Leitsatz (amtlich)

Der Bezieher von Landabgaberente, der als solcher beitragsfreies Mitglied der Krankenversicherung der Landwirte ist, wird durch seinen vor Vollendung des 65. Lebensjahres gestellten Antrag auf Altersruhegeld in der Zeit bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres nicht Formalmitglied der Rentnerkrankenversicherung nach RVO § 315a (Anschluß an BSG 1977-07-14 3 RK 46/76 = SozR 2200 § 315a Nr 4).

 

Normenkette

RVO § 165 Abs 1 Nr 3 Fassung: 1956-06-12, § 315a Abs 1 Fassung: 1967-12-21; KVLG § 2 Abs 1 Nr 4 Fassung: 1972-08-10, § 3 S 2 Nr 2 Fassung: 1972-08-10, § 47 Nr 4 Fassung: 1972-08-10, § 48 Abs 1 Nr 6 Fassung: 1972-08-10

 

Verfahrensgang

SG Marburg (Entscheidung vom 17.08.1976; Aktenzeichen S 3 K 12/75)

 

Tatbestand

I

Die Beteiligten streiten darüber, ob ein Empfänger von Landabgaberente, der als solcher beitragsfreies Mitglied der Krankenversicherung der Rentner (KVdR) bei der für ihn zuständigen Landwirtschaftlichen Krankenkasse war, in der Zeit zwischen einem vorsorglichen Antrag auf Bewilligung des Altersruhegeldes wegen Vollendung des 65. Lebensjahres und dem Beginn dieser Leistung Beiträge zur Krankenversicherung der Rentner an die zuständige Allgemeine Ortskrankenkasse entrichten mußte.

Der am 28. Juli 1910 geborene und am 17. April 1978 verstorbene O S (Sch) bezog seit Oktober 1970 Landabgaberente nach dem Gesetz über eine Altershilfe für Landwirte (GAL). Vorsorglich beantragte er schon im Jahre 1975 bei der Arbeiterrentenversicherung Altersruhegeld wegen Vollendung des 65. Lebensjahres. Die damit verbundene Meldung zur KVdR wurde von der Landwirtschaftlichen Krankenkasse H-N im Juni 1975 an die beklagte Allgemeine Ortskrankenkasse (AOK) weitergeleitet. Mit Schreiben vom 30. Juli 1975 stellte die AOK die Zahlung der Beiträge zur KVdR für die Zeit vom 14. Januar bis zum 1. August 1975 förmlich fest. Nach erfolglosem Widerspruch (Widerspruchsbescheid vom 13. Mai 1976) hat das Sozialgericht (SG) Marburg im Klageverfahren die Landwirtschaftliche Krankenkasse Hn-Na beigeladen und durch Urteil vom 17. August 1976 den Bescheid vom 30. Juli 1975 sowie den Widerspruchsbescheid aufgehoben; es hat die Revision zugelassen.

Die Beklagte und die Beigeladene haben mit Zustimmung der jeweiligen übrigen Beteiligten gegen das Urteil Revision eingelegt. Sie rügen Verletzungen der §§ 2 Abs 1 Nr 4, 3 Satz 2 Nr 2, 48 Abs 1 Nr 6 und 63 Abs 4 des Gesetzes über die Krankenversicherung der Landwirte (KVLG) und der §§ 165 Abs 1 Nr 3, 315a und 181 Abs 3 der Reichsversicherungsordnung (RVO), halten die Versicherungspflicht nach den §§ 165 Abs 1 Nr 3 und 315a RVO gegenüber der Versicherung nach dem KVLG für vorrangig und beantragen,

das Urteil des SG Marburg vom 17. August 1976 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen, die Revision zurückzuweisen.

Die Beteiligten sind damit einverstanden, daß der Senat durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-).

 

Entscheidungsgründe

II

Die Revisionen sind unbegründet. Sie sind zurückzuweisen.

