Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorabentscheidungsersuchen. Begriff ‚Arbeitnehmer’. Unionsbürgerin, die ihre Erwerbstätigkeit wegen der körperlichen Belastungen im Spätstadium einer Schwangerschaft und nach der Geburt des Kindes aufgegeben hat

 

Normenkette

AEUV Art. 45; Richtlinie 2004/38/EG Art. 7

 

Beteiligte

Saint Prix

Jessy Saint Prix

Secretary of State for Work and Pensions

 

Tenor

Art. 45 AEUV ist dahin auszulegen, dass eine Frau, die ihre Erwerbstätigkeit oder Arbeitsuche wegen der körperlichen Belastungen im Spätstadium ihrer Schwangerschaft und nach der Geburt des Kindes aufgibt, die „Arbeitnehmereigenschaft” im Sinne dieser Vorschrift behält, sofern sie innerhalb eines angemessenen Zeitraums nach der Geburt ihres Kindes ihre Beschäftigung wieder aufnimmt oder eine andere Stelle findet.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Supreme Court of the United Kingdom (Vereinigtes Königreich) mit Entscheidung vom 31. Oktober 2012, beim Gerichtshof eingegangen am 8. November 2012, in dem Verfahren

Jessy Saint Prix

gegen

Secretary of State for Work and Pensions,

Beteiligte:

AIRE Centre,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Tizzano (Berichterstatter), der Richter A. Borg Barthet und E. Levits sowie der Richterin M. Berger und des Richters S. Rodin,

Generalanwalt: N. Wahl,

Kanzler: M.-A. Gaudissart, Referatsleiter,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 14. November 2013,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • von Frau Saint Prix, vertreten durch R. Drabble, QC, beauftragt durch M. Spencer, Solicitor,
  • des AIRE Centre, vertreten durch J. Stratford, QC, und M. Moriarty, Barrister, beauftragt durch D. Das, Solicitor,
  • der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch V. Kaye und A. Robinson als Bevollmächtigte im Beistand von B. Kennely und J. Coppel, Barristers,
  • der polnischen Regierung, vertreten durch B. Majczyna und M. Szpunar als Bevollmächtigte,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch C. Tufvesson, J. Enegren und M. Wilderspin als Bevollmächtigte,
  • der EFTA-Überwachungsbehörde, vertreten durch X. Lewis, M. Moustakali und C. Howdle als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 12. Dezember 2013

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung des Begriffs „Arbeitnehmer” im Sinne von Art. 45 AEUV und Art. 7 der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 und zur Aufhebung der Richtlinien 64/221/EWG, 68/360/EWG, 72/194/EWG, 73/148/EWG, 75/34/EWG, 75/35/EWG, 90/364/EWG, 90/365/EWG und 93/96/EWG (ABl. L 158, S. 77, Berichtigung im ABl. 2004, L 229, S. 35).

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Frau Saint Prix und dem Secretary of State for Work and Pensions (Minister für Arbeit und Renten) (im Folgenden: Secretary of State) wegen dessen Weigerung, ihr eine Einkommensbeihilfe zu gewähren.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Rz. 3

Die Erwägungsgründe 2 bis 4 und 31 der Richtlinie 2004/38 lauten:

„(2) Die Freizügigkeit von Personen stellt eine der Grundfreiheiten des Binnenmarkts dar, der einen Raum ohne Binnengrenzen umfasst, in dem diese Freiheit gemäß den Bestimmungen des [EG-]Vertrags gewährleistet ist.

(3) Die Unionsbürgerschaft sollte der grundsätzliche Status der Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten sein, wenn sie ihr Recht auf Freizügigkeit und Aufenthalt wahrnehmen. Daher müssen die bestehenden Gemeinschaftsinstrumente, die Arbeitnehmer und Selbstständige sowie Studierende und andere beschäftigungslose Personen getrennt behandeln, kodifiziert und überarbeitet werden, um das Freizügigkeits- und Aufenthaltsrecht aller Unionsbürger zu vereinfachen und zu verstärken.

(4) Um diese bereichsspezifischen und fragmentarischen Ansätze des Freizügigkeits- und Aufenthaltsrechts zu überwinden und die Ausübung dieses Rechts zu erleichtern, ist ein einziger Rechtsakt erforderlich, in dem die Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 des Rates vom 15. Oktober 1968 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft [(ABl. L 257, S. 2), in der durch die Verordnung (EWG) Nr. 2434/92 des Rates vom 27. Juli 1992 (ABl. L 245, S. 1) geänderten Fassung] geändert und die folgenden Rechtsakte aufgehoben werden: die Richtlinie 68/360/EWG des Rates vom 15. Oktober 1968 zur Aufhebung der Reise- und Aufenthaltsbeschränkungen für Arbeitnehmer der Mitgliedstaaten und ihre Familienangehörigen innerhalb der Gemeinschaft [(ABl. L 257, S. 13)], die Richtlinie 73/148/EWG des Rates vom 21. Mai 1973 zur Aufhebung der Reise- und Aufenthaltsbeschränkungen für Staatsangehörige der Mitgliedstaaten innerhalb der Gemeinschaft auf dem Gebiet der Niederlassung und des Dienstleistungsverkehrs [(ABl. L ...

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