe von 100 EUR. Dieses Begehren lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 08. Oktober 2009 ab. Die Beklagte führte wie folgt aus: „Wird das Kindergeld an einen Sozialleistungsträger abgezweigt, ist der Einmalbetrag aufgrund des Gesetzes zur Nichtanrechnung des Kinderbonus (Artikel 5 des Gesetzes zur Sicherung von Beschäftigung und Stabilität in Deutschland vom 2. März 2009, BGBl. I Nr. 11 S. 416) nicht an den Sozialleistungsträger, sondern unmittelbar an den Kindergeldberechtigten zu zahlen.”

Hiergegen richtete sich der Einspruch vom 28. Oktober 2009, der trotz Aufforderung nicht begründet worden ist. Mit Einspruchsentscheidung vom 26. Januar 2010 wies die Beklagte den Einspruch als unbegründet ab.

Am 01. März 2010 hat die Klägerin Klage erhoben. Sie weist darauf hin, dass seitens des Sozialhilfeträgers die Unterhaltsleistung mangels Erbringung von Unterhaltszahlungen durch den Kindergeldbezugsberechtigten erfolge. Soweit das Bundeszentralamt für Steuern mit Einzelanweisung vom 11. März 2009 (St II 2 – S2474-3/2009, BStBl. 2009 I, 488) die Auffassung vertrete, dass der Einmalbetrag aufgrund des Gesetzes zur Nichtanrechnung des Kinderbonus nicht an den Sozialleistungsträger auszuzahlen sei, könne dies nach der Ratio des Gesetzes jedoch nicht in Abzweigungsfällen zum Tragen kommen. Bei Abzweigungsfällen werde das Kind durch Dritte betreut und würden die unterhaltsverpflichteten Eltern Unterhaltsleistungen für das Kind insgesamt nicht erbringen. Auch sollten durch den Kinderbonus nicht die Belange der Eltern gefördert werden, sondern die Belange der Kinder, so dass im Falle einer sozialrechtlichen Bedarfsgemeinschaft gerade ein Mehreinkommen in der Bedarfsgemeinschaft durch den Einmalbetrag zur Verfügung stehen sollte. Diese Zweckbestimmung des Gesetzgebers werde dagegen im Falle einer Fremdunterbringung nicht erfüllt. Bei einer Abzweigung nach § 74 Abs. 1 EStG solle demjenigen Kindergeld gezahlt werden, der tatsächliche Unterhaltsleistungen gewähre.

Für den Einmalbetrag würden grundsätzlich alle Vorschriften gelten, die auch für das festgesetzte und im Allgemeinen monatlich ausgezahlte steuerliche Kindergeld maßgebend seien. Der Einmalbetrag habe die Wirkung einer einmaligen Erhöhung des bestehenden Kindergeldanspruches für einen Monat. Ein gesonderter Antrag auf Festsetzung oder Auszahlung sei daher nicht erforderlich gewesen.

Die Klägerin beantragt,

den Ablehnungsbescheid vom 08. Oktober 2009 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 26. Januar 2010 dahingehend zu ändern, dass der für das Kind …, geleistete Kinderbonus (Einmalbetrag) für 2009 an die Klägerin zu zahlen ist.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hält an ihrer im Verwaltungsverfahren vertretenen Auffassung fest und weist darauf hin, dass der Kinderbonus dazu gedient habe, einen gezielten und kurzfristigen gesamtwirtschaftlichen Nachfrageimpuls und eine Belebung der Konjunktur zu schaffen. Die allgemeine Zielsetzung des Gesetzes zur Stärkung von Beschäftigung und Stabilität in Deutschland liege ausdrücklich in der „Stärkung der Leistungsbereitschaft und Zuversicht der Menschen” (BT-Drucksache 16/11740 Seite 1). Die Auszahlung des Kinderbonus habe insbesondere bei Familien mit geringem Einkommen und mehreren Kindern zur Stärkung der Konjunktur gedient (vgl. Gesetzesbegründung BT-Drucksache 16/11740, BT-Drucksache 16/13776). Daher habe der Gesetzgeber a...

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