Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenhauspflegesätze. Genehmigung von Krankenhauspflegesätzen. Anfechtung der –. Sozialleistungsträger. Berufsgenossenschaft. Klagebefugnis gegen Pflegesatzgenehmigung. Pflegesatzvereinbarung. Vertragsparteien der Pflegesatzvereinbarung

 

Leitsatz (amtlich)

Ein Sozialleistungsträger, der nicht zu den Vertragsparteien der Pflegesatzvereinbarung nach § 18 Abs. 2 KHG gehört, kann die behördliche Genehmigung der Pflegesatzvereinbarung nicht mit der Klage anfechten.

 

Normenkette

GG Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 19 Abs. 3, Art. 4; KHG §§ 1, 17-18; BPflV § 9; VwGO § 42 Abs. 2; SGB IV § 1; SGB VII § 114

 

Verfahrensgang

Niedersächsisches OVG (Urteil vom 15.12.1998; Aktenzeichen 11 L 165/97)

VG Hannover (Urteil vom 26.11.1996; Aktenzeichen 5 A 6829/94)

 

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 15. Dezember 1998 geändert.

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Hannover vom 26. November 1996 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.

 

Tatbestand

I.

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit einer Pflegesatzgenehmigung für das Jahr 1993 für das von der Beigeladenen betriebene Krankenhaus. Im Herbst 1993 schlossen die Beigeladene sowie die AOK N.…, der Verband der Angestelltenkrankenkassen sowie die Arbeitsgemeinschaft der Betriebskrankenkassen im Land N.… eine Pflegesatzvereinbarung für das Jahr 1993, die für das Krankenhaus ein Festbudget in Höhe von 103 590 049 DM festlegte. Davon entfielen auf die Behandlung von Schwerbrandverletzten 7 760 221 DM. Für die Zeit vom 1. Januar bis 30. September 1993 wurde pro Tag ein allgemeiner Pflegesatz von 464,38 DM und ein besonderer Pflegesatz für die Behandlung von Schwerbrandverletzten von 2 868,52 DM bestimmt. Für die Zeit vom 1. Oktober bis 31. Dezember 1993 wurde der allgemeine Pflegesatz auf 1 058,75 DM und der besondere Pflegesatz für die Behandlung von Schwerbrandverletzten auf 21 685,41 DM festgesetzt. Die starke Erhöhung der Pflegesätze im letzten Quartal ergab sich aus der Notwendigkeit des Ausgleichs zu niedriger Pflegesätze im Jahre 1992 und in den ersten neun Monaten 1993. Die letzte Unterschrift unter dieser Vereinbarung datiert vom 12. Oktober 1993.

Mit Bescheid vom 19. Oktober 1993, den Parteien der Pflegesatzvereinbarung zugestellt zwischen dem 28. Oktober und dem 9. November 1993, genehmigte der Beklagte die Pflegesatzvereinbarung.

Am 20. September 1993 wurde ein Mitglied der klagenden Berufsgenossenschaft mit erheblichen Brandverletzungen in das Krankenhaus der Beigeladenen eingeliefert und dort bis zum 18. November 1993 behandelt. Hierfür berechnete das Krankenhaus der Klägerin für die Zeit bis zum 30. September 1993 einen täglichen Pflegesatz von 2 868,52 DM und für die Zeit ab 1. Oktober 1993 einen täglichen Pflegesatz von 21 685,41 DM. Daraus ergab sich für die Zeit bis zum 30. September ein Betrag von 31 553,72 DM und für die 49 Tage vom 1. Oktober bis zum 18. November 1993 ein Betrag von 1 062 585 DM. Insgesamt belief sich die Forderung auf 1 094 138 DM. Darauf hat die Klägerin einen Betrag von 244 496,60 DM gezahlt.

Am 5. September 1994 hat die Klägerin Klage gegen die Genehmigung der Pflegesatzvereinbarung erhoben. Dazu hat sie vorgetragen, für sie gelte die Anfechtungsfrist von einem Monat nicht, da ihr der Genehmigungsbescheid nicht zugestellt worden sei. Sie sei klagebefugt, da die Erhöhung der Pflegesätze sie als Kostenträger unmittelbar belaste. Die Erhöhung des Pflegesatzes für Schwerbrandverletzte um ca. 800 % sei rechtswidrig, weil sie nicht den Grundsätzen einer sparsamen Wirtschaftsführung entspreche und der Verpflichtung zuwiderlaufe, zu sozial tragbaren Pflegesätzen beizutragen. Außerdem stelle die Inkraftsetzung des neuen Pflegesatzes ab 1. Oktober 1993 eine unzulässige Rückwirkung dar.

