Leitsatz (amtlich)

Ein nicht rechtsfähiger Kleingärtnerverein ist als solcher der Unternehmer von längeren, nicht gewerbsmäßigen Bauarbeiten RVO § 783 RVO § 798 Abs 1 Nr 1), welche der Errichtung einer Kantine im Kleingartengelände dienen. 2. Mitglieder eines nicht rechtsfähigen Vereins sind nach RVO § 537 Nr 10 versichert, wenn sie bei der Errichtung eines für Vereinszwecke bestimmten Bauwerks mitarbeiten und sich eine Pflicht zur Arbeitsleistung nicht unmittelbar aus dem Mitgliedschaftsverhältnis ergibt.

 

Normenkette

RVO § 783 Fassung: 1949-08-10, § 798 Abs. 1 Nr. 1 Fassung: 1949-08-10, § 537 Nr. 10 Fassung: 1942-03-09; BGB § 54

 

Tenor

Das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 5. November 1957 wird mit den ihm zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen.

 

Gründe

I

Der "Kleingartenverband M... e.V." hatte von der Stadt M... an der R... Straße gelegene Grundstücke gepachtet und sie 1930 zwecks Erschließung als Kleingartenanlage an Kleingärtner unter verpachtet, die Mitglieder des nicht im Vereinsregister eingetragenen Kleingärtnervereins "Reichskleingartenanlage Ost 18" waren. Im Jahre 1949 bestimmte der Kleingärtnerverein eine Parzelle für die Errichtung einer Kantine. Die Kantine wurde mit Unterstützung zweier Brauereien, und zwar zunächst der M... bräu GmbH, später der L... bräu AG, gebaut. Mit der Bauleitung war ein Architekt der L... bräu AG beauftragt; die Brauereien stellten dem Verein das Geld zur Finanzierung des Baues zur Verfügung, wofür der Verein sich verpflichtete, das in der Kantine zum Ausschank kommende Bier von der L... bräu AG zu beziehen und die für die Finanzierung des Baues vorgeschossenen Gelder mit dem Erlös aus dem Bierkonsum zu verrechnen. Die Maurerarbeiten wurden vom Maurermeister R... (R.) ausgeführt, der hierfür vom Vorstand des Vereins, S... (St.), bezahlt wurde. Im übrigen wurde die Kantine in der Weise errichtet, daß Vereinsmitglieder den größten Teil der Arbeiten am Wochenende ausführten. Zum Bau der Kantine gehörte die Herstellung einer Klärgrube, deren Aushub allein durch Vereinsmitglieder erfolgte, die auch die Betonierungsarbeiten an der Grube unter Aufsicht des R. ausführten. Es war beabsichtigt, die Klärgrube noch mit dem Dichtungsmittel "S..." zu streichen, das der Verein von R. käuflich erworben hatte. Mit dem Anstreichen der Grube hatte R. nichts mehr zu tun. Am Abend des 16. Juni 1951 erklärte der Bauarbeiter G... (G.), Mitglied des Kleingartenvereins und Ehemann der Klägerin, sich auf Frage des Vereinsvorstandes St. bereit, am nächsten Morgen das Streichen der Klärgrube zu übernehmen. Am Morgen des 17. Juni 1951 wurde G., der bereits mit dem Streichen der Grube begonnen hatte, bewußtlos in der Grube aufgefunden. Noch an demselben Tage verstarb G. an den Folgen einer S...-vergiftung.

Mit Bescheid vom 9. September 1952 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin auf Gewährung von Sterbegeld und Witwenrente aus der Unfallversicherung ab, da G. selbst Unternehmer der Streicharbeiten gewesen sei und keine freiwillige Versicherung bei der Zweigstelle der Berufsgenossenschaft (BG) abgeschlossen habe.

Das Sozialgericht (SG) München hat die Verwaltungs-BG und die Gemeindliche Ausführungsbehörde für die gesetzliche Unfallversicherung der Landeshauptstadt M... beigeladen. Durch Urteil vom 16. Februar 1955 hat es die beigeladene Verwaltungs-BG unter Aufhebung des Bescheides der Beklagten verurteilt, der Klägerin Witwenrente und Sterbegeld in gesetzlicher Höhe zu gewähren. Es hat die Verurteilung auf § 537 Nr. 10 in Verbindung mit Nr. 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO) und die Bestimmungen des Reichsversicherungsamtes (RVA) vom 22. April 1942 (AN 1942 II 287) gestützt.

