Entscheidungsstichwort (Thema)

Pflegesatzvereinbarung

 

Normenkette

BSHG 1991 § 93 Abs. 2; SGB VIII 1993 § 77

 

Verfahrensgang

OVG Rheinland-Pfalz (Entscheidung vom 26.11.1998; Aktenzeichen 12 A 10686/98)

VG Mainz (Entscheidung vom 12.06.1997; Aktenzeichen 8 K 400/96.MZ)

 

Tenor

Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 26. November 1998 wird aufgehoben.

Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Mainz vom 12. Juni 1997 wird zurückgewiesen, soweit es die Klage gegen die Beklagten zu 1 bis 3 abgewiesen hat. Soweit das Verwaltungsgericht die Klage gegen den Beklagten zu 4 abgewiesen hat, wird unter Änderung des verwaltungsgerichtlichen Urteils festgestellt, dass der Beklagte zu 4 verpflichtet ist, bei seiner Entscheidung über den Abschluss einer Pflegesatzvereinbarung für das Jahr 1993 die durch die Tarifumstellung im kirchlichen Dienst der Evangelischen Kirche von BAT-Bund/Länder auf BAT-VKA bedingten Personalkostenerhöhungen zu berücksichtigen, und die Berufung im Übrigen zurückgewiesen. Insoweit wird auch die Revision des Beklagten zu 4 zurückgewiesen.

Die Kläger tragen drei Viertel, der Beklagte zu 4 trägt ein Viertel der Kosten des Verfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

 

Tatbestand

I.

Die Kläger sind Spitzenverbände der freien Wohlfahrtspflege in Rheinland-Pfalz, ihre Mitglieder sind Einrichtungsträger in den Bereichen der Sozialhilfe und der Kinder- und Jugendhilfe. Die Kläger einerseits und die Beklagten zu 1 bis 3 als kommunale Spitzenverbände sowie das Land Rheinland-Pfalz, der Beklagte zu 4, andererseits sind Vertragspartner der Allgemeinen Vereinbarung über die Pflegesatzgestaltung in Rheinland-Pfalz vom 22. Juni 1971 (AV 1971). Diese (allgemeine) Vereinbarung enthält unter anderem Regelungen über die (konkrete) Vereinbarung von Pflegesätzen, die von den Kostenträgern der Sozialhilfe und Jugendhilfe an die Träger von in § 3 Abs. 2 AV 1971 aufgeführten Heimen, Anstalten und Einrichtungen zu zahlen sind. Danach obliegt die Vereinbarung der Höhe der Pflegesätze einer paritätisch besetzten Pflegesatzkommission, deren Beschlüsse einstimmig gefasst werden müssen (§ 2 AV 1971), werden Pflegesätze entsprechend der Höhe der nachgewiesenen Kosten vereinbart, sind Kosten in diesem Sinne alle bei einer sparsamen Wirtschaftsführung unter Berücksichtigung der Aufgabenstellung der betreffenden Heime entstehenden und unmittelbar mit der Heimunterbringung in Zusammenhang stehenden Personal- und Sachkosten (§ 9 Abs. 2 AV 1971) und können Pflegesätze nach Maßgabe von § 11 AV 1971 gekündigt werden.

Zum 1. Dezember 1992 bzw. zum 1. Januar 1993 wurden die bisher nach dem BAT-Bund/Länder ausgerichteten Tarifverträge der Kläger für diese bindend auf das höhere Lohnniveau des Kommunaltarifs des BAT (BAT-VKA) umgestellt.

