Leitsatz (amtlich)

1. Ein Bescheid, in dem ausgesprochen wird, daß eine mit einer Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung zusammentreffende Versicherungsrente in einer bestimmten Höhe ruhensfrei sei, ist hinsichtlich dieses Ausspruchs der Bindungswirkung (SGG § 77) fähig.

2. War der ruhensfreie Teil einer Versicherungsrente in unrichtiger Auslegung des RVO § 1278 Abs 1 idF des ArVNG, nämlich unter Außerachtlassung von Kinderzulagen der Unfallversicherung und Kinderzuschüssen der Rentenversicherung zu hoch ermittelt worden, so berechtigte die Neufassung des RVO § 1278 durch das UVNG für sich allein den Versicherungsträger nicht, den ruhensfreien Rententeil - unter Einbeziehung der Kinderzulage in die Berechnung - auf den richtigen Betrag herabzusetzen.

 

Normenkette

RVO § 1278 Abs. 1 Fassung: 1963-04-30; SGG § 77 Fassung: 1958-08-23

 

Tenor

Die Revision gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 24. März 1965 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat dem Kläger die Kosten auch des Revisionsverfahrens zu erstatten.

 

Gründe

Es ist streitig, ob die beklagte Landesversicherungsanstalt die Änderung der Ruhensvorschrift des § 1278 der Reichsversicherungsordnung (RVO) durch das Unfallversicherungs-Neuregelungsgesetz (UVNG) vom 30. April 1963 zum Anlaß nehmen durfte, die Versichertenrente des Klägers herabzusetzen.

Der Kläger ist infolge eines Arbeitsunfalls, der ihm im Februar 1959 zugestoßen ist, erwerbsunfähig. Er bezieht deshalb sowohl eine Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung (UV) als auch eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit aus der Arbeiterrentenversicherung. Das Zusammentreffen der beiden Renten hatte zur Folge, daß die Versichertenrente teilweise ruhte (§ 1278 RVO). Bei der Ermittlung des Ruhensbetrages - Gegenüberstellung der Summe der beiden Renten und 85 % des Jahresarbeitsverdienstes (JAV) des Klägers- ging die Beklagte von den reinen Rentenbeträgen aus; die für zwei Kinder zu gewährenden Kinderzulagen zur Verletztenrente und die Kinderzuschüsse zur Versichertenrente ließ sie insoweit außer Ansatz. Danach ruhte die Versichertenrente in Höhe von 98,-- DM, während der ruhensfreie Betrag monatlich (105,50 DM + 80,30 DM Kinderzuschüsse) 185,80 DM ausmachte. Dies stellte die Beklagte in einem dem Kläger erteilten Bescheid vom 2. September 1960 fest. Nach der Rentenanpassung auf Grund des 3. Rentenanpassungsgesetzes (RAG) erhöhte sich der ruhensfreie Betrag der Versichertenrente auf monatlich 195,90 DM und nach Gewährung eines weiteren Kinderzuschusses für das am 3. August 1961 geborene dritte Kind des Klägers auf monatlich 238,-- DM. Bei der Anpassung nach dem 4.RAG errechnete die Beklagte einen monatlichen Zahlbetrag von 225,20 DM, beließ es aber mit Rücksicht auf die Besitzstandsklausel des § 7 dieses Gesetzes bei der bisherigen Leistung von 238,-- DM.

Durch Bescheid vom 15. Juli 1963 traf die Beklagte eine weitere Rentenneuregelung. Sie nahm zunächst die Anpassung nach dem 5.RAG vor, wobei sie den ruhensfreien Betrag - erstmals - unter Einbeziehung der Kinderzulagen in die Verletztenrente und der Kinderzuschüsse in die Versichertenrente ermittelte. Dies wirkte sich so aus, daß schon die Verletztenrente die 85 v.H.-Grenze des JAV - dieser war höher als die persönliche Rentenbemessungsgrundlage des Klägers - überstieg und infolgedessen kein ruhensfreier Betrag der Versichertenrente verblieb. Gleichwohl gewährte die Beklagte "nach § 7 des 5.RAG" die Rente in der bisherigen Höhe von 238,-- DM bis zum 31. Juli 1963 weiter. Zugleich nahm sie die mit Wirkung vom 1. Juli 1963 in Kraft getretene Änderung des § 1278 RVO (Art. 2 Nr. 4 in Verbindung mit Art. 4 § 3 UVNG) zum Anlaß, die Versichertenrente so umzurechnen, daß sie die Summe aus dieser Rente ohne Kinderzuschüsse und der Verletztenrente einschließlich der Kinderzulagen mit 85 v.H. des JAV verglich. Dabei ergab sich kein ruhensfreier Betrag mehr; es blieben nur noch die drei Kinderzuschüsse von zusammen 142,20 DM zu zahlen. Demgemäß setzte die Beklagte die Rente des Klägers vom 1. August 1963 an auf diesen Betrag herab.