Hiergegen hat die Verwaltungs-BG fristgerecht Berufung eingelegt und u.a. ihre Zuständigkeit bestritten.

Das Landessozialgericht (LSG) hat durch Urteil vom 5. November 1957 (Amtsbl. Bayer. AM 1958 S. B 61 = Breithaupt 1958, 919) das Urteil des SG aufgehoben und die Klage mit folgender Begründung abgewiesen:

Auf den nicht rechtsfähigen Kleingärtnerverein hätten nach § 54 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) die Vorschriften über die Gesellschaft Anwendung zu finden. Hieraus folge zwingend, daß ein und dieselbe Person nicht gleichzeitig Gesellschafter und Beschäftigter sein könne. Da G. als Mitglied eines nichtrechtsfähigen Vereins tätig geworden sei, könne dieses Tätigwerden nicht für Rechnung des Vereins als solchen erfolgt sein, vielmehr nur für Rechnung des G. selbst bzw. der Gesamthand der einzelnen Mitglieder. Demnach sei G. selbst Unternehmer gewesen, und zwar im Gesamthandverhältnis mit den anderen Mitgliedern des Vereins.

Hierdurch werde das Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses im Sinne des § 537 Nr. 1 RVO zwischen G. und dem Kleingärtnerverein ausgeschlossen. Hieraus ergebe sich bezüglich einer evtl. Leistungspflicht der beteiligten Versicherungsträger folgendes:

Eine Entschädigungspflicht der Beklagten habe in jedem Falle auszuscheiden. Mit dem Betrieb des Maurermeisters R. habe die Tätigkeit des G. in keiner Weise in Zusammenhang gestanden. G. sei selbst Unternehmer der Anstreicharbeiten gewesen.

Eine Leistungspflicht der Verwaltungs-BG käme nur in Frage, wenn dritte Personen zur Ausführung der Streicharbeiten in der Klärgrube bestellt worden wären. Da G. aber selbst Unternehmer der Anstreicharbeiten gewesen sei, entfalle sowohl der Versicherungsschutz nach § 537 Nr. 1 RVO als auch nach Nr. 10 dieser Vorschrift. Als Versicherte im Sinne des § 537 Nr. 10 RVO seien nur solche Personen anzusehen, die wenigstens auf Grund der Nr. 1 dieser Vorschrift an sich versichert sein könnten. An dieser Voraussetzung habe es bei dem Mitunternehmer G. von vornherein gefehlt.

Auch eine Leistungspflicht der Gemeindlichen Ausführungsbehörde der Stadt M... auf Grund der VO zur Kleinsiedlung und Bereitstellung von Kleingärten vom 23. Dezember 1931 i.d.F. vom 15. Januar 1937 sei nicht gegeben.

Das LSG hat die Revision zugelassen.

Das Urteil ist der Klägerin am 19. April 1958 zugestellt worden. Sie hat hiergegen am 26. April 1958 Revision eingelegt und diese am 5. Mai 1958 wie folgt begründet:

Der Kleingärtnerverein könne nicht als eigenes Unternehmen des Verunglückten angesehen werden. Der Verunglückte habe weder auf eigene Rechnung noch auf eigenes Risiko gearbeitet; er sei im Unfallzeitpunkt wie ein Beschäftigter des Kleingärtnervereins tätig und daher nach § 537 Nr. 10 RVO versichert gewesen. Die Beklagte sei der zuständige Versicherungsträger. Auch die Verwaltungs-BG habe nach den zutreffenden Gründen des SG-Urteils Versicherungsschutz zu gewähren. Darüber hinaus sei auch die BG Nahrungsmittel und Gaststätten entschädigungspflichtig, deren Beiladung hätte erfolgen müssen. Die Tätigkeit des Verunglückten habe den Interessen der beteiligten Brauereien gedient.

Die Klägerin beantragt,

das angefochtene Urteil aufzuheben und die Berufung der Verwaltungs-BG gegen das Urteil des SG zurückzuweisen,

hilfsweise,

das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.

Die Beklagte und die Verwaltungs-BG beantragen,

die Revision zurückzuweisen.

Sie halten das angefochtene Urteil für zutreffend.

Die Gemeindliche Ausführungsbehörde der Stadt München beantragt,

zu erkennen, daß sie nicht zuständiger Versicherungsträger sei.