Im Rahmen der 133. Sitzung der Pflegesatzkommission vom 11. Mai 1993 unter TOP 4 „Pflegesatzverfahren 1993” wurde eine pauschale Anhebung der Pflegesätze für 1993 in allen stationären Einrichtungen um 3,2 % vorgeschlagen und hierfür eine Erklärungsfrist bis 4. Juni 1993 vereinbart. Unter TOP 6 „Umstellung auf Kommunaltarif” befassten sich die Mitglieder der Pflegesatzkommission mit den Auswirkungen der Umstellung des Vergütungstarifs der Kläger von BAT-Bund/Länder auf BAT-VKA und erklärten sich die Vertreter der Kostenträger bereit, sich neben der Erhöhung der Pflegesätze für das Jahr 1993 nochmals mit dieser Frage auseinander zu setzen. Hierzu sollten die Kläger bis zum 30. Juni 1993 die aus der Tarifumstellung entstehenden Gesamtkosten für jede Einrichtung ermitteln und den zusätzlichen Finanzierungsaufwand nach Art und Zahl der Stellen, die von Eingruppierungsveränderungen berührt werden, aufgeschlüsselt darstellen. In der 134. Sitzung der Pflegesatzkommission vom 18. Juni 1993 wurde die Pflegesatzvereinbarung für 1993 entsprechend dem Entwurf aus der Sitzung vom 11. Mai 1993 beschlossen. Mit Schreiben vom 25. Juni, 29. Juni und 1. Juli 1993 legten die Kläger dar, wie sich die aus der Tarifumstellung ergebenden Mehrkosten bei den einzelnen Einrichtungen auswirkten. Die Geschäftsstelle der Pflegesatzkommission ermittelte hieraus Gesamtmehrkosten für 1993 in Höhe von 1 081 660,42 DM. In der Folge teilten die Beklagten mit, sie könnten der Umstellung auf den Kommunaltarif nicht zustimmen und die dadurch bedingte Kostenerhöhung nicht anerkennen. Zwar entspreche der BAT-VKA den Grundsätzen der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Leistungsfähigkeit. Die Mehrkosten von mehr als einer Million DM könnten aber angesichts der schlechten kommunalen Finanzsituation nicht aufgebracht werden. Durch die Pflegesatzvereinbarung für 1993 sei der Kostenanstieg auf die Höhe der Tarifabschlüsse im öffentlichen Dienst begrenzt worden. Damit sei es unvereinbar, diese „Geschäftsgrundlage” kostentreibend umzustrukturieren. Darauf teilte die Geschäftsstelle der Pflegesatzkommission mit, wegen fehlender einstimmiger Beschlussfassung sei eine Berücksichtigung der Personalmehrkosten infolge der Tarifumstellung nicht möglich.

Die Klage mit dem Begehren festzustellen, dass die durch die Umstellung von den BAT-Bund/Länder entsprechenden auf die BAT-VKA entsprechenden Vergütungstarife entstandenen Personalkostenerhöhungen der Kläger bei den Pflegesatzverhandlungen, die zur Pflegesatzvereinbarung vom 18. Juni 1993 geführt haben, für das Jahr 1993 in vollem Umfang zu berücksichtigen gewesen wären, hat das Verwaltungsgericht abgewiesen. Auf die Berufung der Kläger hat das Oberverwaltungsgericht das Urteil des Verwaltungsgerichts geändert und die mit der Klage begehrte Feststellung getroffen. Das Oberverwaltungsgericht hat im Wesentlichen ausgeführt:

