Entscheidungsstichwort (Thema)

Kindererziehungszeit bei Erziehung im Ausland

 

Orientierungssatz

1. Die Gleichstellungsregelung des § 2a Abs 5 S 2 Nr 2 AVG ist verfassungsrechtlich geboten; denn unter Berücksichtigung des Gleichbehandlungsgebotes des Art 3 Abs 1 GG und der besonderen Schutzpflicht des Staates für Ehe und Familie (Art 6 Abs 1 GG) soll es dem erziehenden Ehegatten nicht zum Nachteil gereichen, wenn er das Inland verläßt, um mit dem im Ausland in einer an sich nach deutschen Sozialversicherungsrecht versicherungspflichtigen Beschäftigung stehenden Elternteil und dem Kind als Familie zusammenzuleben (vgl BSG vom 12.7.1988 - 4/11a RA 36/87 = BSGE 63, 282).

2. § 2a Abs 5 S 2 Nr 2 AVG ist nach Sinn und Zweck der Regelung in ausdehnender Auslegung auf die Ehegatten der Personengruppen anzuwenden, die zwar wegen der öffentlich-rechtlichen Ausgestaltung ihres inländischen Beschäftigungsverhältnisses die strengen Anforderungen einer Entsendung iS von § 4 Abs 1 SGB 4 nicht erfüllen können, die jedoch vom Wertungszusammenhang des § 2a Abs 5 S 2 Nr 2 AVG her den in § 6 AVG genannten Gruppen der Versicherungsfreien bzw den von der Versicherungspflicht Befreiten vergleichbar sind (hier die Auslandstätigkeit eines Pfarrers in Brasilien).

 

Normenkette

AVG § 28a Abs 3 S 1; RVO § 1251a Abs 3 S 1; AVG § 2a Abs 5 S 2 Nr 2; RVO § 1227a Abs 5 S 2 Nr 2; AVG § 6; RVO § 1229; SGB 4 § 4 Abs 1; GG Art 3 Abs 1; GG Art 6 Abs 1; AVG § 28a Abs 1; RVO § 1251a Abs 1

 

Verfahrensgang

LSG Rheinland-Pfalz (Entscheidung vom 02.11.1989; Aktenzeichen L 5 A 135/88)

SG Mainz (Entscheidung vom 31.10.1988; Aktenzeichen S 3 A 42/87)

 

Tatbestand

Streitig ist die Anerkennung von Zeiten der Kindererziehung während eines Auslandsaufenthaltes.

Die Klägerin hielt sich von März 1957 bis März 1963 zusammen mit ihrem Ehemann, einem Pfarrer der Evangelischen Kirche im Rheinland, in Brasilien auf. Sie stand dort nicht in einem Beschäftigungsverhältnis. Ihr Ehemann war - nach Freistellung durch seine Landeskirche - von der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) - Kirchliches Außenamt - zum Dienst in der evangelischen Kirche lutherischen Bekenntnisses in Brasilien entsandt worden. Die Freistellung beinhaltete, daß der Pfarrer während des Auslandsdienstes der Disziplinargewalt seiner Landeskirche unterstellt blieb und seine Landeskirche über Beanstandungen der Lehre zu befinden hatte. Die Auslandsdienstzeit des entsandten Pfarrers wurde sowohl auf das Besoldungsdienstalter als auch auf die ruhegehaltsfähige Dienstzeit angerechnet. Er behielt seine Anwartschaft auf Ruhestands- und Hinterbliebenenversorgung an seine Landeskirche. Während der Auslandsdienstzeit wurden die Dienstbezüge für den Ehemann der Klägerin von der Kirchgemeinde im Ausland getragen.

Die beklagte Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) lehnte die Anerkennung von Kindererziehungszeiten für die in Brasilien geborenen und erzogenen Kinder der Klägerin Christoph (geboren am 16. März 1958), Wolfgang (geboren am 21. Mai 1960) und Barbara (geboren am 22. März 1962) ab, weil der Ehemann der Klägerin während dieser Zeiträume Angestellter der brasilianischen Kirche gewesen sei und deshalb nicht der Versicherungspflicht nach deutschen Rechtsvorschriften unterlegen habe (Bescheid vom 17. November 1986; Widerspruchsbescheid vom 24. März 1987).

