Leitsatz (amtlich)

Die Verfügbarkeit für die Arbeitsvermittlung (AFG § 103) wird nicht dadurch ausgeschlossen, daß der Arbeitslose ein Abendgymnasium besucht, sofern er bereit und in der Lage ist, daneben eine Beschäftigung von mehr als geringfügigem Umfang auszuüben.

 

Leitsatz (redaktionell)

Einem Arbeitslosen ist es im Hinblick auf das Grundrecht der freien Berufswahl nicht zuzumuten, nach dem Abschluß einer Abendrealschule auf weiterführende Bildungsbemühungen mit dem Ziel der Reifeprüfung zu verzichten. Neben der Belastung durch den Besuch eines Abendgymnasiums kann einem Arbeitslosen eine vollschichtige Tätigkeit nicht zugemutet werden. Dem Arbeitslosen steht es jedoch frei, sich auch für Arbeiten bereit zu erklären, die ihm nach Art und Umfang nicht zumutbar sind, sofern er hierfür geeignet und dazu in der Lage ist.

 

Normenkette

AFG § 103 Abs. 1 S. 2 Hs. 1 Fassung: 1969-06-25; GG Art. 12 Abs. 1 Fassung: 1968-06-24; AFG § 103 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 Fassung: 1969-06-25

 

Verfahrensgang

LSG Berlin (Entscheidung vom 27.08.1976; Aktenzeichen L 4 Ar 21/72)

SG Berlin (Entscheidung vom 31.08.1972; Aktenzeichen S 61 Ar 200/71)

 

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 27. August 1976 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Anspruch auf Arbeitslosengeld (Alg) zu versagen ist, wenn der Arbeitslose wegen des Besuchs eines Abendgymnasiums seine Arbeitsbereitschaft auf 6 Stunden arbeitstäglich beschränkt.

Der Kläger war als Chemielaborant (vollschichtig) beschäftigt. Daneben besuchte er einen Abendrealschullehrgang, um die mittlere Reife zu erlangen. Der Lehrgang hatte am 24. August 1970 begonnen und sollte am 8. Juli 1971 enden. Am 5. Januar 1971 meldete er sich arbeitslos und beantragte die Gewährung von Alg. Er beschränkte seine Arbeitsbereitschaft nunmehr auf 6 Stunden arbeitstäglich. Die Beklagte bewilligte daraufhin Alg für die Dauer von 312 Tagen rückwirkend ab 5. Januar 1971 (Bescheid vom 30. April 1971).

Mit Bescheid vom 11. August 1971 wurde dem Kläger das Alg mit Wirkung vom 12. Juli 1971 entzogen, nachdem er nach dem Erwerb der mittleren Reife in ein Abendgymnasium übergewechselt war, um die Reifeprüfung zu erlangen und weiterhin seine Arbeitsbereitschaft auf 6 Stunden täglich beschränkte. Der Unterricht am Abendgymnasium fand an 5 Tagen der Woche statt und umfaßte je 3 1/4 Zeitstunden. Die zeitliche Belastung für Vor- und Nacharbeiten wurde von dem Rektor der Schule auf 20 Stunden wöchentlich geschätzt. Ab 8. November 1971 hat der Kläger eine Halbtagsbeschäftigung aufgenommen, die er bis 31. Dezember 1971 ausgeübt hat. Seinen anschließenden Antrag auf Wiederbewilligung von Alg hat er später zurückgenommen.

Widerspruch und Klage blieben ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 4. November 1971; Urteil des Sozialgerichts (SG) Berlin vom 31. August 1972). Auf die Berufung des Klägers hat das Landessozialgericht Berlin (LSG) das Urteil des SG abgeändert und die Bescheide der Beklagten aufgehoben sowie dem Kläger Alg für die Zeit vom 12. Juli 1971 bis 7. November 1971 zugesprochen (Urteil vom 27. August 1976). Zur Begründung hat es ausgeführt: § 103 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) in der hier anzuwendenden Fassung vor der Änderung durch das Haushaltsstrukturgesetz (HStruktG) vom 18. Dezember 1975 (BGBl I, 3113) sehe ausdrücklich vor, daß die Dauer der Arbeitszeit, zu der sich der Arbeitslose bereit erkläre, nicht den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes zu entsprechen brauche. Es komme lediglich darauf an, ob der Arbeitslose bereit sei, eine mehr als geringfügige Beschäftigung, also eine Beschäftigung von mehr als 20 Stunden wöchentlich (§ 102 AFG), auszuüben und die Lage der Arbeitszeit üblichen Bedingungen entspreche. Beide Voraussetzungen seien hier gegeben.