Der Beklagte hat die Klagebefugnis der Klägerin in Zweifel gezogen und im Übrigen die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides verteidigt. Dazu hat er vorgetragen, der durchschnittliche Pflegesatz für Schwerbrandverletzte im Krankenhaus der Beigeladenen für das Jahr 1993 betrage nach Abzug der erforderlichen Ausgleiche aus den Vorjahren 4 436,31 DM und sei damit keineswegs überhöht. Die Verteilung der notwendigen Ausgleiche auf die Restlaufzeit der Pflegesatzvereinbarung sei normativ vorgegeben und ergebe sich aus dem System der Krankenhausfinanzierung, in dem die zu zahlenden Tagespflegesätze nur Abschlagszahlungen auf das dem Krankenhaus zustehende Gesamtbudget seien.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage durch Urteil vom 26. November 1996 als unzulässig abgewiesen. Es hat ausgeführt, die Klägerin sei nicht klagebefugt. Sie stehe nicht in einer unmittelbaren Rechtsbeziehung zum Beklagten. Das Krankenhausfinanzierungsgesetz habe für sie auch keine drittschützende Wirkung. § 18 KHG verleihe nur einem engen Kreis von Sozialleistungsträgern die Befugnis, Pflegesätze zu vereinbaren. Diese Sozialleistungsträger handelten für alle und nähmen die Interessen aller wahr. Der alleinigen Vereinbarungskompetenz entspreche auch die alleinige Befugnis, gegen eine Genehmigung vorzugehen.

Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberverwaltungsgericht der Klage durch Urteil vom 15. Dezember 1998 stattgegeben und den Genehmigungsbescheid des Beklagten aufgehoben, soweit darin für den Zeitraum vom 1. Oktober 1993 bis zum 18. November 1993 der Pflegesatz für die Behandlung von Schwerbrandverletzten auf 21 685,41 DM festgesetzt worden ist. Dazu hat es ausgeführt, die Klägerin sei klagebefugt. Die Überlegungen, die das Bundesverwaltungsgericht im Urteil vom 21. Dezember 1995 (BVerwG 3 C 34.94 – BVerwGE 100, 230) veranlasst hätten, einem selbstzahlenden Privatpatienten die Klagebefugnis gegen eine rückwirkende Pflegesatzgenehmigung einzuräumen, müssten hier entsprechend herangezogen werden. Die Klägerin stehe einem solchen Privatpatienten gleich, weil sie kostentragungspflichtig sei und die Genehmigung nach § 17 Abs. 1 Satz 1 KHG die Pflegesätze ihr gegenüber verbindlich mache. Für den Abrechnungszeitraum Oktober 1993 liege auch eine rückwirkende Pflegesatzerhöhung vor, da die Vereinbarung erst am 12. Oktober 1993 geschlossen worden sei und die Pflegesätze daher nach § 19 Abs. 2 Satz 1 der Bundespflegesatzverordnung frühestens am 1. November 1993 hätten in Kraft treten können. Es könne offen bleiben, ob sogar für den November 1993 eine unzulässige Rückwirkung vorliege. Jedenfalls sei eine Klagebefugnis auch dann zu bejahen, wenn die Vorgaben des § 17 Abs. 1 und des § 1 KHG für die Pflegesatzgestaltung offensichtlich nicht eingehalten seien. Dazu gehöre die Forderung, dass die Pflegesätze medizinisch leistungsgerecht sein müssten und dass bei ihrer Ermittlung der Grundsatz der Beitragsstabilität zu beachten sei. Damit korrespondiere das in § 1 Abs. 1 KHG niedergelegte Grundprinzip, wonach die Pflegesätze sozial tragbar sein sollen. Zumindest dann, wenn die von den Beteiligten ausgehandelten und von dem Beklagten genehmigten Pflegesätze als offensichtlich überhöht erschienen, sei eine Klagebefugnis zu bejahen.

Die Klage sei auch begründet. Der genehmigte Pflegesatz für Schwerbrandverletzte sei rechtswidrig, weil er gegen den Grundsatz der sozialen Tragbarkeit von Pflegesätzen verstoße. Gegenüber dem Pflegesatz der ersten neun Monate sei der Pflegesatz für das letzte Quartal 1993 um 700 % erhöht worden. Die Rechtswidrigkeit ergebe sich außerdem aus der rückwirkenden Inkraftsetzung der Pflegesätze.