Klage und Berufung hiergegen sind erfolglos geblieben (Urteil des Sozialgerichts -SG- Mainz vom 31. Oktober 1988; Urteil des Landessozialgerichts -LSG- Rheinland-Pfalz vom 2. November 1989). Zur Begründung hat das LSG im wesentlichen ausgeführt, eine Anerkennung der Kindererziehungszeiten könne auch nicht in Anwendung der §§ 28a Abs 3, 2a Abs 5 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) erfolgen, da der Ehemann der Klägerin zwar nach § 6 Abs 1 Nr 4 AVG versicherungsfrei gewesen sei, während des Auslandsaufenthaltes aber dem Grunde nach keine Versicherungspflicht bestanden habe. Diese hätte nur im Wege der Entsendung gemäß § 4 des Sozialgesetzbuches - Gemeinsame Vorschriften - (SGB IV) begründet werden können, was aber nicht der Fall gewesen sei. Der Ehemann der Klägerin habe in einem Beschäftigungsverhältnis mit der brasilianischen Kirche gestanden. Sein Dienstverhältnis mit seiner Landeskirche habe während der Freistellung geruht.

Die Klägerin hat die vom Senat zugelassene Revision eingelegt und die Verletzung materiellen Rechts gerügt. Das Berufungsgericht habe verkannt, daß das Dienstverhältnis ihres Ehemannes zur Evangelischen Kirche im Rheinland durch die Aufnahme der Tätigkeit in Brasilien nicht beendet worden sei, sondern fortbestanden habe. Ihr Ehemann habe dort eine Tätigkeit unmittelbar für Zwecke seines inländischen Arbeitgebers ausgeübt, so daß die Voraussetzungen für die Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten während eines Auslandsaufenthaltes erfüllt seien.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

die Urteile des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 2. November 1989 und des Sozialgerichts Mainz vom 31. Oktober 1988 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide zu verurteilen, ihr die Zeiten der Kindererziehung vom 1. April 1958 bis 31. März 1959, 1. Juni 1960 bis 31. Mai 1961 und vom 1. April 1962 bis 31. März 1963 anzuerkennen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält eine extensive Auslegung des § 2a Abs 5 AVG aus verfassungsrechtlichen Gründen für bedenklich.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-) einverstanden erklärt.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision der Klägerin ist begründet.

Ihr Anspruch auf Vormerkung (§ 104 Abs 3 Satz 1 AVG) der im Ausland zurückgelegten Kindererziehungszeiten beurteilt sich nach § 28a Abs 3 Satz 1 iVm § 2a Abs 5 AVG. Nach der erstgenannten Vorschrift gilt der Abs 5 der - die Versicherungspflicht ab 1. Januar 1986 regelnden - Vorschrift des § 2a AVG für vorher zurückgelegte Kindererziehungszeiten entsprechend. Gemäß Satz 1 des Abs 5 aaO gelten die Absätze 1 bis 4 des § 2a AVG auch für Mütter und Väter, die ihr Kind in einem Staat außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes erziehen und sich mit ihm dort gewöhnlich aufhalten, wenn sie wegen einer Beschäftigung oder Tätigkeit in diesem Staat während der Kindererziehung oder unmittelbar vor der Geburt des Kindes Pflichtbeitragszeiten nach diesem Gesetz haben. Das ist weder bei der Klägerin noch bei ihrem Ehemann der Fall gewesen, so daß auch die Regelung des Satzes 2 Nr 1 aaO nicht eingreift.

In Erweiterung des personalen Anwendungsbereichs der Vorschrift bestimmt § 2a Abs 5 Satz 2 Nr 2 AVG nunmehr, daß die Absätze 1 bis 4 auch für die Ehegatten der Personen gelten, die wegen einer Beschäftigung oder Tätigkeit außerhalb des Geltungsbereiches dieses Gesetzes nur deshalb keine Pflichtbeitragszeiten nach diesem Gesetz haben, weil sie zu den in § 6 AVG genannten Personen gehören oder von der Versicherungspflicht befreit sind. Weiterhin müssen sich beide Ehegatten mit dem Kind in demselben Staat gewöhnlich aufhalten.