Mit der Revision macht die beklagte Bundesanstalt für Arbeit (BA) geltend: Die Verfügbarkeit nach § 103 Abs. 1 AFG hänge in erster Linie davon ab, welche Beschäftigung der Arbeitslose ausüben könne. Einschränkungen seien nur dann zu berücksichtigen, wenn es sich um Einschränkungen handele, die zwingenden Charakter hätten. In diesem Sinne habe das Bundessozialgericht (BSG) bereits in seinem Urteil vom 28. Februar 1963 (BSGE 19, 226) zu § 76 Abs. 1 AVAVG entschieden. Gleiches müsse aber für § 103 AFG gelten. Zwingende Bindungen seien allerdings auch dann anzunehmen, wenn ein besonderes schutzbedürftiges Interesse des Versicherten vorliege. Ein solches könne aber nur dann bejaht werden, wenn die Einschränkung der Arbeitsbereitschaft durch Bildungsmaßnahmen verursacht worden sei, die auch nach den §§ 33 ff AFG gefördert werden könnten. Hierzu zähle der Besuch eines Abendgymnasiums nicht. Das Interesse des Klägers an dem Besuch einer solchen Bildungsmaßnahme könne nicht höher bewertet werden als das Interesse der Versichertengemeinschaft an einer uneingeschränkten Verfügbarkeit des Klägers.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des LSG aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG zurückzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Beide Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -) einverstanden erklärt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet.

Das LSG hat zutreffend entschieden, daß der Kläger in der streitigen Zeit i. S. des § 103 Abs. 1 AFG in der hier noch anzuwendenden Fassung vom 25. Juni 1969 (BGBl I, 581) verfügbar war. Diese Vorschrift sieht in Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 zunächst vor, daß Verfügbarkeit nur vorliegt, wenn der Arbeitslose nicht durch gesundheitliche Gründe oder sonstige Behinderungen oder Bindungen gehindert ist, eine Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes auszuüben. In Satz 2, erster Halbsatz wird dann aber bestimmt, daß die (Dauer der) Arbeitszeit nicht den üblichen Bedingungen zu entsprechen braucht. Das LSG hat zutreffend erkannt, daß die Möglichkeit zu einer Beschäftigung von 6 Stunden täglich an 5 Tagen der Woche demnach unter dem Gesichtspunkt der Üblichkeit die Verfügbarkeit nicht ausschließt. Es hat ferner festgestellt, daß auch hinsichtlich der möglichen Lage der Arbeitszeit und sonstiger Arbeitsbedingungen keine Einschränkungen vorliegen, die üblichen Bedingungen widersprechen. Schließlich hat das LSG zutreffend erkannt, daß der Umfang der Arbeitstätigkeit, die der Kläger noch neben dem Schulbesuch verrichten kann und will, einen mehr als geringfügigen Umfang hat, so daß die Verfügbarkeit auch nicht nach § 103 Abs. 1 Satz 2, zweiter Halbsatz i. V. m. § 102 AFG zu verneinen ist. Hiermit sind jedoch noch nicht alle Voraussetzungen der Verfügbarkeit erfüllt. Hinzu kommen muß - wie die Beklagte mit Recht hervorhebt - die Bereitschaft des Arbeitslosen, jede zumutbare Tätigkeit anzunehmen, die er ausüben kann (§ 103 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AFG). Diese Vorschrift umfaßt nicht nur die Art der Tätigkeit, sondern alle Arbeitsbedingungen einschließlich der Dauer der Arbeitszeit (Hennig/Kühl/Heuer, AFG, § 103 Anm. 3; Schönefelder/Kranz/Wanka, AFG, § 103 Anm. 11). Die Ausnahmeregelung, die in § 103 Abs. 1 Satz 2, erster Halbsatz AFG hinsichtlich der Dauer der Arbeitszeit getroffen ist, bezieht sich ausdrücklich nur auf § 103 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AFG, nicht jedoch auf die in Nr. 2 geregelte Arbeitsbereitschaft. Das bedeutet, daß Einschränkungen der Arbeitsbereitschaft hinsichtlich der Dauer die Verfügbarkeit nur dann nicht hindern, wenn Gründe vorliegen, aus denen sich ergibt, daß der Arbeitnehmer keine Arbeitsleistung für eine längere Dauer anbieten "kann" oder eine in diesem Rahmen in Betracht kommende Arbeit nicht zumutbar ist.