Mit der vom erkennenden Senat zugelassenen Revision erstrebt der Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Er meint, die Erwägungen im Urteil vom 21. Dezember 1995 seien schon deshalb nicht einschlägig, weil die Klägerin sich als öffentlichrechtliche Körperschaft nicht auf das dort herangezogene Grundrecht der freien Entfaltung der Persönlichkeit berufen könne. Die Bestimmungen des Krankenhausfinanzierungsgesetzes hätten keine drittschützende Wirkung zugunsten der Klägerin. Die Annahme des Berufungsgerichts, die streitigen Pflegesätze missachteten die maßgeblichen Grundsätze der Pflegesatzberechnung, verkenne die Grundprinzipien dieser Berechnung. Die Frage, ob der Grundsatz der Beitragsstabilität beachtet und das Gebot, zu sozial tragbaren Pflegesätzen beizutragen, eingehalten sei, müsse von den insgesamt zu erbringenden und im Budget zusammengefassten Leistungen her beurteilt werden; der einzelne Tagespflegesatz sei insoweit nicht relevant.

Die Klägerin hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Sie meint, schon die §§ 17 f. KHG hätten drittschützende Wirkung. Im Übrigen sei sie nach Art. 19 Abs. 3 GG grundrechtsfähig, weil sie die Interessen ihrer Mitglieder zu vertreten habe. Zumindest könne sie sich auf eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes und des Willkürverbots berufen.

Die Beigeladene hat sich im Revisionsverfahren nicht geäußert.

Der Oberbundesanwalt beim Bundesverwaltungsgericht beteiligt sich am Verfahren. In Übereinstimmung mit dem Bundesministerium für Gesundheit vertritt er die Auffassung, der Klägerin fehle die Klagebefugnis. Die Ausdehnung der Klagebefugnis über den Kreis der Vertragsparteien hinaus widerspreche Sinn und Zweck des Pflegesatzsystems. Dieses beruhe darauf, dass die Wahrnehmung der Interessen aller Beteiligten bestimmten Sachwaltern übertragen sei, von denen angenommen werden könne, dass sie nach Sachkenntnis und eigener Interessenlage zu sachgerechten Lösungen fänden. Die von der Klägerin verlangte Klagebefugnis für alle Sozialleistungsträger würde die Planungssicherheit der Krankenhäuser in unerträglicher Weise beeinträchtigen, zumal insoweit die kurze Klagefrist des § 74 VwGO nicht greifen könne.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist begründet. Das angefochtene Urteil verletzt Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 VwGO).

Das Berufungsgericht hat zu Unrecht die Klagebefugnis der Klägerin nach § 42 Abs. 2 VwGO gegen den Genehmigungsbescheid vom 19. Oktober 1993 bejaht. Die Klage ist daher unzulässig und die Berufung der Klägerin gegen das klageabweisende erstinstanzliche Urteil zurückzuweisen.

1. Die Klägerin ist nicht Adressatin des angefochtenen Genehmigungsbescheides. Wie der Senat in seinem Urteil vom 21. Dezember 1995 (BVerwG 3 C 34.94 – BVerwGE 100, 230 ≪233≫) ausgeführt hat, ergibt sich aus den Bestimmungen über das Pflegesatzverfahren in § 18 des Krankenhausfinanzierungsgesetzes (KHG), hier anwendbar in der Fassung der Bekanntmachung vom 10. April 1991 (BGBl I S. 886) und des Art. 11 des Gesundheitsstrukturgesetzes vom 21. Dezember 1992 (BGBl I S. 2266), dass nur die Vertragsparteien im Sinne des § 18 Abs. 2 KHG Adressaten des Genehmigungsbescheides sind. Daran ist festzuhalten, zumal insoweit auch in Literatur und Rechtsprechung von keiner Seite Bedenken geäußert worden sind.