Die Feststellungsklage sei statthaft, weil der von den Klägern dargelegte Anspruch, die Personalkosten seien auch in Höhe der umstellungsbedingten Mehrkosten bei den Pflegesatzvereinbarungen zu berücksichtigen, feststellungsfähig sei. Die Kläger seien aufgrund der Regelung der AV 1971, insbesondere deren § 9, zur Klage befugt, weil ihnen dort als Verband eine eigene Rechtsposition zugewiesen worden sei. Die AV 1971 enthalte keine Schiedsgerichtsklausel und stelle keinen endgültigen vertraglichen Klagbarkeitsausschluss dar. § 2 Abs. 2 Satz 4 AV 1971 sei lediglich eine verfahrensrechtliche Regelung über das Zustandekommen eines Beschlusses der Pflegesatzkommission. Die erhobene Feststellungsklage sei auch nicht in Hinblick auf § 43 Abs. 2 VwGO subsidiär, denn von den Trägern öffentlicher Gewalt und ihren Spitzenverbänden sei regelmäßig zu erwarten, dass sie einem Feststellungstenor Folge leisteten. Die Kläger hätten auch ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung, denn die für 1993 geschlossene Pflegesatzvereinbarung treffe keine Regelung hinsichtlich der tarifumstellungsbedingt höheren Personalkosten. Die Klage sei auch begründet, weil die Beklagten verpflichtet gewesen wären, die Personalkostenerhöhungen für das Jahr 1993 bei den Pflegesatzverhandlungen zu berücksichtigen. Die Voraussetzungen des § 93 Abs. 2 BSHG seien auch hinsichtlich der Personalkostenerhöhungen erfüllt. Die in § 93 Abs. 2 BSHG genannten Begriffe stünden gleichrangig nebeneinander, schränkten sich faktisch jedoch gegenseitig ein. Es sei nicht notwendig, dass ein zwingender Grund für die Tarifumstellung vorliege. Den Einrichtungsträgern und ihren Verbänden stehe eine gewisse wirtschaftliche Gestaltungsfreiheit zu. Diesen Spielraum hätten die Kläger bei der Tarifumstellung nicht überschritten. Die Vergütung nach BAT-VKA könne nicht als unangemessen, unvertretbar und mit den Grundsätzen einer sparsamen Wirtschaftsführung unvereinbar angesehen werden. Schließlich wendeten die Beklagten den BAT-VKA in ihren kommunalen Einrichtungen selbst an und bestritten nicht, dass dieser Tarif den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit, Sparsamkeit und Leistungsfähigkeit entspreche. Im Übrigen habe ein sachlicher Grund für die Tarifumstellung vorgelegen. Die Kläger seien den Forderungen ihrer Mitarbeiter mit der Intention nachgekommen, einer Abwanderung von Fachkräften vorzubeugen. Dabei komme es nicht darauf an, ob und in welchem Ausmaß ein tatsächlicher Weggang bereits eingetreten sei. Die Beklagten hätten sich durch den Abschluss der AV 1971 ihrer Kontrahierungsfreiheit begeben und insoweit einer Anpassungsautomatik unterworfen.

Mit der Revision gegen dieses Urteil begehren die Beklagten die Zurückweisung der Berufung. Sie rügen das Fehlen von Sachurteilsvoraussetzungen und die Verletzung von § 93 Abs. 2 BSHG, § 77 SGB VIII.

Die Kläger verteidigen das Berufungsurteil und beantragen, die Revision zurückzuweisen.

Die Beteiligten haben sich in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat für den mittlerweile eingetretenen Fall des Widerrufs des vorgeschlagenen Vergleichs mit einer Entscheidung ohne weitere mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision der Beklagten ist überwiegend begründet; das Berufungsurteil beruht auf der Verletzung von Bundesrecht. Denn ausgehend von den das Revisionsgericht bindenden tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts rechtfertigen die im Berufungsurteil als Rechtsgrundlage angeführten § 93 Abs. 2 BSHG in der Fassung der Bekanntmachung vom 10. Januar 1991 (BGBl I S. 94), § 77 SGB VIII in der Fassung der Bekanntmachung vom 3. Mai 1993 (BGBl I S. 637) und die Allgemeine Vereinbarung über die Pflegesatzgestaltung in Rheinland-Pfalz vom 22. Juni 1971 (AV 1971) die im Berufungsurteil ausgesprochene Feststellung nicht.

Zu Recht hat das Berufungsgericht ausgeführt, dass nach § 43 Abs. 1 VwGO durch Klage die Feststellung des Bestehens eines Rechtsverhältnisses begehrt werden kann und dass zulässiger Gegenstand einer Feststellungsklage das Bestehen, der Inhalt und der Umfang bestimmter Ansprüche bzw. Leistungspflichten, hier einer Berücksichtigungspflicht, sein können. Zutreffend hat das Berufungsgericht auch erkannt, dass § 43 Abs. 2 VwGO mit dem grundsätzlichen Vorrang der Leistungsklage der Zulässigkeit der Feststellungsklage gegen öffentliche Träger bzw. ihre Spitzenverbände nicht entgegensteht, weil von ihnen zu erwarten ist, dass sie einem Feststellungsurteil Folge leisten.

Zu Unrecht aber hat das Berufungsgericht den Beklagten gegenüber festgestellt, dass bestimmte „Personalkostenerhöhungen bei den Pflegesatzverhandlungen, die zur Pflegesatzvereinbarung vom 18. Juni 1993 geführt haben, für das Jahr 1993 in vollem Umfang zu berücksichtigen gewesen wären.”

