Rz. 4

Eine Abweichung von den gesetzlichen Mindestanforderungen ist unzulässig, wenn diese zu Ungunsten des Auszubildenden wirkt. Im Gegenschluss sind abweichende Regelungen zugunsten des Auszubildenden zulässig. Bei der Beurteilung, die wie eine Abweichung wirkt, muss ein objektiver Maßstab zugrunde gelegt werden.[1] Für die erforderliche Vergleichsbetrachtung stehen unterschiedliche Anknüpfungspunkte zur Auswahl. Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, dass – wie beim Günstigkeitsvergleich nach § 4 Abs. 3 TVG – ein Sachgruppenvergleich maßgeblich ist. Danach sind die "in einem offensichtlichen inneren Zusammenhang stehenden vertraglichen Bestimmungen mit den entsprechenden gesetzlichen Vorschriften im Hinblick auf die Lage des Auszubildenden miteinander zu vergleichen".[2]

 
Praxis-Beispiel
  • Der Ausschluss einer Ausbildungsvergütung ist nichtig.[3]
  • Der Verzicht auf Ausbildungsvergütung ist auch dann eine unzulässige Regelung zu Ungunsten des Auszubildenden, wenn der Ausbilder keinen Bedarf für einen Auszubildenden hatte und diesem nur die Fortsetzung einer abgebrochenen Lehre ermöglichen wollte.[4]
  • Eine Rückzahlungsvereinbarung, nach der der Auszubildende im Fall einer Eigenkündigung die Sonderaufwendungen für den Besuch einer anderen als der staatlichen Bildungseinrichtung zurückzuzahlen hat, ist bereits nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 BBiG nichtig.[5]
  • Das BAG hat allerdings anerkannt, dass eine Probezeit über die eigentliche Höchstfrist von 4 Monaten verlängert werden kann, wenn die tatsächliche Ausbildung während der Probezeit innerhalb eines signifikanten Zeitraums nicht durchgeführt wurde.[6] Auch wenn das BAG dies damit zu begründen versucht, die Verlängerung der Probezeit liege auch im Interesse des Auszubildenden, der das Ausbildungsverhältnis so eine längere Zeit jederzeit beenden könne, lässt sich das Ergebnis eigentlich nur mit dem auch vom BAG herangeführten praktischen Argument rechtfertigen, dass das Ausbildungsverhältnis sonst mit Sicherheit vom Ausbildenden beendet worden wäre.
[1] BAG, Urteil v. 9.6.2016, 6 AZR 396/15 mit weiteren Nachweisen.
[2] BAG, Urteil v. 9.6.2016, 6 AZR 369/15.
[3] Hessisches LAG, Urteil v. 8.11.1984, 3 Sa 424/84.

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