Die Klägerin gehört nicht zu den Parteien der Pflegesatzvereinbarung. Nach § 18 Abs. 2 KHG sind dies einerseits der Krankenhausträger und andererseits (Nr. 1) Sozialleistungsträger, soweit auf sie allein, oder (Nr. 2) Arbeitsgemeinschaften von Sozialleistungsträgern, soweit auf ihre Mitglieder insgesamt im Jahr vor Beginn der Pflegesatzverhandlungen mehr als 5 v.H. der Berechnungstage des Krankenhauses entfallen. Die klagende Berufsgenossenschaft ist zwar ein Sozialleistungsträger. Nach § 1 Abs. 1 SGB IV ist die gesetzliche Unfallversicherung Teil der Sozialversicherung. Nach § 114 Abs. 1 SGB VII sind die gewerblichen Berufsgenossenschaften Unfallversicherungsträger. Die Klägerin gehört aber nicht zu den Vertragsparteien, weil auf sie weniger als 5 v.H. der Berechnungstage des beigeladenen Krankenhauses entfielen und sie sich auch nicht zu einer Arbeitsgemeinschaft von Sozialleistungsträgern mit dem Ziel der Beteiligung an den Pflegesatzverhandlungen zusammengeschlossen hat.

Die Klägerin gehört auch nicht zu den sonstigen Beteiligten des Pflegesatzverfahrens im Sinne des § 18 Abs. 1 KHG, sodass die im Urteil vom 26. Oktober 1995 (BVerwG 3 C 27.94 – Buchholz 451.74 § 18 KHG Nr. 6) verneinte Frage, ob diese sonstigen Beteiligten ein Klagerecht gegen die Pflegesatzgenehmigung haben, hier keine Rolle spielt.

Freilich hat ein Dritter, der von einem Bescheid betroffen ist, ohne dessen Adressat zu sein, ein Recht zur Anfechtung, wenn er sich auf eine öffentlichrechtliche Norm stützen kann, die ihm eine eigene schutzfähige Rechtsposition einräumt. Drittschutz vermitteln jedoch nur solche Vorschriften, die nach dem in ihnen enthaltenen, durch Auslegung zu ermittelnden Entscheidungsprogramm für die Behörde auch der Rücksichtnahme auf Interessen eines individualisierbaren, d.h. sich von der Allgemeinheit unterscheidenden Personenkreises dienen (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 16. März 1989 – BVerwG 4 C 36.85 – BVerwGE 81, 329 ≪334≫; vom 16. Juni 1994 – BVerwG 3 C 12.93 – Buchholz 451.74 § 7 KHG Nr. 1 S. 3; Urteil vom 26. Oktober 1995 – BVerwG 3 C 27.94 – Buchholz a.a.O.).

Die Klägerin ist von der angefochtenen Genehmigung betroffen. Nach § 17 Abs. 1 Satz 1 KHG und § 9 Abs. 1 der Bundespflegesatzverordnung (BPflV) i.d.F. der Bekanntmachung vom 21. August 1985 (BGBl I S. 1666) und des Art. 12 des Gesundheitsstrukturgesetzes vom 21. Dezember 1992 (BGBl I S. 2266) ist der genehmigte Pflegesatz für alle Benutzer des Krankenhauses unmittelbar kraft Gesetzes verbindlich (vgl. Urteil vom 21. Dezember 1995 – BVerwG 3 C 34.94 – BVerwGE 100, 230 ≪235≫). Als Sozialversicherung hat die Klägerin für ihre Mitglieder unmittelbar die Leistungspflicht für die Inanspruchnahme des Krankenhauses. Sie ist insoweit Kostenträger.

Als Schutznorm sieht die Klägerin in erster Linie § 18 Abs. 5 Satz 2 KHG an, wonach gegen die Genehmigung der Verwaltungsrechtsweg gegeben ist. Der Senat hat jedoch bereits in seinem Urteil vom 26. Oktober 1995 (BVerwG 3 C 27.94 – Buchholz a.a.O.) ausgesprochen, dass diese Bestimmung nach Wortlaut, systematischem Zusammenhang und Entstehungsgeschichte nur den Klagegegenstand und den zur Verfügung stehenden Rechtsweg festlegt, aber keine Aussage über die Frage der Klagebefugnis macht. Gründe, die zu einer Überprüfung dieser Auffassung führen könnten, trägt die Klägerin nicht vor.

Die Klägerin beruft sich weiter auf die materiellrechtlichen Vorgaben für die Pflegesatzermittlung in § 17 Abs. 1 KHG und in § 1 Abs. 1 KHG. Insbesondere verweist sie auf das Erfordernis medizinischer Leistungsgerechtigkeit, auf den Grundsatz der Beitragssatzstabilität sowie auf das Erfordernis sozial tragbarer Pflegesätze. Diese den Inhalt der Pflegesatzvereinbarung festlegenden Bestimmungen räumen der Klägerin jedoch keine eigene schutzfähige Rechtsposition ein. Entgegen der von ihr vertretenen Auffassung eröffnet das Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht jedem von einer Pflegesatzgenehmigung betroffenen Kostenträger eine Anfechtungsmöglichkeit mit der Begründung, der genehmigte Pflegesatz entspreche nicht den gesetzlichen Vorgaben.