Der Kläger hat den Bescheid vom 15. Juli 1963 mit der Klage angefochten und beantragt, die Beklagte zu verpflichten, die Rente in Höhe von monatlich 238,-- DM über den 31. Juli 1963 hinaus weiterzuzahlen.

Das Sozialgericht (SG) Hannover hat dem Klageantrag durch Urteil vom 15. September 1964 stattgegeben.

Nach Einlegung der Berufung erließ die Beklagte am 11. Januar 1965 einen neuen Bescheid; sie paßte die Rente nach dem 6. und 7. RAG an und gewährte Kinderzuschuß auch für das am 30. September 1964 geborene vierte Kind des Klägers. Dadurch ergaben sich unter Anwendung der Ruhensvorschriften Rentenzahlbeträge von monatlich 153,60 DM vom 1. Januar 1964 an, 204,80 DM vom 1. September 1964 an und von 224,-- DM vom 1. Januar 1965 an.

Das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen hat die Berufung der Beklagten durch Urteil vom 24. März 1965 zurückgewiesen mit folgender Begründung: Die Beklagte hätte die Rente nicht aus Anlaß der Änderung des § 1278 RVO herabsetzen dürfen. Dies ergebe sich aus der Bindungswirkung der vorangegangenen Bescheide. Das Ruhen einer Versichertenrente wegen des Zusammentreffens mit einer Rente aus der gesetzlichen UV trete allerdings kraft Gesetzes ein, und der Bescheid des Versicherungsträgers, der das Ruhen ausspreche, habe lediglich feststellende Bedeutung. Trotzdem werde ein feststellender Ruhensbescheid in der Sache selbst bindend. Er stelle fest, was im Verhältnis zwischen dem Versicherungsträger und dem Berechtigten gelte. Die Feststellung, inwieweit die Rente ruhe oder nicht ruhe, werde zwischen den Beteiligten auch dann bindend; wenn sie auf einen Rechtsirrtum beruhe. Ein solcher Rechtsirrtum sei der Beklagten unterlaufen, indem sie bei der Errechnung des ruhenden Rentenbetrages die Kinderzulagen zur Verletztenrente und die Kinderzuschüsse zur Versichertenrente unberücksichtigt gelassen habe. An diese den Kläger begünstigende Feststellung sei die Beklagte gebunden. Ein Tatbestand, der die Durchbrechung der Bindungswirkung gestatten könnte (§§ 1286, 1744 RVO oder § 138 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -), liege nicht vor. Auch die Rentenanpassung nach dem 3. bis 5. RAG und die Gewährung des Kinderzuschusses für das dritte Kind hätten nur Erhöhungen der Rente zur Folge gehabt, nicht aber ihre Herabsetzung gestattet. Ebensowenig habe die Neufassung des § 1278 RVO durch das UVNG es rechtfertigen können, frühere bindend gewordene Ruhensbescheide zum Nachteil des Versicherten zu ändern; denn die Neufassung habe ausschließlich Erhöhungen der früheren Leistungen zum Ziel gehabt. Dementsprechend dürften - dies ergebe sich aus den Übergangsvorschriften des Art. 4 §§ 6,7 UVNG - die Versichertenrenten wegen der geänderten Ruhensvorschrift nur auf Antrag des Berechtigten und nur zu seinen Gunsten neu festgestellt werden. Der Kläger habe aber einen solchen Antrag nicht gestellt.

Das LSG hat die Revision zugelassen.