II

Die Revision ist durch Zulassung statthaft (§ 162 Abs. 1 Nr. 1 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -), auch form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, also zulässig. Sie hatte auch Erfolg.

Mit Recht hat das LSG zwar eine Leistungspflicht sowohl der Verwaltungs-BG als auch der Gemeindlichen Ausführungsbehörde der Stadt München verneint. Soweit es jedoch eine Leistungspflicht der Beklagten verneint hat, konnte ihm nicht gefolgt werden.

Das LSG hat den Anspruch der Klägerin zutreffend davon abhängig gemacht, ob der verunglückte G. einen Unfall bei einer der in §§ 537 bis 540 RVO genannten Tätigkeiten erlitten hat oder als (Mit-) Unternehmer der Arbeiten an der Klärgrube anzusehen ist.

Dem Berufungsgericht ist zunächst darin zu folgen, daß G... bei Durchführung der Streicharbeiten an der Klärgrube weder "als" Beschäftigter des Maurermeisters R. noch "wie" ein solcher Beschäftigter tätig gewesen ist. Nach den von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des LSG hatte R. mit dem Anstreichen der Klärgrube nichts mehr zu tun, so daß er insoweit auch nicht mehr als Unternehmer der Anstreicharbeiten an der Klärgrube angesehen werden kann.

Auch die am Bau der Kantine interessierten Brauereien haben als Unternehmer des Kantinenbaues auszuscheiden, so daß G. insoweit auch nicht als Beschäftigter in den Unternehmen der Brauereien angesehen werden kann. Zwar mögen die Brauereien ein erhebliches wirtschaftliches Interesse am Bau der Kantine gehabt haben. Hierfür spricht, daß die M...- bräu GmbH die Pläne für das Bauvorhaben geliefert hat, ein Architekt der L...- bräu AG mit der Bauleitung beauftragt war und die Brauereien dem Verein Geld zur Finanzierung des Baues zur Verfügung gestellt haben. Diese Umstände reichen jedoch nicht aus, um die Brauereien zu Unternehmern des Kantinenbaues selbst werden zu lassen. Der Geldgeber ist nicht ohne weiteres Unternehmer; es muß vielmehr eine unmittelbare Beteiligung an den wirtschaftlichen Erträgnissen des Unternehmens, eine weitgehende Einwirkung auf die Führung des Unternehmens oder wenigstens ein maßgebender Einfluß auf die kaufmännische Leitung des Unternehmens vorhanden sein (RVA in EuM 20, 142; Schiedsstelle in EuM 34, 218; 36, 13; RVO, Mitgl. Komm. 2. Aufl., Bd. III, Anm. 1 b zu § 633; Schulte-Holthausen, Unfallversicherung, 4. Aufl., § 633 Anm. 2 II; Schräder/Strich, Die deutsche Unfallversicherung, Anm. 2 c zu § 633 mit weiteren Nachweisen). An solchen Einfluß- und Einwirkungsmöglichkeiten seitens der Brauereien fehlt es im vorliegenden Falle; ebenso ist nicht ersichtlich, daß die Brauereien an den wirtschaftlichen Erträgnissen der Kantine unmittelbar beteiligt waren. Ihr wirtschaftliches Interesse war nur darauf gerichtet, sich durch finanzielle Hilfe bei der Errichtung der Kantine eine weitere Absatzmöglichkeit ihres Bieres zu sichern. Ein solcher nur mittelbarer wirtschaftlicher Vorteil reicht jedoch für sich allein noch nicht aus, die beteiligten Brauereien zu Unternehmern des Bauvorhabens werden zu lassen.