Die Beklagte und die Beigeladene begehren, durch Aufhebung des Urteils des SG und Klageabweisung die in dem angefochtenen Bescheid gegen Sch. geltend gemachte Beitragsforderung zu bestätigen. Den Beitragsanspruch hätte die Beklagte, wenn Sch. in der Zeit vom 14. Januar bis zum 1. August 1975 als Rentenantragsteller ihr Mitglied gewesen wäre. Daran fehlt es jedoch. Sch. ist auch in dieser Zeit Mitglied der Beigeladenen geblieben.

Nach § 47 Nr 4 iVm § 2 Abs 1 Nr 4 des Gesetzes über die Krankenversicherung der Landwirte vom 10. August 1972 (BGBL I S 1433) war Sch. als Empfänger von Landabgaberente seit dem Inkrafttreten dieses Gesetzes Mitglied der Beigeladenen. Gemäß § 48 Abs 1 Nr 6 KVLG hätte seine Mitgliedschaft mit dem Zeitpunkt geendet, zu dem er als Versicherungspflichtiger Mitglied eines anderen Trägers der Krankenversicherung geworden wäre. Dies ist jedoch nicht der Fall gewesen.

Versicherungspflicht nach § 165 Abs 1 Nr 3 RVO konnte der Rentenantrag in diesem Zeitpunkt schon deshalb nicht auslösen, weil Sch. bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres die Voraussetzungen für den Bezug des Altersruhegeldes wegen Vollendung des 65. Lebensjahres - so lautete sein Antrag - nicht erfüllte. Deshalb kam für ihn nur die fiktive Mitgliedschaft bei der Beklagten nach § 315a Abs 1 RVO in Betracht. Diese Vorschrift steht jedoch, wie ihrem Absatz 3 zu entnehmen ist, unter dem Vorbehalt des § 165 Abs 6 RVO in der für die streitige Zeit geltenden Fassung des Gesetzes über die Krankenversicherung der Rentner vom 12. Juni 1956 (BGBl I S 500). Danach ist Voraussetzung der Versicherung, daß die in § 315a Abs 1 RVO bezeichneten Personen nicht nach anderen gesetzlichen Vorschriften versichert sind. Letzteres traf aber auf Sch. zu, Er war im Zeitpunkt des Antrages auf Rente aus der Arbeiterrentenversicherung, wie dargelegt, Mitglied der Beigeladenen. Nach der mit § 312 RVO übereinstimmenden Regelung des § 48 Abs 1 Nr 6 KVLG endete unter Berücksichtigung von § 165 Abs 6 RVO die Mitgliedschaft bei der Beigeladenen nicht, sondern bestand in der streitigen Zeit fort. Schon aus diesem Grunde ist der Bescheid der Beklagten vom 30. Juli 1965 rechtswidrig und deshalb vom SG zusammen mit dem Widerspruchsbescheid im Ergebnis zutreffend aufgehoben worden.

Diese Entscheidung des Senats deckt sich im Ergebnis mit derjenigen des 3. Senats vom 14. Juli 1977 - 3 RK 46/76 - (SozR 2200 § 315a Nr 4), in der die fiktive Mitgliedschaft nach § 315a RVO gegenüber der faktischen Mitgliedschaft der Bezieher von Altersgeld, vorzeitigem Altersgeld oder Landabgaberente für subsidiär erklärt worden ist. § 3 Abs 1 Nr 2 Halbs 2 KVLG ist auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar. Denn § 3 Satz 1 KVLG schließt die Versicherung nach diesem Gesetz nur für denjenigen aus, der nach anderen gesetzlichen Vorschriften für den Fall der Krankheit "versicherungspflichtig" ist.

Die fiktive Mitgliedschaft nach § 315a RVO ist aber keine Pflichtversicherung, sondern ein Fall, in dem wegen des Fehlens der Voraussetzungen einer Pflichtversicherung die formale Mitgliedschaft zu Schutzzwecken fingiert wird. Ein Ausschluß der Versicherung nach dem KVLG tritt somit in Fällen der Formalversicherung nach § 315a RVO nicht ein.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

BSGE, 253

Breith. 1981, 189

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