In seinem einen selbstzahlenden Krankenhauspatienten betreffenden Urteil vom 21. Dezember 1995 (BVerwG 3 C 34.94 – BVerwGE 100, 230) ist der Senat dieser Frage nicht ausdrücklich nachgegangen. Er hat vielmehr das Grundrecht des Art. 2 Abs. 1 GG zum Ausgangspunkt seiner Überlegungen gemacht und daran die Frage geknüpft, inwieweit dem § 17 KHG eine Einschränkung dieses Grundrechts zu entnehmen ist. Dem liegt die unausgesprochene Prämisse zugrunde, dass das Krankenhausfinanzierungsgesetz selbst über die Vertragsparteien hinaus niemandem ein Klagerecht einräumen will.

Diese Prämisse hält jedenfalls im Hinblick auf die Sozialleistungsträger, die nicht Parteien der Pflegesatzvereinbarung sind, einer Überprüfung stand. Das ergibt sich aus dem Sinn und Zweck der Verfahrensregelungen in Verbindung mit der in § 17 Abs. 1 Satz 1 KHG angeordneten Allgemeinverbindlichkeit der genehmigten Pflegesätze.

§ 18 Abs. 2 KHG erklärt nur einen Teil der Sozialleistungsträger zu Vertragsparteien. Er setzt damit voraus, dass die betreffenden Sozialleistungsträger aufgrund ihres Anteils an der Bettenbelegung des jeweiligen Krankenhauses einerseits die Verhältnisse des Krankenhauses kennen und andererseits ein hinreichendes Eigeninteresse an der sachgerechten Festlegung der Pflegesätze haben. Diese Reduzierung gewährleistet gleichzeitig die Zügigkeit des Pflegesatzverfahrens, dem der Gesetzgeber durch die Fristbestimmungen des § 18 Abs. 4 KHG, die Verpflichtung zur unverzüglichen Erteilung der Genehmigung in § 18 Abs. 5 Satz 1 KHG sowie den Wegfall des Vorverfahrens und den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung einer Klage (§ 18 Abs. 5 Satz 3 KHG) im Interesse aller Beteiligten, vor allem aber im Interesse des Krankenhauses, entscheidendes Gewicht beimisst. Zu Recht macht der Oberbundesanwalt in Übereinstimmung mit dem Bundesgesundheitsminister geltend, dass dieses Ziel der Straffung und der Planungssicherheit für alle Beteiligten durch ein Klagerecht jedes beliebigen Sozialleistungsträgers, der im Laufe des Pflegesatzzeitraums von der Genehmigung betroffen wird, mit der Anfechtungsklage in Frage gestellt werden könnte. Da für diese Sozialleistungsträger allenfalls die Klagefrist von einem Jahr nach § 58 Abs. 2 VwGO laufen würde, könnten die Krankenhäuser frühestens ein Jahr nach der Erteilung der Genehmigung sicher sein, dass die genehmigten Pflegesätze tatsächlich Bestand haben.

Andererseits brauchte der Gesetzgeber nicht von der Notwendigkeit eines Klagerechts der nicht beteiligten Sozialleistungsträger auszugehen. Es gibt keinen Anlass zu der Annahme, dass zwischen den zu Vertragsparteien berufenen Sozialleistungsträgern und den die Belegungsschwelle nicht überschreitenden übrigen Sozialleistungsträgern ein prinzipieller Interessengegensatz bestehen könnte, der deren ausreichende Interessenwahrnehmung in Frage stellen würde. Im Übrigen haben auch Sozialleistungsträger, die beim einzelnen Krankenhaus die Schwelle von 5 v.H. der Belegungstage nicht überschreiten, die Möglichkeit, sich durch den Zusammenschluss zu Arbeitsgemeinschaften eine eigene Interessenvertretung zu sichern, wenn sie dies für notwendig erachten.

Im Ergebnis ist daher davon auszugehen, dass der Gesetzgeber den nicht als Vertragsparteien beteiligten Sozialleistungsträgern kein eigenes Recht einräumen wollte, die Einhaltung der materiellrechtlichen Vorschriften über die Pflegesatzermittlung durch eine Anfechtungsklage gegen die Genehmigung der Pflegesätze sicherzustellen.