Die rentenrechtliche Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten bei derartigen Fallgestaltungen mit Auslandsberührung ist deshalb sachgerecht, weil bei den nach § 6 AVG versicherungsfreien Personen oder bei von der Versicherungspflicht Befreiten noch eine Verknüpfung mit der deutschen Sozialversicherung dadurch besteht, daß sie weiterhin eine nach dem AVG an sich versicherungspflichtige Beschäftigung ausüben. Die Kindererziehungszeit wird dabei nicht dem im Ausland Beschäftigten (oder Tätigen), sondern dessen erziehenden Ehegatten angerechnet bzw anerkannt. Nur er wird durch diese Regelung begünstigt. Diese Gleichstellung mit anderen - im Inland erziehenden - Ehegatten ist verfassungsrechtlich geboten; denn unter Berücksichtigung des Gleichbehandlungsgebotes des Art 3 Abs 1 Grundgesetz (GG) und der besonderen Schutzpflicht des Staates für Ehe und Familie (Art 6 Abs 1 GG) soll es dem erziehenden Ehegatten nicht zum Nachteil gereichen, wenn er das Inland verläßt, um mit dem im Ausland in einer an sich nach deutschen Sozialversicherungsrecht versicherungspflichtigen Beschäftigung stehenden Elternteil und dem Kind als Familie zusammenzuleben (so bereits Urteil des Senats vom 12. Juli 1988 - 4/11a RA 36/87 - = BSGE 63, 282, 292). Das gilt entsprechend für die im Ausland tätigen Personen, sofern sie von der Versicherungspflicht befreit sind (§§ 7, 8 AVG).

Das somit erforderliche, an sich versicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnis des Ehegatten der Klägerin ist vorliegend nicht gemäß § 4 SGB IV begründet worden (zu weiteren Möglichkeiten insbesondere aufgrund zwischenstaatlicher Vereinbarungen: Verbandskommentar, § 1227a RVO, RdNr 36); denn die Beschäftigung des Ehegatten der Klägerin in Brasilien erfüllte die Voraussetzungen des Ausstrahlungstatbestandes nicht. Er wurde nicht iS des § 4 Abs 1 SGB IV von seinem inländischen Dienstherrn, der Evangelischen Kirche im Rheinland, nach Brasilien entsandt und war dort aufgrund eines mit einem ausländischen Arbeitgeber begründeten Beschäftigungsverhältnisses tätig.

§ 2a Abs 5 Satz 2 Nr 2 AVG ist aber, wie vom Senat bereits mehrfach entschieden worden ist, nach Sinn und Zweck der Regelung in ausdehnender Auslegung auf die Ehegatten der Personengruppen anzuwenden, die zwar wegen der öffentlich-rechtlichen Ausgestaltung ihres inländischen Beschäftigungsverhältnisses die strengen Anforderungen einer Entsendung iS von § 4 Abs 1 SGB IV nicht erfüllen können, die jedoch vom Wertungszusammenhang des Abs 5 Satz 2 Nr 2 aaO her den in § 6 AVG genannten Gruppen der Versicherungsfreien bzw den von der Versicherungspflicht Befreiten vergleichbar sind. Das ist der Fall, wenn der Ehegatte des erziehenden Elternteils in seiner nach § 6 AVG versicherungsfreien Beschäftigung von seinem inländischen Arbeitgeber beurlaubt ist, um vorübergehend im Ausland eine Beschäftigung oder Tätigkeit aufzunehmen, die im Interesse des Arbeitgebers steht, ohne daß ein Entsendungsfall des § 4 Abs 1 SGB IV vorliegt. Voraussetzung dafür ist weiter, daß das inländische Beschäftigungsverhältnis während dieser Zeit in seinen wesentlichen Elementen fortbesteht (Urteile vom 16. August 1990 - 4 RA 4/90 - zur Veröffentlichung vorgesehen - und vom 27. September 1990 - 4 RA 30/90; vgl auch Urteil vom 12. Juli 1990 - 4 RA 49/89).