Der Senat pflichtet auch der weiteren vom LSG dargelegten An sicht bei, daß G. bei Ausführung der Arbeiten an der Klärgrube nicht auf Grund des - an sich noch nach §§ 111, 123 Abs. 3, 126 des Zweiten Wohnungsbaugesetzes vom 27. Juni 1956 idF vom 1. August 1961 auf den Unfall des G. anwendbaren - Art. 2 § 3 der VO zur Kleinsiedlung und Bereitstellung von Kleingärten vom 23. Dezember 1931 idF vom 15. Januar 1937 (RGBl 1937, I S. 17) unter Versicherungsschutz gestanden hat, so daß insoweit auch eine Leistungspflicht der Gemeindlichen Ausführungsbehörde der Stadt München entfällt. Ist schon zweifelhaft, ob die Tätigkeit des G. als unentgeltliche Mitarbeit bei der Errichtung von "Kleingärten" (hier: "Herstellung von Gemeinschaftsanlagen", im Sinne des Art. 2 § 1 der genannten VO anzusehen ist (vgl. Lauterbach, Unfallversicherung, 2. Aufl., Stand Januar 1962, § 537, Anm. 50, S. 52 a), so bestehen im übrigen keine Anhaltspunkte dafür, daß die Stadt München oder etwa der Kleingartenverband München e.V. als Siedlungsträger im Sinne des Art. 2 § 3 Abs. 2 a und c der VO hinsichtlich des Kantinenbauvorhabens angesehen werden können. Denn die Kantine wurde auf Veranlassung des - als Träger solcher Siedlungsvorhaben zweifellos nicht in Betracht kommenden - Kleingärtnervereins errichtet, und die Baufinanzierung erfolgte ausschließlich aus privaten Mitteln.