Diese Vorschrift steht indes dem Anspruch des Klägers nicht entgegen, weil er trotz Einschränkung der Arbeitszeit auf 6 Stunden arbeitstäglich als arbeitsbereit i. S. des Gesetzes anzusehen ist. Wie schon die Beklagte mit Recht hervorgehoben hat, sind im Rahmen der Beurteilung des Umfanges der Leistung, die der Arbeitslose anbieten kann, nicht nur Einschränkungen zu beachten, die absolut zwingenden Charakter haben, sondern auch solche, die für den Arbeitslosen von so wesentlicher Bedeutung sind, daß ihm nicht zugemutet werden kann, diese Einschränkungen zu beseitigen, ihrem Eintritt entgegenzuwirken oder davon abzusehen, sie herbeizuführen. Dies ist z. B. der Fall, wenn sich ein Arbeitsloser - wie der Kläger - bei Beginn der Arbeitslosigkeit in einer Bildungsmaßnahme befindet, die ihn zeitlich so stark beansprucht, daß ihm daneben eine vollschichtige Tätigkeit nicht zugemutet werden kann. In einem solchen Fall kann von dem Arbeitslosen nicht erwartet werden, daß er die Maßnahme abbricht und damit die bisher unternommenen Bildungsbemühungen zunichte macht. Dem hat die Beklagte Rechnung getragen, indem sie dem Kläger Alg bis zur Beendigung des Lehrgangs der Abendrealschule gewährt hat. Ebenso unzumutbar ist es jedoch, von dem Arbeitslosen den Verzicht auf weiterführende Bildungsbemühungen mit dem Ziel der Reifeprüfung zu verlangen. Der Bildungsgang am Abendgymnasium stellt - selbst wenn die Teilnahme das Ablegen der mittleren Reife nicht voraussetzt - eine Weiterentwicklung des bis zur mittleren Reife erworbenen Bildungsstandes dar. Der Erfolg der Teilnahme ist weitgehend von der Präsenz des bis zur mittleren Reife vermittelten Wissens abhängig. Jede Unterbrechung der Weiterführung des Bildungsganges muß deshalb die Bildungsbemühungen im Rahmen des Abendgymnasiums erschweren und den Erfolg gefährden. Diese Beeinträchtigung auf sich zu nehmen ist dem Arbeitslosen ebenfalls nicht zumutbar.

Abgesehen davon ist aber die Reifeprüfung generell von so zentraler Bedeutung für den Zugang zu einer Vielzahl von beruflichen Ausbildungsgängen und damit beruflichen Möglichkeiten, daß keinem Arbeitslosen, der daran Interesse hat und nicht offensichtlich ungeeignet ist, ein solcher Verzicht zugemutet werden darf. Mit der Entscheidung, ein Abendgymnasium zu besuchen und die Reifeprüfung abzulegen, macht der Arbeitslose von seinem Recht der Freiheit der Berufswahl (Art. 12 Abs. 1 des Grundgesetzes - GG -) Gebrauch. Dieses Recht bezieht sich nicht nur darauf, in der jeweiligen Situation, in der sich der Einzelne befindet, die ihm nach seinen Kenntnissen und Fähigkeiten zugänglichen beruflichen Möglichkeiten nach freier Wahl zu nutzen. Es umfaßt vielmehr auch die Freiheit, durch weitere Ausbildungsgänge die Voraussetzungen für die Ausübung anderer, z. Zt. noch nicht zugänglicher Berufe zu schaffen. Dabei ist die Ausübung dieses Rechts nicht beschränkt auf den erstmaligen Zugang zu einem Beruf, sondern erstreckt sich auf den das ganze Berufsleben durchziehenden Prozeß der Berufsfindung (BVerfGE 7, 377, 401; 17 269, 276). In der verfassungsrechtlichen Garantie des Rechts der freien Berufswahl kommt aber nicht nur das besondere Gewicht von Entscheidungen zum Ausdruck, die für den Berufsweg von grundlegender Bedeutung sind. Es folgt daraus auch die Unzulässigkeit von gesetzlichen Behinderungen in der Ausübung dieses Rechts, die nicht durch Gründe des Gemeinwohls, die an Bedeutung das Interesse des Einzelnen überwiegen, zwingend geboten sind (BVerfGE 7, 377, 405). Eine solche Beeinträchtigung würde vorliegen, wenn durch Berufswahlentscheidungen des Arbeitslosen dessen durch Beitragsleistung erworbener Anspruch auf Alg ausgeschlossen oder eingeengt würde. Einer eingehenden verfassungsrechtlichen Erörterung bedarf es indes insoweit nicht, weil § 103 AFG keinen Anhalt enthält, daß eine so entscheidende Maßnahme der Steuerung des späteren beruflichen Lebens anders zu behandeln ist als sonstige persönliche Lebensumstände, die den Arbeitslosen an einer vollschichtigen Tätigkeit hindern und deren Beseitigung nicht zumutbar ist. Dabei spielt es keine Rolle, daß für den Besuch des Abendgymnasium möglicherweise Mittel nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BaföG) in Anspruch genommen werden können; denn hierbei handelt es sich um eine allgemeine Leistung, die jedermann zusteht, der die Voraussetzungen erfüllt und die deshalb keinen Bezug hat zu den Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung, für die der Kläger Beiträge entrichtet hat. Der Ausgleich mehrerer öffentlicher Leistungen kann insoweit nur über Anrechnungs- oder Ruhensvorschriften erfolgen. Für die Arbeitslosenversicherung ist allein entscheidend, daß der Arbeitslose nach den Möglichkeiten, die ihm seine sonstigen hier zu berücksichtigenden Lebensumstände lassen, noch zu einer mehr als geringfügigen Beschäftigung bereit und in der Lage ist. Sofern dies der Fall ist, liegt das Risiko der Arbeitsplatzbeschaffung bei der BA und es ist, solange eine Vermittlung nicht gelingt, die gesetzlich vorgesehene Versicherungsleistung zu erbringen.