Satz 2 Nr 2 der genannten Vorschrift bezieht über die Regelung des § 6 AVG Personengruppen in den Anwendungsbereich der Norm mit ein, die kraft ihrer Beauftragung mit hoheitlichen Funktionen eine dem Grunde nach versicherungspflichtige Beschäftigung nur im Ausnahmefall im Ausland ausüben können. Liegt eine versicherungspflichtige Beschäftigung aufgrund einer Entsendung iS des § 4 SGB IV oder Versicherungspflicht gemäß § 2 Abs 1 Nr 10 AVG nicht vor, kommt regelmäßig eine dem Grunde nach aufgrund deutscher Rechtsvorschriften versicherungspflichtige Beschäftigung im Ausland nur für Beamte (§ 6 Abs 1 Nr 3 AVG) oder Gleichgestellte (§ 6 Abs 1 Nr 4 bis 6 AVG) in Betracht, die an einer Dienststelle des Bundes im Ausland (zB einer amtlichen Vertretung des Bundes) tätig sind (vgl Verbandskommentar, § 1227a RVO, RdNr 39; Kaltenbach/Maier in Koch/Hartmann, AVG, § 2a Anm 7). Nicht erfaßt werden zB diejenigen Personen, die im Inland eine nach § 6 AVG versicherungsfreie Beschäftigung oder eine Tätigkeit ausüben, in der sie von der Versicherungspflicht befreit sind, und die im Interesse und mit Zustimmung ihres Dienstherrn oder Arbeitgebers im Ausland tätig werden, ohne daß sie - wegen der Beschränkung der hoheitlichen Befugnisse auf das Territorium der Bundesrepublik Deutschland - iS des § 4 SGB IV entsandt werden können. Das Beamtenrecht sieht, wenn diese Tätigkeit im Ausland im Interesse der Bundesrepublik Deutschland liegt, die Möglichkeit vor, dem Beamten (ähnliche Regelungen gelten auch für Angestellte und Arbeiter) für derartige Tätigkeiten im Ausland Sonderurlaub zu bewilligen (vgl etwa § 89 Abs 2 Satz 1 Bundesbeamtengesetz -BBG- iVm der Sonderurlaubsverordnung -SUrlVO- idF der Bekanntmachung vom 13. November 1980 - BGBl I S 2975 - und die Richtlinien für die Entsendung von Bundesbediensteten in öffentliche zwischenstaatliche oder überstaatliche Organisationen - Entsendungsrichtlinien - vom 25. September 1973 - sowie die Richtlinien für die Beurlaubung von Bundesbediensteten zur Übernahme von Aufgaben der Entwicklungshilfe idF vom 1. Dezember 1975 - GMBl 1975 S 818). Aus diesen Bestimmungen ergibt sich, daß bei der Beurlaubung das beamtenrechtliche Dienstverhältnis regelmäßig unverändert bestehen bleibt. Der Amtsinhaber wird lediglich von seiner Pflicht zur Dienstleistung entbunden. Während der so erfolgten beamtenrechtlichen Entsendung wird das Besoldungsdienstalter des Beamten nicht verändert. Die Zeit der Entsendung wird als ruhegehaltsfähig zugrunde gelegt. Die Entsendung steht einer Beförderung des Beamten nicht entgegen. Bei Ausscheiden aus der versicherungsfreien Beschäftigung ohne Versorgung ist der Betreffende gemäß § 9 AVG nachzuversichern (vgl Abschnitt II der Entsendungsrichtlinien sowie Abschnitt II der Richtlinien für die Beurlaubung von Bundesbediensteten zur Übernahme von Aufgaben der Entwicklungshilfe).

Entsprechende Regelungen galten für die Rechtsstellung des Ehegatten der Klägerin während der Auslandstätigkeit in Brasilien als Pfarrer. Nach § 15 Abs 1 des Kirchengesetzes über das Verhältnis der EKD und ihrer Gliedkirchen zu evangelischen Kirchengemeinschaften und Gemeinden, Pfarrern und Gemeindegliedern deutscher Herkunft außerhalb Deutschlands vom 18. März 1954 entsendet die EKD einen Pfarrer auf Zeit, wenn er von seiner Gliedkirche mit der Maßgabe freigestellt wird, daß er die Anstellungsfähigkeit in seiner Gliedkirche gemäß § 17 des Gesetzes behält und wenn er von der Gliedkirche die Zusage hat, daß sie ihm nach ordnungsmäßiger Beendigung des Auslandsdienstes nach Maßgabe des gliedkirchlichen Rechts zu einer Pfarrstelle oder einem entsprechenden hauptamtlichen Dienst verhelfen will. Der freigestellte und auf Zeit entsandte Pfarrer behält seine Versorgungsansprüche an seine Gliedkirche. Diese bleibt auch für seine Versetzung in den Ruhestand zuständig (§ 17 Abs 1 des Gesetzes). Die im Ausland verbrachte Dienstzeit wird auf die ruhegehaltsfähige Dienstzeit angerechnet (§ 17 Abs 2 aaO). Die EKD kann den Entsandten im Benehmen mit der Gliedkirche und unter weiteren Voraussetzungen aus dem Auslandsdienst vorzeitig zurückberufen (§ 18 Abs 2 und 3 aaO). Die Gliedkirche rechnet den Auslandsdienst auf das Besoldungsdienstalter an (§ 19 Abs 3 aaO).