Die Beklagte hat das Rechtsmittel eingelegt und zu seiner Begründung ausgeführt: Die den Kläger begünstigende Anwendung der Ruhensvorschriften unter Außerachtlassung der Kinderzulagen und -zuschüsse habe ihrer ursprünglichen Verwaltungsübung entsprochen. Sie - die Beklagte - sei davon abgegangen, nachdem das Bundessozialgericht (BSG) am 15. Februar 1962 entschieden habe, daß auch nach dem Inkrafttreten des Arbeiterrentenversicherungs-Neuregelungsgesetzes (ArVNG) der Kinderzuschuß ein Bestandteil der Rente sei (SozR Nr. 5 zu Art. 2 § 42 ArVNG).Somit habe sie beim Erlaß des Bescheides vom 15. Juli 1963 die sich aus der uneingeschränkten Anwendung des § 1278 Abs. 1 RVO ergebende Lage zu berücksichtigen gehabt. d.h. die Kinderzulagen in die Verletztenrente einbeziehen und infolgedessen den Rentenzahlbetrag herabsetzen müssen. Zur Herabsetzung der Rente sei sie auch deswegen berechtigt gewesen, weil einem Ruhensbescheid nicht die einem "allgemeinen Rentenbescheid" eigene Bindungswirkung zukomme. Das Ruhen trete kraft Gesetzes ein, auch hinsichtlich seines Umfangs. Der hierüber ergehende Verwaltungsakt habe nur deklaratorische Wirkung; er bringe lediglich zum Ausdruck, wie sich die Ruhensvorschriften nach der Vorstellung des Versicherungsträgers im Ergebnis auswirkten. Sei die Vorstellung rechtsirrig, so bleibe dies ohne Einfluß auf den Anspruch des Versicherten; der Anspruch bestehe immer nur in dem sich aus dem Gesetz ergebenden Umfang. Die über diesen Anspruch hinausgehende - im deklaratorischen Ruhensbescheid ausgewiesene - Rentenhöhe begründe keinen isolierten Anspruch des Versicherten. Ein mit der Rechtslage nicht übereinstimmender Ruhensbescheid sei daher jederzeit abänderbar. Er sei aber auch in entsprechender Anwendung des § 138 SGG berichtigungsfähig; denn in der unrichtigen Wiedergabe der sich aus der Anwendung der Ruhensvorschriften automatisch ergebenden Rentenhöhe sei eine "offenbare Unrichtigkeit" zu sehen. -

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des LSG Niedersachsen vom 24. März 1965 und das Urteil des SG Hannover vom 15. September 1964 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Er pflichtet den Entscheidungsgründen des LSG bei.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil einverstanden erklärt (§ 124 Abs. 2 SGG).

Die Revision ist zulässig, aber unbegründet.

Der Rentenleistung von monatlich 238,-- DM, deren Weitergewährung über den 31. Juli 1963 hinaus der Kläger begehrt, liegt der Bescheid der Beklagten vom 8. September 1961 zugrunde, sie geht letzten Endes aber auf den über einen Zahlbetrag von 185,80 DM lautenden Bescheid vom 2. September 1960 zurück. Die Differenz zwischen den beiden Beträgen setzt sich aus der - unstreitig - zu Recht gewährten Erhöhung nach dem 3. RAG und dem Kinderzuschuß für das dritte Kind des Klägers zusammen. Die Beklagte hätte demnach den Zahlbetrag von 238,-- DM nur dann herabsetzen dürfen, wenn sie an den Bescheid über 185,80 DM nicht oder nicht mehr gebunden gewesen wäre. Eine solche Änderungsbefugnis stand ihr jedoch, wie das LSG zutreffend entschieden hat, nicht zu.

In dem Bescheid vom 2. September 1960 hat die Beklagte sowohl den Anspruch des Klägers auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit dem Grunde nach anerkannt als auch die Höhe der Rente unter Ermittlung des Rentenbetrages, des Ruhensbetrages und des - ruhensfreien - Zahlbetrages festgesetzt. Dabei hat sie -darüber sind die Beteiligten sich einig, und dies deckt sich auch mit der Rechtssprechung des BSG - SozR Nr.5 zu Art. 2 § 42 ArVNG - das materielle Recht insofern unrichtig angewendet, als sie die Kinderzuschüsse zur Versichertenrente und die Kinderzulagen zur Verletztenrente nicht als Bestandteile der Rente selbst angesehen und demgemäß bei der Anwendung des § 1278 RVO unberücksichtigt gelassen hat. Dadurch ist der ruhende Teil der Rente um die Kinderzuschüsse und Kinderzulagen zu niedrig und der ruhensfreie Teil zu hoch ermittelt worden.