Der Einwand der Beklagten, im Interesse der Versichertengemeinschaft könne Alg nur dann gezahlt werden, wenn die Einschränkung der Arbeitsbereitschaft durch Maßnahmen hervorgerufen wird, die auch nach dem AFG zu fördern sind, findet im Gesetz keinen Anhalt. Im Rahmen des § 103 AFG kommt es nicht darauf an, aus welchen Gründen der Einzelne an einer vollschichtigen Arbeitsleistung gehindert ist. Dies ergibt sich schon daraus, daß auch Bindungen im persönlichen Bereich, die nichts mit den Aufgaben der BA zu tun haben, beachtlich sind. Entscheidend ist allein, in welchem Maße die Behinderung zwingenden Charakter hat.

Etwas anderes läßt sich auch nicht aus dem Grundgedanken des hier allerdings ohnehin noch nicht anzuwendenden § 118 Abs. 2 AFG (eingeführt durch Gesetz über die Krankenversicherung der Studenten vom 24. Juni 1975 - BGBl I - 1536; in Kraft ab 1. Oktober 1975) herleiten. Diese Vorschrift erstreckt sich nicht auf den Besuch von Schulen - wie eines Abendgymnasiums -, deren Unterricht darauf abgestellt ist, neben einer Erwerbstätigkeit besucht zu werden. Dies wird auch aus den Motiven deutlich, aus denen sich ergibt, daß durch § 118 Abs. 2 AFG vor allem Studenten vom Alg-Bezug ausgeschlossen und auf Leistungen nach dem Bafög verwiesen werden sollten, die aufgrund der Neufassung des § 172 Abs. 1 Nr. 5 RVO nunmehr unter Umständen schon durch das Ableisten von Praktika in die Arbeitslosenversicherung einbezogen werden (BT-Drucks. 7/3640, Seite 8 zu § 5 a). Mit § 118 Abs. 2 AFG sind dementsprechend nur solche Bildungsgänge angesprochen, bei denen die Notwendigkeit einer daneben ausgeübten Erwerbstätigkeit nicht besteht und die auch grundsätzlich darauf angelegt sind, daß der Teilnehmer seine Arbeitskraft im wesentlichen dem Unterricht widmet.

Neben der Belastung durch den Besuch des Abendgymnasiums kann dem Kläger eine vollschichtige Tätigkeit nicht zugemutet werden. Der Senat hat bereits in anderem Zusammenhang entschieden, daß die Grenze zumutbarer Belastung durch Unterricht und Erwerbstätigkeit einschließlich Vorbereitungszeit und Wegezeiten bei insgesamt 60 Stunden wöchentlich liegt (BSGE 39, 156; vgl. auch BSGE 31, 152). Die Belastung des Klägers durch den Besuch des Abendgymnasiums einschließlich der Vorbereitung für den Unterricht betrug nach Angaben des Rektors der Schule in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG über 36 Stunden wöchentlich. Rechnet man hierzu die vom Kläger angebotene Erwerbstätigkeit von 30 Stunden wöchentlich, so wird bereits dadurch (ohne die noch hinzuzurechnenden Wegezeiten) der Rahmen von 60 Stunden wöchentlich überschritten.