Diese Feststellung entspricht zwar dem Wortlaut des Feststellungsbegehrens der Kläger; für sie fehlt aber, nimmt man sie beim Wort, das Rechtsschutzbedürfnis.

Wird begehrt festzustellen und dann festgestellt, dass bestimmte Umstände bei (in der Vergangenheit liegenden) Pflegesatzverhandlungen, die zu einer Pflegesatzvereinbarung geführt haben, zu berücksichtigen „gewesen wären”, so bezieht sich das allein auf eine in der Vergangenheit bestehende Pflicht, die nicht erfüllt worden ist. Weder die Kläger noch das Berufungsgericht haben aber dargelegt, worin das Rechtsschutzbedürfnis für eine solche lediglich in die Vergangenheit gerichtete Feststellung liegen sollte.

Gegen das Rechtsschutzbedürfnis für eine Feststellung, dass bestimmte Personalkostenerhöhungen bei den Pflegesatzverhandlungen, die zur Pflegesatzvereinbarung vom 18. Juni 1993 geführt haben, zu berücksichtigen „gewesen wären”, spricht auch, dass Vertreter der Kläger an diesen Pflegesatzverhandlungen teilgenommen und dieser Pflegesatzvereinbarung zugestimmt haben. Bestand eine Berücksichtigungspflicht nur damals, hätten die Vertreter der Kläger ihre Erfüllung damals verlangen müssen und nicht vorher ihre Zustimmung zur Pflegesatzvereinbarung geben dürfen. Ein solches Versäumnis kann nicht mit einer nachträglichen Feststellung korrigiert werden.

Versteht man, wie das Berufungsgericht – anders als im Tenor – in den Entscheidungsgründen des Berufungsurteils, das Feststellungsbegehren der Kläger richtig dahin, dass die bezeichneten Personalkostenerhöhungen bei den Pflegesatzverhandlungen bzw. bei der Pflegesatzvereinbarung für das Jahr 1993 in vollem Umfang zu berücksichtigen sind, ist es den Beklagten zu 1 bis 3 gegenüber nicht begründet und dem Beklagten zu 4 gegenüber (nur) insoweit begründet, als er verpflichtet ist, bei seiner Ermessensentscheidung über den Abschluss einer Pflegesatzvereinbarung für das Jahr 1993 die durch die Tarifumstellung bedingten Personalkostenerhöhungen als abwägungsrelevant zu berücksichtigen.

Die gegen die Beklagten gerichtete Feststellung, tarifumstellungsbedingte Personalkostenerhöhungen der Kläger seien bei den Pflegesatzverhandlungen bzw. der Pflegesatzvereinbarung für das Jahr 1993 in vollem Umfang zu berücksichtigen, findet keine Rechtsgrundlage in der AV 1971. Dort ist zwar der Maßstab für die Pflegesatzgestaltung bezeichnet (§ 9 Abs. 2 AV 1971: „Die Pflegesätze … werden entsprechend der Höhe der nachgewiesenen Kosten … vereinbart. Kosten im Sinne dieser Vereinbarung sind …”), die konkrete Verhandlung und Vereinbarung der einzelnen Pflegesätze obliegt aber nicht den Vertragspartnern der AV 1971 selbst, sondern einer Pflegesatzkommission, die aus vier Vertretern der Spitzenverbände der freien Wohlfahrtspflege und drei Vertretern der kommunalen Spitzenverbände sowie einem Vertreter des Landes Rheinland-Pfalz besteht (§ 2 Abs. 1 und 2 Satz 1 AV 1971). Entscheidend ist, dass nach § 2 Abs. 2 Satz 4 AV 1971 Beschlüsse der Pflegesatzkommission einstimmig gefasst werden müssen. Wird Einstimmigkeit nicht erreicht, kommt nach der AV 1971 eine Pflegesatzvereinbarung nicht zustande. Mit diesem Erfordernis der Einstimmigkeit ist es nicht vereinbar, mit gerichtlichem Zwang auf die inhaltliche Ausrichtung bestimmter Pflegesatzverhandlungen bzw. auf die inhaltliche Gestaltung einer bestimmten Pflegesatzvereinbarung in der Pflegesatzkommission einzuwirken oder durch gerichtliche Entscheidung als Verpflichtung festzustellen, bestimmte Umstände, hier höhere Personalkosten, seien bei konkreten Pflegesatzverhandlungen bzw. bei einer konkreten Pflegesatzvereinbarung zu berücksichtigen.

