Entscheidungsstichwort (Thema)

Soziale Sicherheit der Wandererwerbstätigen. Persönlicher Geltungsbereich. Gewährung von Familienleistungen an eine Drittstaatsangehörige mit einem Aufenthaltstitel in einem Mitgliedstaat. Voraussetzung hinsichtlich der Dauer des Wohnsitzes

 

Normenkette

Verordnung (EWG) Nr. 1408/71; Verordnung (EG) Nr. 859/2003; Verordnung (EWG) Nr. 1612/68; Richtlinie 2004/38/EG

 

Beteiligte

Hadj Ahmed

Office national d'allocations familiales pour travailleurs salariés (ONAFTS)

Radia Hadj Ahmed

 

Tenor

1. Die Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 über die Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, geändert und aktualisiert durch die Verordnung (EG) Nr. 118/97 des Rates vom 2. Dezember 1996, in der durch die Verordnung (EG) Nr. 1992/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Dezember 2006 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass ihr persönlicher Geltungsbereich eine Drittstaatsangehörige oder ihre Tochter, die ebenfalls Drittstaatsangehörige ist, unter den unten beschriebenen Umständen nur dann erfasst, wenn die Drittstaatsangehörige oder ihre Tochter im Sinne des nationalen Gesetzes und für dessen Anwendung als „Familienangehörige” des Staatsangehörigen eines anderen Mitgliedstaats angesehen werden kann oder, sofern dies nicht der Fall ist, wenn ihr „Unterhalt … überwiegend von diesem bestritten wird”:

  • Diese Drittstaatsangehörige hat vor weniger als fünf Jahren einen Aufenthaltstitel in einem Mitgliedstaat erhalten, um mit dem Staatsangehörigen eines anderen Mitgliedstaats zusammenzuziehen, mit dem sie weder verheiratet noch eine eingetragene Partnerschaft eingegangen ist und von dem sie ein Kind mit der Staatsangehörigkeit des letztgenannten Mitgliedstaats hat;
  • nur dieser Staatsangehörige des anderen Mitgliedstaats hat den Status eines Arbeitnehmers;
  • diese Drittstaatsangehörige und der Staatsangehörige eines anderen Mitgliedstaats wohnen inzwischen nicht mehr zusammen und
  • beide Kinder leben im Haushalt ihrer Mutter.

2. Art. 13 Abs. 2 und Art. 14 der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 und zur Aufhebung der Richtlinien 64/221/EWG, 68/360/EWG, 72/194/EWG, 73/148/EWG, 75/34/EWG, 75/35/EWG, 90/364/EWG, 90/365/EWG und 93/96/EWG in Verbindung mit Art. 18 AEUV sind dahin auszulegen, dass sie einer Regelung eines Mitgliedstaats nicht entgegenstehen, mit der dieser die Gewährung garantierter Familienleistungen bei einer Drittstaatsangehörigen, die sich in der in Nr. 1 des Tenors des vorliegenden Urteils beschriebenen Situation befindet, von der Voraussetzung eines seit fünf Jahren bestehenden Wohnsitzes abhängig macht, während er von seinen eigenen Staatsangehörigen die Erfüllung dieser Voraussetzung nicht verlangt.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht von der Cour du travail de Bruxelles (Belgien) mit Entscheidung vom 19. Januar 2012, beim Gerichtshof eingegangen am 30. Januar 2012, in dem Verfahren

Office national d'allocations familiales pour travailleurs salariés (ONAFTS)

gegen

Radia Hadj Ahmed

erlässt

DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten L. Bay Larsen, der Richter J. Malenovský, U. Lõhmus und M. Safjan sowie der Richterin A. Prechal (Berichterstatterin),

Generalanwalt: Y. Bot,

Kanzler: V. Tourrès, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 28. Februar 2013,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • von Frau Hadj Ahmed, vertreten durch I. de Viron und M. Hernandez Dispaux, avocates,
  • der belgischen Regierung, vertreten durch C. Pochet und T. Materne als Bevollmächtigte im Beistand von J. Vanden Eynde, avocat,
  • der tschechischen Regierung, vertreten durch M. Smolek als Bevollmächtigten,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch M. Van Hoof und V. Kreuschitz als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 über die Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, geändert und aktualisiert durch die Verordnung (EG) Nr. 118/97 des Rates vom 2. Dezember 1996 (ABl. 1997, L 28, S. 1), in der durch die Verordnung (EG) Nr. 1992/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Dezember 2006 (ABl. L 392, S. 1) geänderten Fassung (im Folgenden: Verordnung Nr. 1408/71), von Art. 13 Abs. 2 und Art. 14 der Richtlinie 2004/38/EG des Europäis...

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