Die Meinung der Revision, der unrichtige Bescheid sei schon wegen seiner Rechtsnatur als Ruhensbescheid berichtigungsfähig, trifft nicht zu. Die Rechtsfolge des Ruhens tritt allerdings - darin ist der Beklagten beizupflichten - mit der Erfüllung eines Ruhenstatbestandes "kraft Gesetzes" ein, und der hierüber ergehende Bescheid hat, wie schon das Reichsversicherungsamt (RVA) wiederholt ausgesprochen hat, lediglich feststellende (deklaratorische) Bedeutung (RVA in AN 1923, S. 23, grunds. Entsch. Nr. 2727 und AN 1939, S. 83, 246, grunds. Entsch. Nr. 5267 und 5294). Daraus ergibt sich, daß der Versicherungsträger das Ruhen der Leistung nicht erst vom Tage des Ausspruchs an, sondern mit rückwirkender Kraft - von der Erfüllung des Ruhenstatbestandes an _ herbeiführen und den Ruhensbescheid ergänzen kann, wenn ein anderer, bisher nicht geregelter Ruhenstatbestand hinzugetreten ist oder auch nur verspätet in die Beurteilung einbezogen werden soll. Unrichtig ist aber die Meinung der Revision, ein Ruhensbescheid der vorliegenden Art gebe nur die unverbindliche Auffassung des Versicherungsträgers über die Auswirkungen der Ruhensvorschriften wieder und vermöge keinen isolierten, über das Gesetz hinausgehenden Anspruch des Versicherten zu begründen, wenn die Vorstellung des Versicherungsträgers rechtsirrig sei. Der hier zu beurteilende Bescheid vom 2. September 1960 hat nicht nur die Anerkennung des Rentenanspruchs dem Grunde nach zum Inhalt, sondern spricht auch aus, daß die Versichertenrente wegen des gleichzeitigen Bezugs von Verletztenrente - bei zwei zuschlags-bzw. zulageberechtigten Kindern - in einer bestimmten Höhe ruhe, im übrigen aber nicht ruhe. Damit enthält der Bescheid insoweit einen - positiven und negativen - Ausspruch über die Auswirkungen der Ruhensvorschriften r, der erkennbar den Zweck verfolgt, das Rechtsverhältnis zwischen dem Versicherungsträger und dem Berechtigten unter der Voraussetzung gleichbleibender tatsächlicher Gegebenheiten, wie zB Höhe der Verletztenrente, Zahl und Zuschußberechtigung der Kinder usw., ein für allemal zu regeln. Darin liegt ein Verwaltungsakt, welcher - ebenso wie die Anerkennung des Rentenanspruchs als solchen - der Bindungswirkung (§77 SGG) fähig ist. Dementsprechend hat schon das RVA in ständiger Rechtsprechung Zweck und Aufgabe eines Ruhensbescheides darin gesehen, verbindlich festzustellen, was beim Zusammentreffen mehrerer Renten gelte, und weiter ausgeführt, daß die Entscheidung des Versicherungsträgers, soweit sie das Ruhen oder Nichtruhen einer Rente zum Gegenstand habe, in "Rechtskraft" erwachse, und zwar auch insoweit, als der Bescheid auf einem Rechtsirrtum des Versicherungsträgers beruhe (RVA aaO). Diese Rechtsauffassung ist auch Ausgangspunkt der Entscheidung des erkennenden Senats vom 9. August 1962 - 4 RJ 355/60 (Breith. 1963, 239), in der ausgesprochen wird, daß ein Ruhenstatbestand, der nicht Gegenstand des einen anderen Ruhenstatbestand behandelnden Bescheides gewesen sei, an der Bindungswirkung nicht teilnehme. Unterlag somit der Bescheid der Beklagten vom 2. September 1960 auch hinsichtlich der Bezifferung des ruhenden und des nicht ruhenden Teiles der Versichertenrente der Bindungswirkung des § 77 SGG, so durfte die Beklagte die Ruhensanordnung nicht allein deswegen zuungunsten des Klägers ändern, weil sie der Rechtslage nicht entsprach.