2. Das Grundgesetz gebietet es nicht, der Klägerin gleichwohl die Klagebefugnis zuzuerkennen. Für eine verfassungskonforme Auslegung der Bestimmungen des Krankenhausfinanzierungsgesetzes ist daher kein Raum.

2.1 Das angefochtene Urteil leitet die Klagebefugnis der Klägerin im Wesentlichen daraus her, dass sie ebenso wie der selbst zahlende Krankenhauspatient unmittelbar von der Genehmigung betroffen sei und daher die Gründe, die den Senat in seinem Urteil vom 21. Dezember 1995 (BVerwG 3 C 34.94 – a.a.O.) zur Anerkennung der Klagebefugnis bewogen hätten, auch hier heranzuziehen seien. Dabei übergeht das Berufungsgericht die Tatsache, dass der Senat die Klagebefugnis in dieser Entscheidung aus Art. 2 Abs. 1 GG hergeleitet hat. Auf dieses Grundrecht kann sich die Klägerin jedoch nicht berufen.

Die Träger der Sozialversicherung sind nach § 29 Abs. 1 SGB IV rechtsfähige Körperschaften des öffentlichen Rechts mit Selbstverwaltung. Art. 19 Abs. 3 GG bestimmt, dass die Grundrechte auch für inländische juristische Personen gelten, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind. Dazu vertritt das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass die Grundrechte grundsätzlich nicht für juristische Personen des öffentlichen Rechts gelten, soweit sie öffentliche Aufgaben wahrnehmen (vgl. u.a. Beschlüsse vom 2. Mai 1967 – 1 BvR 578/63 – BVerfGE 21, 362 ≪369, 372≫ und vom 14. Mai 1985 – 1 BvR 449 u.a./82 – BVerfGE 70, 1 ≪15≫). Maßgeblich ist insoweit die Funktion, in der die juristische Person des öffentlichen Rechts von dem beanstandeten Akt der öffentlichen Gewalt betroffen ist. Besteht diese Funktion in der Wahrnehmung gesetzlich zugewiesener und geregelter öffentlicher Aufgaben, so kann sie sich insoweit auf Grundrechte nicht berufen. Etwas anderes gilt nur dann, wenn ausnahmsweise die betreffende juristische Person des öffentlichen Rechts unmittelbar dem durch die Grundrechte geschützten Lebensbereich zuzuordnen ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 9. April 1975 – 2 BvR 879/73 – BVerfGE 39, 302 ≪313≫).

Dies gilt, wie das Bundesverfassungsgericht in der zuletzt zitierten Entscheidung ausdrücklich ausgesprochen hat, gerade für die Träger der Sozialversicherung nicht. Sie sind dem Staat eingegliederte Körperschaften des öffentlichen Rechts, die Aufgaben in mittelbarer Staatsverwaltung wahrnehmen. Ihre Hauptaufgabe besteht in dem Vollzug einer detaillierten Sozialgesetzgebung gleichsam nach Art einer übertragenen Staatsaufgabe. Sie sind zwar als körperschaftliche Glieder des Sozialversicherungssystems – anders als Landesversicherungsanstalten – mit einer verbandsmäßigen Struktur ausgestattet und verfügen über einen – wenn auch begrenzten – Raum eigenverantwortlichen Handelns. Dies besagt aber nicht, dass sie in dem hier angesprochenen Bereich Träger von gegen den Staat gerichteten Grundrechten sein können. Es fehlt ihnen also eine besondere Zuordnung zu dem durch die Grundrechte geschützten Lebensbereich, wie das für Universitäten und Rundfunkanstalten evident ist (a.a.O., S. 314).

Nach Maßgabe dieser Grundsätze steht außer Frage, dass sich die Klägerin auf das Grundrecht der freien Entfaltung der Persönlichkeit nach Art. 2 Abs. 1 GG gegenüber der Festsetzung von Pflegesätzen durch behördlichen Bescheid nicht berufen kann. Die Klägerin nimmt in diesem Rahmen die ihr übertragene öffentliche Aufgabe des Gesundheitsschutzes durch die Gewährleistung einer ordnungsgemäßen Unfallversicherung wahr. Insoweit ist ihr kein spezieller durch Grundrechte geschützter Lebensbereich zur eigenverantwortlichen Gestaltung zugewiesen. Das liegt gerade für das Grundrecht des Art. 2 Abs. 1 GG auf der Hand.

Die Bezugnahme des Berufungsgerichts auf das Urteil des Senats vom 21. Dezember 1995 geht hiernach fehl.