Gegenüber den Beklagten zu 1 bis 3 kann die streitgegenständliche Feststellung auch nicht auf § 93 Abs. 2 BSHG F. 1991, § 77 SGB VIII F. 1993 gestützt werden. Zwar steht die AV 1971 dem Abschluss einer Pflegesatzvereinbarung allein auf gesetzlicher Grundlage nicht entgegen, wenn ein einstimmiger Beschluss der Pflegesatzkommission über eine Pflegesatzvereinbarung nicht zustande kommt oder – wie nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hier – zwar zunächst zustande gekommen ist, aber unter dem noch offenen Vorbehalt einer Nachverhandlung in Bezug auf eine möglicherweise pflegesatzrelevante Kostenposition – hier eine tarifumstellungsbedingte Personalkostenerhöhung – steht. Ferner kann ein Anspruch darauf, dass der Sozialhilfe- bzw. Jugendhilfeträger über den Abschluss einer Pflegesatzvereinbarung ermessensfehlerfrei entscheidet (vgl. BVerwGE 108, 56, 60), nicht nur dem Einrichtungsträger, sondern nach § 93 Abs. 2 BSHG auch seinem Verband – hier den Klägern – zustehen. Partner einer Pflegesatzvereinbarung nach § 93 Abs. 2 BSHG F. 1991, § 77 SGB VIII F. 1993 können jedoch auf der Grundlage dieser Bestimmungen auf der Seite der öffentlichen Träger nur Sozialhilfeträger bzw. Träger öffentlicher Jugendhilfe sein. Da die Beklagten zu 1 bis 3 zwar kommunale Spitzenverbände von Sozialhilfeträgern und Trägern der öffentlichen Jugendhilfe, nicht aber selbst Sozialhilfeträger oder Träger öffentlicher Jugendhilfe sind, kann ihnen gegenüber folglich eine Berücksichtigungspflicht in Bezug auf Pflegesatzverhandlungen oder Pflegesatzvereinbarung nicht festgestellt werden.

Vom Beklagten zu 4 als überörtlichem Träger der Sozialhilfe und der öffentlichen Jugendhilfe können die Kläger verlangen, dass er über den Abschluss einer Pflegesatzvereinbarung für das Jahr 1993 ermessensfehlerfrei entscheidet (BVerwGE 108, 56, 60). Dem steht die Pflegesatzvereinbarung vom 18. Juni 1993 nicht entgegen; denn diese war mit dem Vorbehalt der Nachverhandlung getroffen, welche die Kläger gerade einfordern. Das Feststellungsbegehren der Kläger dahin, dass die bezeichneten Personalkostenerhöhungen bei den Pflegesatzverhandlungen bzw. bei der Pflegesatzvereinbarung für das Jahr 1993 in vollem Umfang zu berücksichtigen sind, erfasst in einem engeren Sinn (nur) die Pflicht, die Personalkostenerhöhungen in ihrem gesamten Ausmaß bei den Pflegesatzverhandlungen, also bei Sichtung und Bewertung pflegesatzrelevanter Kriterien und damit als maßgebliche Grundlage für die Ermessensentscheidung über den Abschluss einer Pflegesatzvereinbarung, zu berücksichtigen, wobei offen bleibt, in welchem Umfang sie im Falle einer Pflegesatzvereinbarung auf die Höhe der Pflegesätze durchschlagen (vgl. dazu Berufungsurteil S. 10 Abs. 1 a.E.); in einem weiteren Sinn erfasst es die Pflicht, die Personalkostenerhöhungen nicht nur als Grundlage der Ermessensentscheidung über eine Pflegesatzvereinbarung, sondern weitergehend auch dahin zu berücksichtigen, dass die Pflegesätze wegen der Personalkostenerhöhungen in deren vollem Umfang angehoben werden.