Das LSG hat jedoch zu Unrecht dem Kleingärtnerverein die Unternehmereigenschaft hinsichtlich der Arbeiten an der Kantine, insbesondere der von G. an der Grube ausgeführten Streicharbeiten, abgesprochen. Nach § 633 Abs. 1 RVO ist Unternehmer eines Betriebes oder einer Tätigkeit derjenige, für dessen Rechnung der Betrieb oder die Tätigkeit geht. Dies sind hinsichtlich der zu beurteilenden Bauarbeiten an der Kantine, insbesondere der Streicharbeiten an der Klärgrube, zwar nicht der Verein als solcher, da ihm mangels Eintragung im Vereinsregister die Rechtsfähigkeit fehlt (§ 21 BGB), wohl aber die Vereinsmitglieder in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit, die Mitgliedergesamtheit, nicht, wie das LSG meint, die einzelnen Mitglieder des Vereins; denn ihnen, den Vereinsmitgliedern in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit, der Mitgliedergesamtheit als einer korporativen Einheit, gereichte das wirtschaftliche Ergebnis der Arbeiten, wenn es positiv war, unmittelbar zum Vorteil, wenn mangelhafte Arbeit geleistet wurde, zum Nachteil. Die Auffassung des LSG, aus dem Mangel der Rechtsfähigkeit des Kleingärtnervereins und aus der in § 54 Satz 1 BGB vorgesehenen Anwendbarkeit der Vorschriften über die Gesellschaft auf den nicht rechtsfähigen Verein sei zu folgern, daß jedes einzelne Mitglied, somit auch der Verunglückte G. als Unternehmer der Anstreicharbeiten anzusehen sei, trifft nicht zu. Daß das LSG den nicht rechtsfähigen Verein als eine Gesellschaft des bürgerlichen Rechts im Sinne der §§ 705 ff BGB und demzufolge jedes einzelne Mitglied als Unternehmer der Bauarbeiten ansieht, widerspricht dem Gesetz und dem inneren Wesen des nicht rechtsfähigen Vereins. Das LSG Übersicht dabei, daß auch ein nicht rechtsfähiger Verein immer ein körperschaftliches Gebilde und keine Gesellschaft des bürgerlichen Rechts ist. Zwischen diesen beiden Gestaltungen des privatrechtlichen Personenzusammenschlusses besteht aber ein entscheidender Wesensunterschied (vgl. Soergel-Siebert, BGB Komm., 9. Aufl., I. Bd., Anm. 1 zu § 54. Bei der Gesellschaft handelt es sich um eine nur schuldrechtlich zusammengefaßte Personenmehrheit. Demgegenüber ist ein nicht rechtsfähiger Verein ein auf die Dauer angelegter Personenverband, der in der Verfolgung seiner Zwecke von der Einzelpersönlichkeit seiner Mitglieder unabhängig sein und im Verkehr als eine selbständige Einheit auftreten will und sich dementsprechend eine körperschaftliche Verfassung gegeben hat sowie einen Gesamtnamen führt und auf einen wechselnden Mitgliederbestand angelegt ist; er steht nicht nur Dritten, sondern auch seinen eigenen Mitgliedern als geschlossene Einheit, als körperschaftsähnliches Rechtsgebilde gegenüber (vgl. RGZ 95, 192, 194; 113, 169, 170; 143, 212, 213; RG Seuff. Arch. 77 Nr. 53 S. 91; BGH in RdA 52, 159; BGHZ 13, 5, 11; Lehmann, Gesellschaftsrecht, 2. Aufl., S. 196 f). Die Vorschriften des Gesellschaftsrechts sind nach dem heutigen Stand der Meinungen in Rechtsprechung und Rechtslehre auf den nicht rechtsfähigen Verein nur mit erheblichen Einschränkungen anwendbar (vgl. BGB - RGRK, 11. Aufl., Vorbemerkung zu § 705, Anm. 8). Im Regelfall besitzt der nicht rechtsfähige Verein kraft seiner Satzung eine körperschaftliche Verfassung, die im wesentlichen der der rechtsfähigen Vereine entspricht. Demgemäß sind bei ihm aus dem - ohnehin meist nachgiebigen - Gesellschaftsrecht alle Bestimmungen abgewandelt oder ausgeschlossen, die nicht im Einklang stehen mit dem inneren Wesen eines Vereins als einer Zusammenfassung von Personen zu einer korporativen Einheit statt einer nur schuldrechtlich zusammengefaßten Personenmehrheit (BGB RGRK § 54 Anm. 1; Soergel-Siebert, Anm. 4 zu § 54; Habscheid, Archiv für die civilistische Praxis 155, 375, 389 ff). Bei der Errichtung eines nicht rechtsfähigen Vereins geht die Absicht der Vereinsgründer eben auf die Schaffung eines Vereins, nicht auf die einer Gesellschaft; sie wollen einen Personenverband, der unabhängig vom Wechsel der Mitglieder ist und ein eigenes, von dem der Mitglieder getrenntes Vermögen hat (Staudinger, BGB Komm., 1 Aufl., § 54 Anm. 1; Enneccerus-Nipperdey, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, 1. Halbband, 14. Aufl., S. 459 Das Vereinsvermögen ist körperschaftlich gebunden. Damit werden die Rechte den jeweiligen Mitgliedern und damit dem Verein als dauerndem Personenverband erworben. Einen Anspruch auf Auseinandersetzung beim Ausscheiden können die Mitglieder nicht geltend machen, da das Vereinsvermögen den Vereinszwecken dadurch erhalten bleiben soll (RGZ 113, 125, 135). Die Rechte und pflichten, welche die einzelnen Mitglieder einer Gesellschaft gegeneinander haben, werden durch solche der einzelnen Mitglieder gegenüber dem Verein als Personenverband und gegenüber den Vereinsorganen ersetzt; das Gesellschafterrecht verwandelt sich infolge der körperschaftlichen Organisation in ein Mitgliederrecht; Träger der Vereinsverpflichtungen ist die Mitgliedergesamtheit (RGZ, 143, 212, 214). Die Mitglieder haben also bei der Gründung eines nicht rechtsfähigen Vereins die gleiche Willensrichtung wie bei der Gründung eines rechtsfähigen Vereins. Hierin liegt das entscheidende Kriterium, das den nicht rechtsfähigen Verein von der Gesellschaft unterscheidet, während andererseits zwischen rechtsfähigem und nicht rechtsfähigem Verein begrifflich nur der Unterschied besteht, daß dem letzteren eben nur die Rechtsfähigkeit fehlt (Enneccerus-Nipperdey aaO). Die Auffassung des LSG, daß der nicht rechtsfähige Verein wie eine bürgerlich-rechtliche Gesellschaft zu behandeln sei und daß bei der Errichtung der Kantine die einzelnen Vereinsmitglieder als Unternehmer anzusehen seien, ist somit nicht zutreffend. Als Unternehmer der Arbeitstätigkeit an der Klärgrube sind vielmehr die Vereinsmitglieder in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit anzusehen, das ist die Mitgliedergesamtheit, der Verein als Personenverband, der im Verkehr als selbständige korporative Einheit auftritt. Demzufolge vermag der Senat auch nicht der Ansicht von Lauterbach (aaO § 537 Anm. 15 S. 41) zu folgen, der den nicht rechtsfähigen Verein rechtlich wie eine Gesellschaft beurteilt und sich ohne eigene Begründung der hier angefochtenen Entscheidung anschließt. Für seine Auffassung kann das LSG sich auch nicht auf den Bescheid des RVA vom 5. Februar 1908 (AN 1908 Nr. 2284 S. 660) berufen, da aus ihm nicht zu entnehmen ist, ob es sich hier um einen nicht rechtsfähigen Verein oder um eine Gesellschaft gehandelt hat. Im Leitsatz ist ein Beerdigungsverein nur beispielhaft angeführt.