2.2 Ergänzend beruft sich die Klägerin zur Begründung ihrer Klagebefugnis auf Art. 3 Abs. 1 GG. Unter Bezugnahme auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 1. Juli 1987 (1 BvL 21/82 – BVerfGE 76, 130 ≪139≫) vertritt sie die Auffassung, eine Körperschaft des öffentlichen Rechts könne sich in jedem Falle gegen eine Verletzung des Willkürverbots zur Wehr setzen. Eine solche Verletzung liege hier vor.

Unausgesprochen dürften der angefochtenen Entscheidung ähnliche Erwägungen zugrunde liegen. Das Berufungsgericht meint nämlich, jedenfalls sei die Klagebefugnis von Sozialleistungsträgern, die nicht Vertragsparteien seien, zu bejahen, wenn die in §§ 1, 17 Abs. 1 KHG festgelegten Grundsätze der Pflegesatzbestimmung “offensichtlich verfehlt” würden. Diese Voraussetzung sei bei einer Erhöhung des Tagespflegesatzes um nahezu 700 v.H. erfüllt. Offenbar schwebt auch dem Berufungsgericht insoweit eine Verletzung des Willkürverbots vor.

In der von der Klägerin angezogenen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, die im Rahmen eines konkreten Normenkontrollverfahrens erging, ist ausgeführt, bei der Regelung der Verhältnisse von Körperschaften oder Anstalten des öffentlichen Rechts sei der Gesetzgeber selbst dann an den Gleichheitssatz gebunden, wenn diese sich nicht auf Grundrechte berufen könnten. Im Gleichheitssatz komme ein allgemeiner Rechtsgrundsatz zum Ausdruck, der bereits aus dem Prinzip der allgemeinen Gerechtigkeit folge; insofern beanspruche der Gleichheitssatz objektiv auch Geltung für die Beziehungen innerhalb des hoheitlichen Staatsaufbaus. Insbesondere sei das sich aus dem allgemeinen Gleichheitssatz ergebende Willkürverbot zu beachten, wenn eine öffentlichrechtliche Körperschaft an einem gerichtlichen Verfahren beteiligt sei (a.a.O., S. 139).

Es erscheint fraglich, ob diese Erwägungen des Bundesverfassungsgerichts überhaupt eine Grundlage bilden können, die Klagebefugnis eines Sozialleistungsträgers wegen Verletzung des Willkürverbots zu bejahen. In seinem Beschluss vom 19. Juni 1973 (1 BvL 39/69 u.a. – BVerfGE 35, 263 ≪271≫), auf den das Bundesverfassungsgericht in der vorstehend zitierten Entscheidung Bezug nimmt, ist nämlich ausdrücklich festgehalten, dass das Grundrecht des Art. 3 Abs. 1 GG nicht für juristische Personen des öffentlichen Rechts gilt, soweit sie öffentliche Aufgaben wahrnehmen. Dementsprechend wird der Gleichheitssatz lediglich als allgemeiner Rechtsgrundsatz herangezogen, der auch innerhalb des hoheitlichen Staatsaufbaus objektive Geltung beansprucht. Zur Begründung der Klagebefugnis bedarf es aber gerade einer Rechtsnorm, die dem Betroffenen eine geschützte Rechtsposition zuweist.

Letztlich kann diese Frage aber offen bleiben, da die der angefochtenen Genehmigung zugrunde liegende Regelung keine Verletzung des Willkürverbots erkennen lässt. Grundlage der in der Tat außerordentlichen Steigerung der Tagespflegesätze für Schwerbrandverletzte ist § 19 Abs. 2 Sätze 3 und 4 BPflV 1985. Danach gelten nach Ablauf des Pflegesatzzeitraums die Pflegesätze bis zum In-Kraft-Treten der neuen Pflegesätze weiter. Minder- oder Mehrerlöse des Krankenhauses infolge der Weitergeltung werden durch Zu- oder Abschläge auf die Pflegesätze des laufenden Pflegesatzzeitraums verrechnet. Diese Regelung ist zu sehen vor dem Hintergrund des § 4 BPflV 1985, der bestimmt, dass das Budget auf der Grundlage der vorauskalkulierten Selbstkosten des Krankenhauses unter Berücksichtigung der voraussichtlichen Belegung für einen künftigen Zeitraum vereinbart wird, und des § 5 BPflV 1985, wonach für jedes Krankenhaus auf der Grundlage des Budgets und der voraussichtlichen Belegung ein allgemeiner Pflegesatz vereinbart wird. Der Pflegesatz ist hiernach eine abgeleitete Größe, die sich aus den zu deckenden Kosten und der voraussichtlichen Belegung ergibt. Zwar hat das Gesundheitsstrukturgesetz vom 21. Dezember 1992 insoweit durch die Einführung eines festen Budgets gravierende Veränderungen gebracht. An dem Grundsatz, dass die an das Krankenhaus zu erbringenden Leistungen sich primär aus dem Budget ergeben und die zu zahlenden Tagespflegesätze nur Umlagefunktion haben, hat es aber nichts geändert. Die Einhaltung der Bemessungsgrundsätze der §§ 1 und 17 KHG muss daher, wie der Beklagte und der Oberbundesanwalt zu Recht geltend machen, am Budget und nicht am einzelnen Tagespflegesatz gemessen werden. Dass das mit der Beigeladenen vereinbarte Budget in irgendeinem Punkt gesetzwidrig gewesen sei, macht die Klägerin aber selbst nicht geltend. Von einer willkürlichen Verletzung der Grundsätze der §§ 1 und 17 KHG kann daher keine Rede sein.