Es gibt auch keine gesetzlichen Vorschriften, die im vorliegenden Streitfalle eine Durchbrechung der Bindungswirkung gestatten könnten. So hat das LSG bereits mit Recht die Voraussetzungen des § 1286 und des § 1744 RVO als nicht gegeben erachtet; dem ist die Beklagte auch nicht entgegengetreten. Ebensowenig vermag der aus § 138 SGG und den entsprechenden Vorschriften anderer Verfahrensordnungen hergeleitete und auch auf Verwaltungsakte anwendbare Rechtssatz, daß offenbare Unrichtigkeiten jederzeit berichtigt werden können, zu einer für die Beklagte günstigeren Entscheidung zu führen. Daß die den Kläger begünstigende und einer jahrelangen Verwaltungsübung der Beklagten entsprechende Ruhensregelung vom 2. September 1960 auf einer "offenbaren Unrichtigkeit" beruhe, nimmt selbst die Beklagte nicht an; sie meint aber, in einem Ruhensbescheid sei jede Abweichung von der wahren Rechtslage wie eine offenbare Unrichtigkeit zu behandeln. Eine solche Ausweitung des Rechtsgrundsatzes der Berichtigungsfähigkeit offenbarer Unrichtigkeiten ist wegen der Verschiedenheit der Interessenlage nicht vertretbar. Nur der Adressat eines "offenbar" - also auch für ihn erkennbar - unrichtigen Verwaltungsaktes (Urteils) muß sich gefallen lassen, daß ein ihm "verbrieftes" Recht unter Hintansetzung des Grundsatzes der Rechtssicherheit geschmälert wird. In dieser Weise schutzunwürdig ist dagegen ein Rentenempfänger nicht, der auf die richtige und vom Versicherungsträger jahrelang praktizierte Anwendung der Ruhensvorschriften vertraut hat.

Schließlich hat das LSG auch zu Recht entschieden, daß die Neufassung des § 1278 RVO durch das UVNG die Beklagte nicht berechtigte, die Rente des Klägers herabzusetzen. Die Neufassung macht allerdings deutlich, daß vom 1. Juli 1963 an - auch in Versicherungsfällen, die vor diesem Zeitpunkt eingetreten sind (Art. 4 §§ 3,6,16 Abs. 1 UVNG)- bei der Ermittlung des Ruhensbetrages der Versichertenrente zwar der Kinderzuschuß, nicht aber die Kinderzulage zu eliminieren ist; sie verbietet aber nicht die Weitergewährung eines das Ergebnis der neuen Berechnungsweise übersteigenden Betrages, wenn der Versicherungsträger sich hierzu bereits vor der Neufassung durch einen bindend gewordenen Bescheid verpflichtet hatte. Nur wenn sich aus dem UVNG ergäbe, daß die Neufassung des § 1278 Abs. 1 RVO bereits erworbene Rechte hätte schmälern sollen, hätte eine Herabsetzung der Rente in Betracht kommen können. Ein solcher Nachweis läßt sich aber schon deshalb nicht führen, weil der Gesetzgeber mit der Neufassung erkennbar und anerkanntermaßen - auch die Beklagte gibt dies zu - ausschließlich eine Besserstellung des Rentenbeziehers, und zwar durch Verringerung des ruhenden Rententeils um die Kinderzuschüsse, im Auge hatte. Darüber hinaus enthält Art. 4 § 7 UVNG eine auch auf die Änderung des § 1278 Ahs. 1 RVO bezügliche Besitzstandsklausel, nach der es bei der vor der Neufassung festgesetzten Leistung verbleibt, wenn sie höher ist als die nach dem UVNG zu gewährende.

Ob die Beklagte es ablehnen darf, die Rente aus Anlaß des Hinzutritts des vierten Kindes und aus Anlaß weiterer Rentenanpassungen über 238,-- DM hinaus zu erhöhen, bedarf nicht der Entscheidung, weil diese Frage vom Klageantrag nicht umfaßt und somit nicht Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits ist.

Nach alledem muß die Revision der Beklagten als unbegründet zurückgewiesen werden.

Die Kostenentscheidung ergeht in Anwendung des § 193 SGG.

 

Fundstellen

BSGE, 98

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