Ist somit als Unternehmer der Anstreicharbeiten an der Klärgrube der Personenverband, die Einheit der Mitglieder des Vereins anzusehen, nicht aber die Einzelpersönlichkeit der Vereinsmitglieder, so schließt der Umstand, daß die tätig gewordenen Personen Vereinsmitglieder waren, die Möglichkeit einer versicherungspflichtigen Beschäftigung nach § 537 Nr. 1 oder Nr. 10 RVO nicht von vornherein aus. Für Mitglieder eines rechtsfähigen Vereins hat der erkennende Senat diese Möglichkeit bereits ausdrücklich in seiner Entscheidung vom 31. Januar 1961 (BSG 14, 1, 3) bejaht und ausgeführt, es sei denkbar, daß Mitglieder eines eingetragenen Vereins - jedenfalls solche Mitglieder, die nicht dem Vorstand angehören in einem Beschäftigungsverhältnis im Sinne des § 537 Nr. 1 RVO zum Verein ständen (vgl. ferner Urt. des 3. Senats vom 20.12.1961, BSG 16, 98). Der erkennende Senat hat keine Bedenken, dies entsprechend auch für Mitglieder eines nicht rechtsfähigen Vereins anzunehmen. So ist es durchaus denkbar, daß ein Vereinsmitglied vom Verein einen Auftrag zur Durchführung von Arbeiten erhält und hierfür ebenso entlohnt wird wie derjenige, der nicht Vereinsmitglied ist (vgl zB Urt. des 3. Senats vom 29.3.1962, BSG 16, 289, 293; Bayer LSG, Breith. 1961, 1091). In Betracht kommen hierbei vor allem Mitglieder von Gewerkschaften - nicht eingetragenen Vereinen - die zu ihrer Gewerkschaft in einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis stehen können, zB als Stenotypistinnen, Sachbearbeiter usw. Da somit die Mitgliedschaft in einem nicht rechtsfähigen Verein die Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses im Sinne des § 537 Nr. 1 RVO nicht von vornherein ausschließt, kann ein Vereinsmitglied auch "wie" ein nach Nr. 1 Beschäftigter für den Verein tätig und nach § 537 Nr. 10 RVO versichert sein. Nach den vom LSG getroffenen Feststellungen scheidet ein Versicherungsschutz des G. nach § 537 Nr. 1 RVO aus. Es liegt kein Beschäftigungsverhältnis im Sinne dieser Vorschrift vor, da es an einer Abhängigkeit zwischen G. und dem nicht rechtsfähigen Verein in dem Sinne fehlt, daß dieser die Verfügungsgewalt über die Arbeitskraft des G. gehabt hätte (vgl. Lauterbach aaO § 537 RVO Anm. 15 S. 41. Demgegenüber bedarf es eines persönlichen oder wirtschaftlichen Abhängigkeitsverhältnisses bei einem Tätigwerden nach § 537 Nr. 10 RVO nicht; es genügt, daß die unentgeltliche Mithilfe eine ernsthafte, dem Verein dienende und seinem Willen entsprechende Arbeitsleistung darstellt (BSG 5, 168, 172; 14, 4). Der Senat trägt keine Bedenken, daß diese Voraussetzungen bei G. an sich vorliegen können. Wie der Senat jedoch bereits in BSG 14, 1, 3 ausgeführt hat, wird freilich bei vielen Verrichtungen, die ein Vereinsmitglied für seinen Verein erbringt, das Tätigwerden ein unmittelbarer Ausfluß der Mitgliedschaft selbst sein, so daß in solchen Fällen Bedenken bestehen könnten, neben der Mitgliedschaft noch ein besonderes Beschäftigungsverhältnis anzunehmen. Nicht nur bei geringfügigen Verrichtungen, sondern auch bei umfangreicheren Arbeitsleistungen wird man, wenn die Vereinssatzung oder ein Beschluß der Mitgliederversammlung den Mitgliedern eine solche Verpflichtung auferlegt, möglicherweise zu dem Ergebnis kommen müssen, daß die Arbeitsleistung ausschließlich den Mitgliedspflichten entspringt.