Fraglich kann nur sein, ob die in § 19 Abs. 2 Satz 4 BPflV 1985 enthaltene Ausgleichsregel, die dazu führt, dass die Mindererlöse der ersten neun Monate 1993 und teilweise sogar des Jahres 1992 auf die Tagespflegesätze des letzten Quartals 1993 umgelegt wurden, willkürlich ist. Dazu ist anzumerken, dass § 21 Abs. 2 Satz 3 der Pflegesatzverordnung vom 26. September 1994 (BGBl I S. 2750) eine Erhöhung der tagesgleichen Pflegesätze durch den Ausgleich von Mindereinnahmen nur noch bis zu einer Steigerungsrate von 30 v.H. zulässt, während weitergehende Pflegesatzausgleiche in folgende Budgetzeiträume verlagert werden. Damit sollen Pflegesatzsprünge, wie sie in der Vergangenheit vorgekommen sind und auch im vorliegenden Verfahren zur Prüfung stehen, ausgeschlossen werden. Das bedeutet aber nicht, dass die vorhergehende Regelung ganz und gar unvertretbar und damit willkürlich war. Sie beruhte auf der Erwägung, dass das vereinbarte Budget letztlich in jedem Fall von den Sozialleistungsträgern zu tragen sei und dass sich insoweit auch bei den einzelnen Sozialleistungsträgern die zeitbedingten Veränderungen letztlich nivellierten. Im Großen und Ganzen dürfte diese Erwartung zutreffend gewesen sein, denn außer von der Klägerin ist dagegen, soweit ersichtlich, nicht vorgegangen worden. Richtig ist allerdings, dass ein Sozialleistungsträger mit geringem Belegungsanteil an dem konkreten Krankenhaus unter Umständen im Einzelfall durch diese Regelung unverhältnismäßig stark belastet sein kann. Man muss jedoch sehen, dass es sich bei der Klägerin um eine bundesweite Einrichtung handelt, die zwar bei den einzelnen Krankenhäusern verhältnismäßig geringe Belegungsquoten haben mag, die aber bundesweit in großem Umfang Krankenhausleistungen in Anspruch nimmt. Ersichtlich ging der Verordnungsgeber davon aus, dass sich jedenfalls bei den Sozialleistungsträgern letztlich die Vor- und Nachteile dieser Regelung ausgleichen würden. Selbst wenn die Klägerin im Krankenhaus des Beigeladenen nur einen Patienten im Jahr 1993 gehabt haben sollte, spricht eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür, dass sie in anderen Krankenhäusern Nutznießer einer entsprechenden Regelung gewesen ist. Die Annahme des Normgebers, dass die Sozialversicherungsträger je für sich durch die fragliche Regelung nicht ganz und gar unzumutbar belastet würden, konnte sich hiernach auf sachliche Erwägungen stützen.

2.3 Auf Art. 19 Abs. 4 GG kann die Klägerin sich nicht berufen, weil die Vorschrift eine materielle Rechtsstellung voraussetzt, die gerichtlich durchgesetzt werden soll. Daran fehlt es hier.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 VwGO.

 

Unterschriften

Prof. Dr. Driehaus, van Schewick, Dr. Brunn

 

Fundstellen

NJW 2001, 909

BVerwGE, 354

NVwZ 2001, 436

DÖV 2001, 425

VersR 2002, 81

DVBl. 2001, 563

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