Darüberhinaus bestehen - noch weitergehend als bei den oben aufgezeigten beamtenrechtlichen Regelungen - Einwirkungsmöglichkeiten der inländischen Gliedkirche während der Auslandstätigkeit des auf Zeit entsandten Pfarrers fort. Sie belegen, daß das Dienstverhältnis des entsandten Pfarrers zu seiner Gliedkirche nicht beendet wird. So bleibt der entsandte Pfarrer während des Auslandsdienstes der Disziplinargewalt seiner Gliedkirche unterstellt (§ 20 Abs 1 aaO). Diese befindet weiterhin über Beanstandungen der Lehre während der Zeit der Entsendung. Schließlich muß der Pfarrer im Falle einer Lehrbeanstandung auf Verlangen der Gliedkirche aus dem Auslandsdienst der EKD zurückberufen werden (§ 21 aaO).

Der aufgezeigten Entsendung ist somit eigentümlich, daß sie im Interesse der EKD sowie der mit ihr verbundenen Gliedkirche liegt und die Freistellung durch den Dienstherrn nur zum Zwecke der Aufnahme einer bestimmten Tätigkeit im Ausland erteilt wird. Die Entsendung ist auch von vornherein zeitlich begrenzt (vgl § 13 Abs 2 aaO). Zwar ruht das Dienstverhältnis des Entsandten zu seinem Dienstherrn bezüglich bestimmter Hauptpflichten, nämlich der Erbringung der Dienstleistung einerseits und der Entgeltzahlung andererseits. Aus ihm leiten sich aber auch während der Entsendung vielfältige Rechte und Pflichten des entsandten Pfarrers und des Dienstherrn ab, so daß das Dienstverhältnis zwischen dem Pfarrer und der Gliedkirche und damit das sozialversicherungsrechtliche Beschäftigungsverhältnis in wesentlichen Elementen bestehen bleibt. Im Hinblick hierauf hält es der Senat unter Beachtung der verfassungsrechtlich gebotenen Gleichstellung von Ehegatten dieser im Ausland beschäftigten oder tätigen Personengruppen für gerechtfertigt, § 2a Abs 5 Satz 2 Nr 2 AVG auf diesen Sachverhalt zu erstrecken. Ob eine Nichteinbeziehung weiterer Tatbestände in den Anwendungsbereich der Vorschrift zu verfassungsrechtlichen Bedenken Anlaß geben könnte, braucht hier nicht entschieden zu werden.

Nach den den Senat bindenden Feststellungen des LSG war der Ehegatte der Klägerin von der EKD nach Brasilien entsandt worden. Sein Dienstverhältnis zu seiner Gliedkirche mit den sich daraus ergebenden Rechten und Pflichten, wie sie im einzelnen aufgezeigt worden sind, bestand während der von vornherein zeitlich begrenzten Beurlaubung fort. Daraus folgt, daß bei der Klägerin, die sich während des fraglichen Zeitraumes ebenfalls in Brasilien aufgehalten und ihre Kinder dort geboren und erzogen hat (§ 2a Abs 5 Satz 2 letzter Halbsatz AVG), in Anwendung des § 2a Abs 5 Satz 2 Nr 2 AVG iVm § 28 Abs 3 Satz 1 AVG die Zeit der Kindererziehung für die dort geborenen Kinder anzuerkennen ist.

Die Urteile der Vorinstanzen waren aufzuheben und die Beklagte antragsgemäß zu verurteilen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs 1 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1650649

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