Im vorliegenden Falle fehlt es an ausreichenden Feststellungen, die es dem Senat ermöglichen, zu beurteilen, ob die Tätigkeit des G. ausschließlich seinen Mitgliedspflichten entsprang. Das LSG wird daher noch nähere Feststellungen darüber zu treffen haben, ob die Arbeitsleistung des G. ausschließlich Ausfluß seiner Vereinszugehörigkeit war, was dann anzunehmen wäre, wenn sich die Pflicht zur Arbeitsleistung aus der Vereinssatzung vom 15. Februar 1948 oder evtl. aus Beschlüssen der Mitgliederversammlung ergeben würde, oder ob G. nicht zur Mitarbeit rechtlich verpflichtet war, es ihm vielmehr freistand, in welchem Maße er sich an den unentgeltlichen Arbeiten beteiligen wollte und wann er sich zur Verfügung stellte. Hierbei ist zu beachten, daß die erst nach dem Tode des G. erlassene Gartenordnung vom April 1954 unberücksichtigt zu bleiben hat. Wenn das LSG auch von einem sog. Arbeitsdienst spricht, so wird es jedoch darüber Ermittlungen anzustellen haben, ob und inwieweit die Mitglieder des Vereins rechtlich verpflichtet waren, einen solchen Arbeitsdienst zu leisten, wobei nicht unerheblich sein dürfte, daß der Kantinenbau an und für sich offensichtlich über die gewöhnlichen Zwecke des Kleingärtnervereins hinausging. Auch die Feststellung des LSG, G. habe sich am Vorabend des Unglückstages auf Frage des Vorsitzenden, wer die Klärgrube anstreichen wolle, zum Streichen der Klärgrube bereit erklärt, läßt den Schluß zu, daß G. sich aus eigenem Antrieb zu den Streicharbeiten entschlossen hatte, ohne daß hierzu eine mitgliedschaftsrechtliche Verpflichtung bestand. Sollte das LSG zu der Feststellung gelangen, daß G. sich an den Arbeiten ohne rechtliche Verpflichtung, aber aus ideellen und kameradschaftlichen Gründen beteiligte, so würde Versicherungsschutz nach § 537 Nr. 10 RVO zu bejahen sein. Eine Hilfeleistung des G. aus ideellen Motiven steht dem Versicherungsschutz nach § 537 Nr. 10 RVO nicht entgegen (BSG 5, 172).

Als zuständiger Versicherungsträger kommt nach § 798 Abs. 1 Nr. 1, § 783 Abs. 1 RVO die Beklagte in Frage, weil der nicht rechtsfähige Verein als Personenverband hinsichtlich der von seinen Mitgliedern an der Kantine ausgeführten Arbeiten "Unternehmer nicht gewerbsmäßiger Bauarbeiten" war und hierbei seine Mitglieder beschäftigt hat. Zur Begründung im einzelnen wird auf das bereits angeführte Urteil des erkennenden Senats in BSG 14, 1 ff hingewiesen, wonach die Vorschriften über die Zweiganstalten für nicht gewerbsmäßige Bauarbeiten (§§ 783 ff RVO, insofern eine Zuständigkeitsregelung enthalten, als sie die Leistungspflicht aus der gesetzlichen Unfallversicherung "ohne Rücksicht auf die Zugehörigkeit des Unternehmers zu einer anderen BG" der Zweiganstalt der örtlich zuständigen Berufsgenossenschaften von Baugewerbetreibenden zuweisen. Hiernach entfällt die an sich auf Grund der Bestimmungen des RVA vom 22. April 1942 (AN 1942 II, 287) Ziff. 2 b gegebene Zuständigkeit der beigeladenen Verwaltungs-BG. Demzufolge kann auch nicht die Zuständigkeit der BG Nahrungsmittel und Gaststätten gegeben sein. Die Rüge der Revision, diese BG hätte beigeladen werden müssen, ist demnach nicht gerechtfertigt.

Da die tatsächlichen Feststellungen für eine abschließende rechtliche Beurteilung des Sachverhalts nicht ausreichen, mußte das Urteil des LSG aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückverwiesen werden (§ 170 Abs. 2 Satz 2 SGG).

Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens bleibt dem abschließenden Urteil vorbehalten.

 

Fundstellen

BSGE, 211

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