Da dem Sozialhilfeträger bzw. dem Träger öffentlicher Jugendhilfe bei Abschluss einer Pflegesatzvereinbarung Ermessen zusteht, kann dem Beklagten zu 4 als überörtlichem Träger der Sozialhilfe und der öffentlichen Jugendhilfe gegenüber nicht die Pflicht festgestellt werden, einzelne Kostenpositionen – hier tarifumstellungsbedingte Personalkostenerhöhungen – in vollem Umfang bei der Pflegesatzvereinbarung dergestalt zu berücksichtigen, dass sie durch die Pflegesätze in vollem Umfang abgedeckt werden.

Der Beklagte zu 4 als überörtlicher Träger der Sozialhilfe und der öffentlichen Jugendhilfe ist aber verpflichtet, die tarifumstellungsbedingte Personalkostenerhöhung als eine maßgebliche pflegesatzrelevante Grundlage bei seiner Ermessensentscheidung über den Abschluss einer Pflegesatzvereinbarung für das Jahr 1993 zu berücksichtigen. Zu Recht ist das Berufungsgericht der Ansicht, dass die Personalkosten der Kläger insgesamt, also auch in vollem Umfang die tarifumstellungsbedingten Personalkostenerhöhungen, als pflegesatzrelevante Kostenposition bei der Entscheidung über eine Pflegesatzvereinbarung zu berücksichtigen sind. Zutreffend hat das Berufungsgericht dazu dargelegt, dass sowohl der Kommunaltarif des BAT (BAT-VKA) als solcher als auch die sich im Jahr 1993 auswirkende Umstellung der Kläger auf diesen Tarif den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit, Sparsamkeit und Leistungsfähigkeit entsprechen. Bei anderen Einrichtungsträgern hatten und haben die Beklagten, einschließlich des Beklagten zu 4, auch 1993 die Wirtschaftlichkeit, Sparsamkeit und Leistungsfähigkeit in Bezug auf den BAT-VKA nicht in Frage gestellt. Es ist deshalb eine nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung, wenn sie unter Kostengesichtspunkten von diesen Einrichtungsträgern nicht verlangen, vom BAT-VKA auf einen anderen Tarif umzustellen, den Klägern aber entgegenhalten, diese hätten nicht auf den BAT-VKA umzustellen brauchen und müssten ihn wieder aufgeben. 1993 waren die Kläger wie andere Einrichtungsträger auch an den BAT-VKA gebunden. Damit sind die Personalkosten der Kläger nach BAT-VKA bei der Ermessensentscheidung über die Pflegesatzvereinbarung als Kostenposition zu berücksichtigen.

Eine andere, in diesem Klageverfahren aber nicht zu entscheidende Frage ist, wie sich die tarifumstellungsbedingt höheren Personalkosten auf eine neue Pflegesatzvereinbarung 1993 auswirken werden. Während die Pflegesatzvereinbarung vom 18. Juni 1993, die bezogen auf die tarifumstellungsbedingten Personalkostenerhöhungen unter dem Vorbehalt der Nachverhandlung stand, die Pflegesätze für 1993 pauschal um 3,2 % anhob, ist der Beklagte zu 4 als einer der zuständigen öffentlichen Träger bei der Vereinbarung neuer Pflegesätze für 1993 zwar verpflichtet, die tarifumstellungsbedingt höheren Personalkosten der Kläger als eine – unter anderen – relevante Grundlage für die Ermessensentscheidung zu berücksichtigen. Das bedeutet aber nicht ohne weiteres, dass höhere Personalkosten notwendig zu entsprechend höheren Pflegesätzen führen müssten. Denn zum einen sind die Personalkosten nur eine Kostenposition bei der Prüfung der Wirtschaftlichkeit, Sparsamkeit und Leistungsfähigkeit, und zum anderen steht es im pflichtgemäßen Ermessen, ob eine Pflegesatzvereinbarung getroffen wird (BVerwGE 108, 56, 60).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 VwGO, die Gerichtskostenfreiheit auf § 188 Satz 2 VwGO.

 

Unterschriften

Dr. Säcker, Prof. Dr. Pietzner, Schmidt, Dr. Rothkegel, Dr. Franke

 

Fundstellen

Haufe-Index 558307

FEVS 2001, 1

ZfJ 2001, 111

DVBl. 2000, 1696

GV/RP 2001, 109

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