Zu dem gleichen Ergebnis kommt man im vorliegenden Fall, wenn man von dem Instrumentarium zur Begutachtung beruflicher Erwachsenenbildungsmaßnahmen gemäß § 34 AFG (Rd. Erl. 436/75, DBl A 1975, 1075, 1086) ausgeht, das vom Bundesinstitut für Berufsbildungsforschung entwickelt worden ist und von der BA bei der Prüfung der Eignung von Maßnahmen nach § 34 AFG zugrunde gelegt wird. Bei der Anwendung dieses Instrumentariums geht die BA davon aus, daß bei berufsbegleitendem Unterricht neben dem Beruf eine Zahl von maximal 12 Unterrichtsstunden pro Woche zugemutet werden kann, ohne daß der Erfolg der Bildungsmaßnahme gefährdet wird. Berücksichtigt man dabei, daß regelmäßig für Vor- und Nacharbeiten jeweils noch einmal die gleiche Zeit benötigt wird (BSGE 38, 109, 114), so entspricht dies - nicht eingerechnet die Wegezeiten - einer Unterrichtsbelastung von 24 Stunden wöchentlich. Rechnet man dazu die Belastung durch eine vollschichtige Tätigkeit von durchschnittlich 42 Stunden wöchentlich, so ergibt dies eine zumutbare Belastung von 66 Stunden wöchentlich. Genau diese Belastung hat auch der Kläger auf sich genommen, indem er zu den für den Besuch des Abendgymnasiums erforderlichen 36 Stunden noch seine Bereitschaft erklärt hat, 30 Stunden wöchentlich erwerbstätig zu sein. Hieraus rechtfertigt sich die Folgerung, daß die Bereitschaft zu umfangreicherer Tätigkeit dem Kläger nicht zugemutet werden kann.

Die in dem Urteil des Senats vom 12. Februar 1975 - 12 RJ 236/74 - (BSGE 39, 156) angenommene Grenze von 60 Stunden wöchentlich bedeutet allerdings im Rahmen des § 103 AFG nicht, daß der von dem Arbeitslosen angebotene Umfang der Erwerbstätigkeit nur bis zu dieser Höchstgrenze der Gesamtbelastung zu berücksichtigen ist mit der Folge, daß z. B. im vorliegenden Fall, möglicherweise nur eine Arbeitsleistung unterhalb der Grenze der Geringfügigkeit (§ 102 AFG) in Betracht käme. § 103 AFG enthält dort, wo die Verfügbarkeit von der Zumutbarkeit abhängig gemacht wird, nur Mindestanforderungen. Dem Einzelnen steht es frei, sich auch für Arbeiten bereit zu erklären, die ihm nach Art und Umfang nicht zumutbar sind, sofern er nach seinen Kenntnissen und Fähigkeiten und seinem Leistungsvermögen überhaupt hierfür geeignet (vgl. dazu BSGE 39, 291, 294) und dazu in der Lage ist.

Im vorliegenden Fall ist kein Anhalt dafür vorhanden, daß der Kläger die zusätzlich zum Besuch des Abendgymnasiums angebotene Arbeitszeit von 6 Stunden Arbeit täglich nicht erbringen kann. Für den Besuch des Abendgymnasiums wird überhaupt nur zugelassen, wer berufstätig ist, wobei davon auszugehen ist, daß zumindest in einer Vielzahl von Fällen mangels anderer Möglichkeiten eine vollschichtige Tätigkeit geleistet wird. Dieser Lebenssachverhalt beweist, daß durchaus neben dem Abendgymnasium noch mehr als geringfügige Berufstätigkeiten geleistet werden können. Dementsprechend liegt das Angebot des Klägers, 6 Stunden täglich erwerbstätig zu sein, nicht außerhalb des Möglichen. Besondere Anhaltspunkte, daß der Kläger nicht in diesem Umfang belastbar ist, liegen nicht vor. Hiergegen spricht auch, daß er später neben dem Besuch des Abendgymnasiums tatsächlich eine Halbtagsbeschäftigung aufgenommen hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1659392

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